Mit 28,8% hat die CDU in Angela Merkels Heimatland Mecklenburg-Vorpommern ihr schlechtestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung erzielt. Mit 21,3% und damit 2,5% weniger als im Jahr 2001 liegt die CDU auch in Berlin meilenweit von den Ergebnissen früherer Jahrzehnte entfernt. Nachdem es vor einem Jahr auch bei der Bundestagswahl zum dritten Mal in Folge nicht gelungen ist, eine rein bürgerliche Mehrheit aus CDU/CSU und FDP zu gewinnen, steckt die CDU in der wohl größten Krise der Nachkriegszeit. Nun steht trotz vermeintlich "stabiler Mehrheiten" in Bundestag und Bundesrat die Große Koalition mit Gesundheits- und Arbeitsmarktreform vor der Zerreißprobe. Angela Merkel und der Koalition weht aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ein eisiger Wind ins Gesicht. Auch SPD-Chef Kurt Beck hat nichts zu feiern. Verluste von über 10% in Mecklenburg-Vorpommern sind nicht schön zu reden. Auch wenn Klaus Wowereit am Wahlabend als Zugpferd und Shooting-Star der SPD präsentiert werden sollte, 30,8% und knappe 1,1% Zugewinn sind ein überaus mageres Ergebnis für die SPD in Berlin. In absoluten Zahlen hat die Berliner SPD sogar von rund 481800 auf rund 433600 Stimmen verloren. Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung vereint die SPD damit nicht mal mehr 18% der wahlberechtigten Bevölkerung der Hauptstadt auf sich. Mit einem Rückgang um rund 10% liegt die Wahlbeteiligung in beiden Ländern auf historischen Tiefständen. Statt wieder "stabile Verhältnisse" zu schaffen, führt die Politik der großen Koalition zunehmend zu einem Zustand fehlender Legitimität und "Unregierbarkeit" des Landes aus bürgerlicher Sicht und auch zu einer gewissen Zersplitterung der politischen Landschaft. Die hohe Wahlenthaltung ist ein klares Urteil der Bevölkerung über die politische Linie der großen Parteien.
Verluste der Linkspartei in Berlin
Die Berliner Linkspartei.PDS hat herbe Verluste hinnehmen müssen, vor allem auch in den östlichen Wahlkreisen, ihren eigentlichen Hochburgen. Damit erhielt sie die Quittung für fünf Jahre Mitregieren im Sinne des Kapitals. Die Linkspartei.PDS hat sich daran beteiligt, den Scherbenhaufen der vergangenen bürgerlichen Regierungen aufzukehren und "Sparpolitik" im Sinne der Berliner Banken und Sozialabbau zu betreiben. Sie wurde 2001 in Berlin von zahlreichen lohnabhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, RentnerInnen und Studierenden gewählt, da sie die Hoffnung auf eine soziale Landespolitik und eine Abwendung unsozialer Sparmaßnahmen verkörperte. Diese Hoffnungen wurden enttäuscht. Nun sollte der gesamte Landesvorstand der Berliner Linkspartei.PDS aus der Niederlage die Konsequenzen ziehen und zurücktreten. Freie Bahn für die wahrhaft sozialistischen Kräfte in der Linkspartei.PDS, die nicht eine Fortführung der rot-roten Koalition um jeden Preis wollen, sondern selbstbewusst und mit sozialistischen Inhalten der SPD gegenüber treten. Ein Kurswechsel der Linkspartei muss her, wenn sie nicht noch mehr Vertrauen der arbeitenden Bevölkerung verlieren will. Wir brauchen keine von der Basis abgehobenen Politbürokraten, sondern kämpferische Linke, Basismitglieder und Gewerkschafter, die sich uneingeschränkt für die Interessen der Arbeiter, Arbeitslosen und Jugendlichen einsetzen. Die Wahlen zeigen übrigens auch: Die SPD bleibt für die Masse der Arbeiterklasse ein nicht zu unterschätzender Orientierungspunkt. Es ist naiv darauf zu setzen, dass durch gebrochene Wahlversprechen enttäuschte SPD-Wähler quasi per Geisterhand in das Lager der Linkspartei treiben würden. Das Wahlergebnis zeigt auch eines: Die Arbeiterklasse "verzeiht" eher der SPD ein Abdriften nach rechts als einer linkeren Partei, die sie in der Hoffnung auf eine gesellschaftliche Alternative gewählt hat. Kummer mit der SPD ist sie ja gewohnt.
Spaltung
Die Berliner WASG ist mit 2,9% der Stimmen - trotz Materialschlacht und breiter Medienberichterstattung - hinter allen, vor allem ihren eigenen Erwartungen, zurückgeblieben. Sie wollte sich im Wahlkampf als die bessere Linke profilieren und das von der Regierungsbeteiligung der Linkspartei.PDS enttäuschte Wählerpotential auffangen. Dies ist nicht gelungen. Es zeigt sich wieder, dass es äußert schwierig ist, mit einer kleinen linken Splitterpartei in der Arbeiterklasse Fuß zu fassen, selbst wenn sie formal richtige Positionen vertritt. Solche offensichtlichen Spaltungen tragen nur zur Desorientierung und Schwächung der Linken bei. Bereits aus früheren Erfahrungen getrennter Kandidaturen auf kommunaler Ebene (auch bei der jüngsten Kommunalwahl in Niedersachsen) hätte klar sein müssen, dass getrennte Kandidaturen der Linken insgesamt schaden und viele Interessierte der Bewegung verloren gehen. Mit Spaltungen tut sich die deutsche Arbeiterbewegung sehr schwer. Hätten die Mitglieder der Berliner WASG und die linken Kritiker der PDS-Regierungsbeteiligung von Anfang an ihre Kräfte in den Aufbau einer linken Opposition innerhalb der Berliner Linkspartei.PDS gesteckt, so hätte der Regierungsflügel um Harald Wolf und andere niemals so freie Hand gehabt. Auch wären die Linken in der Linkspartei.PDS dann heute in einer Position, in der sie die diskreditierte Berliner Führung wohl ohne Probleme absetzen könnten. Die Berliner Linkspartei.PDS könnte so die SPD mit kämpferischen Forderungen vor sich her treiben. Es wäre bei einem gemeinsamen Wahlantritt auch möglich gewesen, linke WASG-Mitglieder auf aussichtsreiche Listenplätze zu setzen und in das Abgeordnetenhaus zu bringen. Diese hätten dann jetzt zum Ausgangspunkt einer Neuausrichtung der Partei werden können. Die Arbeiterklasse sucht in aller Regel vor allem Antworten in ihren traditionellen Organisationen wie der SPD und der Linkspartei.PDS und zieht in der Masse Wahlenthaltung der Wahl kleiner Organisationen und Splittergruppen vor. Selbst ein Einzug der WASG ins Berliner Abgeordnetenhaus hätte die entscheidenden Probleme nicht gelöst. Die Massen können nicht durch Hauruck-Manöver, sondern nur durch geduldige Überzeugungsarbeit an der Basis der Massenorganisationen überzeugt und gewonnen werden.
Kampf gegen Rechts
Die neofaschistische NPD zieht mit 7,3% erstmalig in den Landtag Mecklenburg-Vorpommerns ein und hat sich generalstabsmäßig im Nordosten in einigen Landstrichen eine soziale Basis aufgebaut. Die Neonazis konnten jetzt auch einige Sitze in Ost-Berliner Bezirksversammlungen erringen, blieben in der Hauptstadt insgesamt allerdings trotz groß angelegter und teurer Wahlkampagnen mit 2,6% abgeschlagen. Im Vorfeld der Wahlen hatten NPD-Schlägertrupps vor allem in ihren östlichen Berliner Hochburgen versucht, durch Angriffe auf linke Wahlveranstaltungen ihre Gegner einzuschüchtern. Die Bedrohung durch Skinheads und faschistische Schlägertrupps für Linke und Ausländer in einigen Berliner Stadtteilen bleibt akut und die Nazis müssen dort in Schule, Betrieb und auf der Straße bekämpft werden. Nach dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag vor zwei Jahren gibt jeder weitere Wahlerfolg den Neonazis neuen Auftrieb und Öffentlichkeit. Das eigentliche Problem liegt im Fehlen einer wirklich konsequenten und starken Interessenvertretung der Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Jugend und Senioren. Ein wesentlicher Nährboden für die Neonazis liegt in der Ausweglosigkeit und den Existenzängsten vieler Menschen im real existierenden Kapitalismus und in der Hoffnungslosigkeit in Regionen mit über 20 Prozent Arbeitslosenquote. Dem müssen wir eine konsequent demokratisch-sozialistische Politik im Interesse einer breiten Mehrheit entgegensetzen. Wenn die Linke nicht mit kämpferischem Programm und sozialistischen Alternativen aufwartet, sondern sich "konstruktiv" an der Umsetzung kapitalistischer Sachzwänge beteiligen will, besteht immer die Möglichkeit, dass auch mancher verängstigte Arbeiter, Arbeitslose und sozial Ausgestoßene rechtsradikalen Phrasendreschern auf den Leim geht. So gelang es der NPD in Mecklenburg-Vorpommern unter Arbeitslosen wie auch unter den Erstwählern je einen Stimmenanteil von 17% zu gewinnen. Festzuhalten bleibt aber nach den Wahlen auch, dass rund 12000 ehemalige CDU-Rechtsaußen in Mecklenburg-Vorpommern dieses Mal NPD wählten. Der zunehmende Gebrauch von Gewalt und das militante Auftreten von Rechtsextremen auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo es zu Übergriffen von Neonazis auf Wahlstände von SPD, Jusos und Linkspartei kam, zeigen, dass die Basis von SPD und Linkspartei hier ein gemeinsames Interesse haben. Es ist notwendig, sich auf solche gezielten Provokationen rechter Gewalt praktisch einzustellen und nicht nur handfeste Argumente, sondern auch handfeste Pläne zur Selbstverteidigung für Veranstaltungen und Infostände von Linkspartei und SPD gemeinsam zu entwickeln und umzusetzen. Gerade die Jugendorganisationen von SPD und Linkspartei müssen die Initiative zum Aufbau einer abwehrstarken gemeinsamen "Arbeiter-Einheitsfront" gegen Neonazis ergreifen.
Daher:
Schonungslos Bilanz ziehen Alle diejenigen, die die neoliberale Politik der letzten 5 Jahre unter Rot-Rot maßgeblich mitgetragen und organisiert haben - und uns damit die Wahlniederlage eingebrockt haben - müssen gehen! Für einen Komplettaustausch der prokapitalistischen Führung der Berliner Linkspartei.PDS!
Die Berliner Linkspartei neu aufstellen Statt von der Basis abgehobener Politikbürokraten brauchen wir kämpferische Basisaktive, Linke und Gewerkschafter an der Parteispitze, die unter der Kontrolle der Basis stehen. Alle Aktiven der Berliner WASG sollten unverzüglich in die Linkspartei übertreten und dort für einen linken Kurswechsel eintreten. Für jederzeitige Abwählbarkeit des Berliner Landesvorstands!
Die Parteivereinigung vollziehen Die Mehrheit der Bevölkerung sieht die Linkspartei schon als eine Partei. Getrennte Kandidaturen von WASG und Linkspartei.PDS spalten die Linke und schaden der Bewegung. Für eine bundesweit geeinte Linkspartei!
Mit Klassenpolitik gegen Neonazis Der Einfluss von Neonazis kann nur durch eine wirkliche politische Alternative im Interesse der Lohnabhängigen zurückgedrängt werden. Gegen braune Übergriffe müssen SPD, Jusos, Linkspartei und Solid gemeinsame Selbstverteidigung organisieren. Für eine rote Arbeitereinheitsfront gegen NPD und Neonazis!
Vorwärts zum Sozialismus Den kapitalistischen Sachzwängen entrinnt nur, wer die Macht der Großkonzerne, Banken und Versicherungen in Frage stellt. Statt konstruktiver Mitarbeit an Privatisierungen und Sozialabbau brauchen wir eine Alternative zum kapitalistischen Gesellschaftssystem. Für ein sozialistisches Programm der Linkspartei!
Thomas Gamstätter und Alexander Dirmeier
|