Kategorie: Deutschland

Die größte Verfehlung des Dr. Z. gegen das Interesse der Allgemeinheit ist die Post-Privatisierung

Einen Sturm der Entrüstung haben Meldungen über groß angelegte Steuerhinterziehung durch den langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post AG, Dr. Klaus Zumwinkel, ausgelöst. Während Unternehmerverbände und bürgerliche Medien befürchten, dass solche Enthüllungen das Vertrauen in die Wirtschaftselite schwächen und DIE LINKE stärken, dreschen jetzt Politiker, allen voran führende Sozialdemokraten, auf den „asozialen“ Spitzenmanager ein und begrüßen den raschen Rücktritt des mutmaßlichen Steuerhinterziehers. Mit der Androhung, dass die Staatsanwaltschaft in den nächsten Tagen auch noch anderen mutmaßlich kriminellen Managern und Millionären auf die Pelle rücken könnte, soll dem Volk vermittelt werden, dass der Staat wieder ein Stück weit gerechtere Verhältnisse durchsetzt und jetzt auch ein paar Millionäre „dran glauben müssen“. Also alles in Butter?



Klaus Z. hätte eigentlich ein stressfreies Leben führen können. Gemeinsam mit seinem Bruder erbte er schon in jungen Jahren den millionenschweren Erlös aus dem Verkauf des Handelsunternehmens mit zehn Kaufhäusern und 50 Discounter-Läden. Aber der Hunger kommt bekanntlich beim Essen. Wer einmal Millionen besitzt und damit sorgenfrei leben könnte, der will immer mehr und mehr und mehr – ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit. Vor wenigen Wochen, Ende 2007, bereicherte sich Zumwinkel mit Aktienoptionsgeschäften: Er nutzte die Kurssteigerungen in Folge der Vereinbarung über den Post-Mindestlohn zum Verkauf persönlicher Aktienpakete und verdiente damit auf einen Schlag Millionen.

Die jetzt enthüllte Steuerhinterziehung ist allerdings nicht die größte Verfehlung des Multimillionärs Klaus Zumwinkel gegen das Interesse der Allgemeinheit. Zumwinkel hat Geschichte gemacht als „Macher“ eines Mega-Privatisierungsprojekts: der Privatisierung der Deutschen Post. 120.000 Post-Arbeitsplätze gingen seither in Folge der Privatisierung und der Liberalisierung des Post- und Logistikbereichs verloren.

Arbeitsbedingungen verschlechtert

Unter Zumwinkel haben sich die Post-Arbeitsbedingungen deutlich verschlechtert. Zwar suchte der Spitzenmanager – wie zuletzt durch die Regelung über einen Post-Mindestlohn – stets die Kooperation mit Gewerkschaftern zur Eindämmung der unvermeidlichen Konflikte und ließ sich dafür feiern. Doch während für Beamte und (dienst)ältere Beschäftigte noch eine Art „Besitzstandswahrung“ und der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vereinbart wurden, sind neu Eingestellte mit befristeten Verträgen und Subunternehmer, die im Zuge zunehmender Fremdvergabe für Fahrdienste und Briefkastenleerung eingesetzt werden, die Haupt-Leidtragenden des Renditedrucks. Manche Beschäftigte wurden in die Teilzeit gedrängt. Zusteller klagen über zunehmende Arbeitsverdichtung; die meisten dürften es unter diesem Druck kaum bis zum Rentenalter durchhalten. Menschen, die noch vor 20 Jahren bei der Post ein erträgliches Auskommen und sichere Arbeitsplätze ohne Angst vor Altersarmut gefunden hätten, stehen heute auf der Straße oder verdingen sich als Niedriglöhner bei Post-Konkurrenten wie PIN und TNT.

Die Kluft zwischen Oben und Unten ist auch im Postkonzern immer größer geworden. Zumwinkel bezog bis zuletzt rund drei Millionen Euro Jahreseinkommen.Anders als allgemein behauptet war die alte Bundespost mit ihren drei Säulen gelbe Post, Telekom und Postbank keine „marode Staatsbehörde“, sondern warf noch vor 20 Jahren Überschüsse in Milliardenhöhe ab, die in den Bundeshaushalt flossen. Sie sollte Mensch und Gewerbe flächendeckend mit ihren Diensten versorgen. Ein System der Quersubventionierung (Defizite bei Päckchen wurden etwa durch Überschüsse im Bank- und Telefongeschäft gedeckt) funktionierte. Sinn und Zweck der Zerschlagung und Privatisierung lag vor allem darin, diese Überschüsse für private Investoren zu öffnen. Dazu begann die Regierung Kohl Ende der 1980er Jahre mit der organisatorischen Aufspaltung in die drei Säulen als Vorstufe der völligen Trennung. 1994 beschloss der Bundestag den endgültigen Einstieg in die Privatisierung von Post, Telekom und Postbank durch Überführung in Aktiengesellschaften. Klaus Z., der das Vertrauen des damaligen Kanzlers Helmut Kohl genoss und zuvor schon bei Quelle und dem Unternehmensberatungskonzern McKinsey Karriere gemacht hatte, übernahm Ende der 1980er Jahre das Ruder bei der „gelben Post“ und trieb deren Privatisierung und Zerschlagung konsequent voran.

Die Helfershelfer der Dr. Z.

All dies hätte Dr. Z. ohne seine zahl- und einflussreichen Gönner und politischen Helfershelfer niemals vollbringen können, denn bis Ende der 1990er Jahre blieb der Konzern Deutsche Post AG noch zu 100 Prozent in Bundesbesitz. Neben Kohl waren dies vor allem die Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) und Wolfgang Bötsch (CSU). Da zur Privatisierung der Post – wie damals auch der Bahn – jedoch eine Grundgesetzänderung mit Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestags erforderlich war, bedurfte dieses Projekt auch der Zustimmung durch die SPD. Hin- und hergerissen unter dem Druck der Deutschen Postgewerkschaft, die gegen die Privatisierung mobilisierte, stimmte im Sommer 1994 schließlich eine Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion für die Privatisierung und Grundgesetzänderung. Noch heute sind viele Postler deswegen auf Rudolf Scharping sauer, damals SPD-Vorsitzender und Vorgänger Kurt Becks im Amt des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten. Auch der GDL-Bundesvorsitzende Manfred Schell stimmt als CDU-Abgeordneter für die Post-Privatisierung.

Wenn sich heute Kommunalpolitiker öffentlichkeitswirksam über den Rückzug der Deutschen Post aus der Fläche, die Schließung von Postfilialen und die Demontage von Briefkästen aufregen und als Anwalt der Betroffenen in Szene setzen, dann ist das in den meisten Fällen geheuchelt; schließlich war es – bis auf die PDS-Abgeordeten und eine Minderheit in der SPD-Fraktion – eine breite Bundestagsmehrheit, die grünes Licht für die Privatisierung und gab und damit – wie Kritiker schon damals warnten – den Rückzug der Post aus der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung und die jetzt offenkundige Service-Verschlechterung vor allem für Kleinkunden einleitete. Dass die Post AG heute ein „Global Player“ geworden ist, der wie verrückt in aller Welt Postfirmen und Logistikkonzerne aufkauft und einen „Platz an der Sonne“ sucht, nutzt den Menschen in Stadt und Land wenig, die immer längere Wege bis zum nächsten Briefkasten oder zur nächsten Postfiliale zurücklegen müssen. Zudem bringt das Geschäft der Post AG in den USA mit Paket- und Expressversand nach Pressemeldungen Milliardenverluste mit sich, für die letztlich auch wieder die Beschäftigten und Allgemeinheit hierzulande durch schlechtere Arbeitsbedingungen und Serviceverschlechterungen aufkommen müssen.

Unter Kohls Nachfolger Gerhard Schröder und seiner Regierung aus SPD und Grünen wurde ab 1998 der Privatisierungskurs konsequent fortgesetzt und Zumwinkel als „Sanierer“ gefeiert und hofiert. Im Jahre 2000 war die Post so weit umstrukturiert und auf Rendite getrimmt, dass mit dem Börsengang der große Ausverkauf beginnen konnte. Zwar ist der Bund immer noch größter Einzelaktionär der Post AG, doch das erklärte Ziel der Bundesregierung ist es, den Staatsanteil auf Null zu senken. 2007 bekam Dr. Z. von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen überreicht. „Klaus Zumwinkel ist ein hervorragender Unternehmer, der sich mit seinem unternehmerischen Engagement um Deutschland verdient gemacht hat: beharrlich in der Sache und zum Wohle unseres Gemeinwesens“, so der Ministerpräsident in seiner Laudatio.

Was nun?

Im „Fall Zumwinkel“ dürfen wir auch dann nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn Dr. Z. aus seinem Millionenvermögen die hinterzogenen Steuern nachzahlt, eine Strafe entrichtet und ansonsten weiter ein Leben in Luxus führt. Dr. Z. steht für hemmungslose neoliberale Privatisierungsorgien und die Zerschlagung von Einrichtungen der Daseinsfürsorge im Interesse der Aktionärsrendite. Den Politikern, die entsprechende Beschlüsse gefasst haben und Figuren wie Dr. Z. hochgepäppelt, gefeiert und gefördert haben und sich jetzt über sein „asoziales Verhalten“ aufregen, glauben wir kein Wort. Auf dem Gebiet der Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge war und ist Deutschland unter den Kanzlern Kohl, Schröder und Merkel ein „Musterknabe“ und Vorreiter.

Gerne verstecken sich die Privatisierungsbefürworter dabei – zu Unrecht – hinter „Sachzwängen“ wie EU-Richtlinien und „Globalisierung“. Dabei befindet sich ausgerechnet die britische Post Royal Mail bis zum heutigen Tage immer noch voll in staatlicher Hand. „Die Privatisierung der ehemals staatlichen Post-Unternehmen kann zwar nicht unmittelbar auf europäisches Recht zurückgeführt werden, da EU-Richtlinien eigentumsrechtlich neutral bleiben und nicht explizit eine Privatisierung öffentlicher Unternehmen fordern“, heißt es auch in einer Publikation der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung mit dem Titel „Liberalisierung des deutschen Postsektors – Auswirkungen auf Beschäftigung und Tarifpolitik“ (WSI Mitteilungen 5/2007). Ob Post, Telekom, Bahn, Energie, Wasser oder was auch immer: Privatisierung und Liberalisierung sind kein unabwendbares Naturereignis. Sie können und müssen wieder rückgängig gemacht werden.

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