Kategorie: Deutschland |
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Die Aufklärung des DB-Schnüffelskandals gehört in Arbeitnehmerhand! |
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Vor dem Hintergrund der Ausspähungen von Mitarbeitern beim Lebensmitteldiscounter LIDL und der Deutschen Telekom hat die jüngste Schnüffelaffäre bei der Deutschen Bahn AG (DB) eine neue Debatte über betrieblichen Datenschutz ausgelöst. | |||
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Dadurch dürften sich alle diejenigen bestätigt sehen, die nicht erst seit den ersten Meldungen über den aktuellen DB-Skandal vor gut vier Wochen dringenden Handlungsbedarf sehen, um Arbeitnehmer im betrieblichen Alltag vor ausufernder Überwachung zu schützen. So forderten die Justiziare des DGB und seiner Einzelgewerkschaften schon im Juli 2008 eine „neue Datenschutzoffensive“ in Gesellschaft und Betrieben. „Die Sammelleidenschaft der staatlichen und privaten Unternehmen gerät außer Kontrolle und die Sensibilität droht verloren zu gehen. Die Datensammelwut eröffnet aber auch dem Missbrauch Tür und Tor und gefährdet die Privatsphäre“, heißt es in dem Papier. „Angesichts der jüngsten Auswüchse in der Wirtschaft stellen wir die Frage nach der Unternehmenskultur und Rechtstreue einiger deutscher Unternehmen beim Umgang mit persönlichen Daten ihrer Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner. Datenschutz scheint in diesen Unternehmen nicht ernst genommen zu werden“ – diese Aussage vom letzten Sommer dürfte jetzt auch voll und ganz auf das Management der Deutschen Bahn AG zutreffen. Die Gewerkschaftsjuristen erinnern daran, dass das Bundesdatenschutzgesetz das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen schützen solle. Weiterer Grundsatz sei die Datenvermeidung und Datensparsamkeit. Verstöße gegen Datenschutz müssten zu gravierenden Strafen führen, zumal die derzeitigen Höchststrafen zu gering seien. Sanktionen müssten deutlich spürbar sein, um Nachlässigkeit oder Missbrauch zu vermeiden. Unternehmen dürften die Bußgelder nicht mehr „aus der Portokasse bezahlen können“, so die Justitiare.„Der Anspruch des Gesetzes ist klar und deutlich formuliert, die Kontrolle seiner Einhaltung jedoch fraglich“, bringen sie es auf den Punkt und fordern mehr Transparenz für die Betroffenen. Anfang Dezember forderte der DGB-Bundesvorstand ein ausdrückliches Verbot der gezielten Beobachtung und Überwachung von Beschäftigten am Arbeitsplatz. Nur bei begründetem Verdacht einer Straftat oder schwerwiegenden Schädigung des Arbeitgebers könne eine Überwachung im Einzelfall gesetzlich zulässig sein. Bei einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte müsse den Betroffenen ausdrücklich Schmerzensgeld zustehen. Im aktuellen Datenskandal bei der Deutschen Bahn hat TRANSNET-Chef Alexander Kirchner der Politik „Scheinheiligkeit“ vorgeworfen, weil sie „jahrelang ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz verhindert habe“. In D-Radio Kultur verlangte er ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz und begrüßte, dass die Ausspähung nahezu aller DB-Mitarbeiter jetzt durch einen „Compliance-Ausschuss“ untersucht werden soll. In diesem Gremium sollen die früheren Bundesminister Gerhart Baum (FDP) und Herta Däubler-Gmelin (SPD) sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mitarbeiten. Ob dieser Ausschuss im Sinne und zur Zufriedenheit der Arbeitnehmer alles restlos ermitteln wird, muss sich zeigen. Denn die massenhafte Ausspähung hat bei den DB-Beschäftigten tiefe Wunden gerissen und Misstrauen genährt. „Es ist also ob man einem die Hose runtergezogen hätte“, brachte es der Hamburger Bahn-Sicherheitsingenieur Hans-Dietrich Springhorn in der Nacht zum Donnerstag im ARD-Nachtmagazin auf den Punkt: „Man fühlt sich ausgespäht und traut sich auch nichts.“ Mit dem zwischenzeitlich von Bahnchef Mehdorn an alle Mitarbeiter verschickten Entschuldigungsbrief sei es nicht getan, erklärte Springhorn, seit 40 Jahren Eisenbahner und Gewerkschafter und seit einiger Zeit auch aktiv in der gewerkschaftlichen Basisinitiative Bahn von unten. Von der alleinigen Ausrichtung auf ein neues Gesetz hält er indes wenig. Die Hauptfrage sei die Überwachung der Einhaltung bestehender Grundrechte und Persönlichkeitsrechte gerade auch im betrieblichen Alltag. Es stimme „mehr als bedenklich“, dass ausgerechnet unter Bahnchef Mehdorn ein derartiges Überwachungssystem bestanden habe und der frühere TRANSNET- Chef und heutige DB-Personalvorstand Norbert Hansen vor wenigen Jahren Mehdorn noch als Verfechter „deutscher Mitbestimmungskultur“ gelobt habe. Ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz könne sogar den Rahmen für künftige legale Überwachungen schaffen und frühere Schnüffelaktionen legitimieren, warnt Springhorn und kritisiert gleichzeitig, dass die Gewerkschaften dem „Compliance-Ausschuss“ einen Blankoscheck ausgestellt und die Aufklärung der Vorgänge an Dritte delegiert hätten, die zudem vom Arbeitgeber finanziert würden: „Die Aufklärung ist ureigene Angelegenheit der Arbeitnehmer und ihrer Organe. Betriebsräte und Gewerkschaften haben genügend Sachverstand und eigene Fachleute an der Hand, um alles aufzuarbeiten und transparent zu machen.“ Gewerkschaften sollten gerade auch in solchen Fragen ihre Unabhängigkeit vom Arbeitgeber bewahren und nicht an der Garderobe abgeben. |