Kategorie: Deutschland

SPD-Rechter Bökel organisiert Polizeischutz für „Viererbande“

Während führende hessische Sozialdemokraten nach dem Scheitern der für letzten Dienstag vorgesehenen Abwahl des amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch weiter die Wunden lecken, wird zunehmend klar, dass die SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti Opfer einer politischen Intrige geworden ist, an der maßgebliche rechte Sozialdemokraten beteiligt waren.



Zentrale Figur und Förderer des Komplotts der Abgeordneten Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts könnte Gerhard Bökel gewesen sein. Er war bis 1999 Innenminister im Kabinett des früheren hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD). Mit ihm als Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl 2003 rutschte die Hessen-SPD erstmals nach 1945 unter die 30-Prozent-Marke. Damals war Bökel Landes- und Fraktionsvorsitzender der Hessen-SPD und Jürgen Walter sein Landesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter.

Bökel hatte sich bei der Wahl des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2008 engagiert für Ypsilantis Widersacher Jürgen Walter ausgesprochen und bis letzte Woche öffentlich gegen das Vorhaben einer SPD-Grüne-Minderheitsregierung mit Dildung durch die Linksfraktion gewettert.

Am Dienstagabend trat ein auffällig fröhlicher und gelassener Gerhard Bökel im Hessenfernsehen auf und gab zu, dass er am vergangenen Sonntag beim hessischen Innenminister Volker Bouffier Polizeischutz für die vier Abweichler in der SPD-Fraktion beantragt habe. Als die vier Abgeordneten am Montagnachmittag in einem Wiesbadener Luxushotel kundtaten, dass sie ihre Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti nicht zur Ministerpräsidentin mitwählen würden, waren zivile Polizeikräfte bereits im Saal im Einsatz. Durch körperlichen Einsatz sorgten sie dafür, dass etwa empörte Mitglieder der LINKEN an Ort und Stelle der „Viererbande“ nicht zu nahe kamen.

Am Mittwoch gab Bökel im Hessenfernsehen zu, dass er mit den Abweichlern bereits am vergangenen Freitag in Kontakt gestanden hatte. Somit dürfte Bökel zusammen mit seinem Ziehsohn Jürgen Walter die Verschwörung mit inspiriert und organisiert haben, ohne der Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti auch nur einen Hinweis zu geben.

So nahm das Drama seinen Lauf und wiegte sich Ypsilanti in der trügerischen Hoffnung, die 95 Prozent Zustimmung des SPD-Landesparteitags am Wochenende zum Koalitionsvertrag mit den Grünen würden auch zweifelnde rechte Sozialdemokraten in der Landtagsfraktion beeindrucken und auf Linie bringen. Sie schenkte den Zusicherungen der Dissidenten Glauben und nahm ihr Wort für bare Münze. „Lasst uns heute die Ampel auf grün stellen, damit wir die Chance haben, dass dieses Land wieder rot wird“, hatte Walter noch am 4. Oktober erklärt. „Ich brauche keine Aufforderung, Andrea Ypsilanti zu wählen. Das ist unredlich und ärgert mich. Ich finde dies als einen persönlichen Affront“, hatte sich Everts noch letzten Freitag in der Frankfurter Neuen Presse gewehrt. Und Silke Tesch hatte in einem E-Mail an SPD-Landes-Generalsekretär Norbert Schmitt noch am Donnerstag letzter Woche festgestellt, dass die getroffene Koalitionsvereinbarung „in den Kernthemen natürlich mehr als verdient hat, umgesetzt zu werden.“

Führende CDU-Repräsentanten hingegen zeigten sich auch am Wochenende auffällig zuversichtlich, dass die Abwahl Kochs scheitern würde. Angesichts der Tatsache, dass Jürgen Walter seit August mit der ehemaligen Pressesprecherin der Hessen-CDU, Esther Petry, verheiratet ist, dürften Koch und seine Leute wohl auch aus gut unterrichteten Kreisen direkte Hinweise auf den sich anbahnenden Paukenschlag vom vergangenen Montag erhalten haben, spätestens durch Bökels Telefonat mit Bouffier am Sonntag.

Während die SPD-Fraktion bislang auf einen Ausschluss der vier Abweichler verzichtet hat, sind diese – mit Polizeischutz – an einem geheim gehaltenen Ort untergetaucht und halten nur zu wenigen ausgewählten Personen, darunter Bökel und Redaktionsmitgliedern der Frankfurter Allgemeinen (FAZ), Kontakt. Unterdessen hat der SPD-Bezirk Hessen-Süd die vier Abweichler aufgefordert, bis Freitag ihre Landtagsmandate niederzulegen.

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