Kategorie: Deutschland |
|||
Alltäglicher 1-Euro-Job-Missbrauch |
|||
|
|||
Als das ehemalige IG Metall-Vorstandsmitglied Horst Schmitthenner in Begleitung unseres Redaktionsmitglieds Hans-Gerd Öfinger in Wiesbaden im Februar eine spontane „Inaugenscheinnahme“ von Arbeitsgelegenheiten (1-Euro-Jobs) vornahm und Betroffene befragte, wirbelte dies viel Staub auf. Wochenlang beklagten Lokalpresse und örtliche CDU den vermeintlichen „Hausfriedensbruch“ und behaupteten, damit wolle DIE LINKE nur ihr „Süppchen kochen“. | |||
|
|||
Die allermeisten der besuchten „Ein-Euro-Jobber“ waren allerdings froh, dass sich jemand für ihre Lage interessierte. Für Schmitthenner erbrachten die Besuche eine Bestätigung dafür, dass „nicht bei allen Arbeitsgelegenheiten die rechtlichen Grundlagen eingehalten werden“. Gemeinsam mit dem örtlichen IG BAU-Sekretär Veit Wilhelmy brachte er es auf den Punkt: Viele Wiesbadener 1-Euro-Jobs entsprächen nicht den gesetzlichen Vorgaben, weil sie weder im öffentlichen Interesse lägen noch „zusätzlich“ seien und ebenso wenig die Chancen auf Anstellung im regulären Arbeitsmarkt verbesserten. In der Wiesbadener Wirklichkeit würden 1-Euro-Jobber massenhaft für reguläre Arbeiten eingesetzt. So habe die örtliche Caritas in einer Großküche neben zwei Festangestellten ausschließlich 1-Euro-Jobber beschäftigt, die nach eigenen Aussagen alle anfallenden Küchenarbeiten machten. In der Küche einer Schule seien neben zwei Angestellten bis zu zwölf 1-Euro-Jobber beschäftigt. In der städtischen Domäne Mechthildshausen, einer auf Bionahrung und Gastronomie spezialisierten Einrichtung, würden die Hotelzimmer fast nur von 1-Euro-Jobbern gereinigt und auch anderswo Scharen von 1-Euro-Jobbern eingesetzt. Auch in einem Pflegewohnheim der Arbeiterwohlfahrt verrichteten 1-Euro-Jobber hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Schmitthenner forderte die Umwandlung solcher Arbeitsgelegenheiten in das, was sie seien, nämlich reguläre Beschäftigungsverhältnisse. Veit Wilhelmy, nach dessen Einschätzung gut 50 Prozent der Wiesbadener 1-Euro-Jobs nicht ausschließlich bzw. gar keine zusätzliche Arbeit darstellen, schildert den Fall eines Betroffenen, der auf der Domäne Mechthildshausen die dort untergebrachten Pferde bewegt und die Stallungen ausgemistet habe. 30 von 35 Pferden gehörten privaten Besitzern. Als er sich darüber beschwerte, dass er eigentlich auf Gewinn gerichtete und keine zusätzlichen Arbeiten mache, sei er unter Druck gesetzt und gedemütigt worden. „Pferde bewegen und Stallungen ausmisten gehört zum Ausbildungsberuf des Pferdewirtes, so dass auch hier reguläre tarifvertraglich geregelte Beschäftigung verdrängt wird“, beklagt Wilhelmy. Auch das Grünflächenamt bei der Stadtverwaltung habe in den letzten fünf Jahren 25% der Arbeitsplätze vernichtet und setze 1-Euro-Jobber überall dort ein, wo früher reguläre Arbeit geleistet wurde. Bis auf die neuen Spielplatzwärter sei hier „von Zusätzlichkeit keine Spur“, kritisiert Wilhelmy. Bei der notwendigen Pflege städtischer Parks und Grünflächen seien noch vor wenigen Jahren Arbeitskräfte mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen nach Tarif beschäftigt worden. Dazu gehörten nach Angaben eines betroffenen 1-Euro-Jobbers Tätigkeiten wie Mähen und Heckenschneiden, Spielplatzreinigung oder die Entfernung des Laubs. „Dafür könnten wir auch Gartenarbeiter einstellen“; hatte ein städtischer Mitarbeiter in einem Schreiben an Wilhelmy erklärt. Die Stadt hingegen verteidigt den Arbeitsplatzabbau beim Grünflächenamt damit, dass viele Aufträge an Fremdfirmen vergeben worden seien, also eine Art Privatisierung stattgefunden habe. In einem anderen Fall habe eine 1-Euro-Jobberin 11 Monate lang fast ausschließlich als Reinigungskraft in einer Einrichtung gearbeitet und sei dabei an andere Träger im Stadtgebiet „ausgeliehen“ worden, um Büros und Toiletten zu reinigen. Sie habe in diesen 11 Monaten auch fachlich nichts dazu gelernt. „1-Euro-Jobs richten mehr gesellschaftlichen Schaden an, als sie mitunter dem einen oder anderen helfen,“ so Gerhard Abendschein, ver.di-Sekretär und AfA-Vize-Vorsitzender in Wiesbaden. Angelika Beier vom DGB Hessen-Thüringen rechnet vor, dass sich „reguläre Beschäftigung statt Ein-Euro-Jobs“ zum größten Teil selbst finanziere. Die Summe aller von der öffentlichen Hand erbrachten Kosten ergebe den Betrag von 1450 Euro monatlich und entspreche bei einer 30-Stunden-Woche einem Stundenlohn von 11,15 Euro. |