Kategorie: Deutschland |
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„Wir zahlen NICHT! für eure Krise!“ – Inhalt und Bedeutung einer Losung |
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Auf der ganzen Welt nehmen Lohnabhängige und Jugendliche diese (sprachlich jeweils leicht angepasste) Losung, um angesichts der Weltwirtschaftskrise ihre Interessen im Kampf gegen Stellenabbau, Lohnkürzungen und Sparpakete zu verteidigen. Auch in Deutschland wird dieser Slogan durch eine bundesweite Demo am 28. März erstmals zu einer materiellen Kraft. Was verstehen wir MarxistInnen konkret unter „Eure Krise zahlen wir nicht“? |
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Was wir heute sehen, ist eine klassische kapitalistische Krise: Es gibt zu viel Kapital, als dass es noch profitträchtig angelegt werden könnte. Die Märkte sind übersättigt, die Produktion wird zurückgefahren, Kapital wird vernichtet. Dabei ist es längst nicht so, dass die menschlichen Bedürfnisse befriedigt wären: eine Milliarde Menschen hungern, Millionen sterben an heilbaren Krankheiten, sind obdachlos, haben keinen Zugang zu Trinkwasser, über der Menschheit hängt das Damoklesschwert einer verheerenden Klimaerwärmung usw. Auch in den entwickelten kapitalistischen Ländern ist Armut längst wieder ein Massenphänomen geworden. Eine Ökonomie, die sich rein an der Bedürfnissicherung der Menschen orientiert, hätte also keinen Anlass in eine tiefe Systemkrise zu stürzen. Der Kapitalismus funktioniert aber nach anderen Regeln. In diesem System entscheidet letztendlich das Prinzip der Profitmaximierung. Investiert und produziert wird nur dort, wo das Kapital Profite erwartet, und das setzt voraus, dass die Waren verkauft werden und der Mehrwert realisiert wird. Die Ursache der heutigen Krise liegt darin, dass das Kapital nicht mehr in ausreichendem Maße profitabel verwertbar ist. Durch politische Entscheidungen (Deregulierung, Privatisierung, Flexibilisierung der Arbeitsmärkte,…) haben die Regierungen und die jeder demokratischen Legitimation entzogenen Zentralbanken versucht seit Ende der 1970er Jahre wieder profitablere Kapitalverwertungsbedingungen herzustellen – zu einem hohen Preis. Diese Politik des „Neoliberalismus“ hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren die Widersprüche in diesem System ein unvorstellbares Ausmaß erlangt haben. Das Aufbrechen dieser Widersprüche hat zu einer Weltwirtschaftskrise ähnlich der Großen Depression 1929-33 geführt, der sich niemand mehr entziehen kann. Wer zahlt nun die Krise? Die zentrale Frage, entlang der sich gesellschaftliche Umbrüche in der kommenden Periode ergeben werden, ist genau diese. Unsere Antwort lautet: WIR NICHT! Wen meinen wir mit „Wir“? In erster Linie die Lohnabhängigen, Jugendlichen und Rentner. Sie können für diese Krise gar nichts – nicht einmal ultrareaktionäre Kapitalvertreter trauen sich heute dies zu behaupten. Und es stimmt nicht nur im „Abstrakten“, in einer theoretischen Betrachtung der kapitalistischen Krise, sondern dies entspricht auch der konkreten Erfahrung aller Menschen. Die Realeinkommen in Deutschland sind in den letzten Jahren für den Großteil der Bevölkerung gesunken. Im Jahr 2008 befanden sie sich in etwa auf dem Stand wie zuletzt vor 20 Jahren. D.h. wir haben seither keine Erhöhung unserer Kaufkraft erlebt. Gleichzeitig ist die Wochenarbeitszeit durch Ausweitung von Überstunden angestiegen und durch die Rente mit 67 müssen wir bald auch mehr Lebensjahre unsere Haut zu Markte tragen. Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen sinkt seit den 1970er Jahren unaufhörlich. Gleichzeitig sind wir gezwungen intensiver („Stress“) und flexibler zu arbeiten. Als Jugendliche tun wir uns schwer zu unserer gewünschten Ausbildung überhaupt zugelassen zu werden und haben immer geringere Chancen uns am Arbeitsmarkt zu etablieren. Unsere Arbeitsverträge sind schlechter und immer mehr können von einer Arbeit allein nicht leben. Wir haben vom Aufschwung der vergangenen Jahre nicht profitiert – im Gegenteil: Die erhöhte Ausbeutung der Ware Arbeitskraft war neben der „Globalisierung“ die zentrale Schraube um die Profite fürs Kapital zu maximieren. Es ist augenscheinlich, was die Ursachen für diese Krise sind und wer dafür verantwortlich ist. Dennoch wäre es illusorisch zu glauben (und tatsächlich tut dies auch niemand) – dass das Kapital voller Schuldbewusstsein und schlechtem Gewissen für die Folgen der Krise aufkommen wird. Bereits jetzt laufen alle Mechanismen, um diese Krise auf unsere Schultern abzuwälzen: Durch Kurzarbeit (allein im Januar haben deutsche Unternehmen für insgesamt 290.600 Menschen Kurzarbeit angemeldet) und Stellenabbau (v.a. bei LeiharbeiterInnen und zeitlich befristeten Arbeitsverträgen). Doch das ist erst der Anfang. Nach den Bundestagswahlen im September 2009 wird uns die Rechnung präsentiert werden und uns eine Agenda 2020 für unumgänglich aufgezwungen werden, wenn wir nicht massiv Widerstand aufbauen. Die Kapitalisten werden (und müssen aus ihrer Sicht) noch stärker versuchen die Ware Arbeitskraft billiger zu machen. Sie werden darauf drängen, den Arbeitsmarkt weiter zu flexibilisieren und Flächentarifverträge auszuhöhlen, was in Italien bereits ein zentrales Konfliktfeld zwischen der Regierung und den Gewerkschaften ist. Wenn das auch nicht mehr hilft, werden sie daran schreiten, Fabriken zu schließen und somit Kapital in großem Stil vernichten. Wenn diese Pläne, die heute bereits in den meisten Konzernen präsentiert werden, durchgehen, dann gehen dadurch weltweit Millionen Jobs verloren. In ihrem verzweifelten Versuch einen Weg aus der Krise zu finden, wenden sich die Kapitalisten, die gestern noch den „freien Markt“ gehuldigt haben, hilfesuchend an die Regierungen. Die ersten waren die Banken, gefolgt von angeschlagenen Industriekonzernen (z.B. aus der Autoindustrie), die alle Staatshilfe einfordern. Bald schon werden wir für das riesige Haushaltsdefizit, das durch Subventionen und Garantien für die Banken und Konzerne aufgerissen wird, aufkommen müssen. Deutschlands Banken sind quasi Bankrott. Während die französische Societé Générale 20 Prozent ihrer Osteuropagelder bereits abgeschrieben hat – sind die Bilanzen der deutschen Banken allesamt Phantasiegeschichten (siehe Artikel aus Funke Nr. 73). Selbst dort, wo die Verstaatlichung von Banken auf der Tagesordnung steht, wird dies so vollzogen, dass nicht die für die Krise verantwortlichen Zocker, sondern die Bevölkerung die Kosten zu tragen hat. Eine Mitübernahme der Schulden dieser Banken im Zuge der Verstaatlichung würde angesichts der gewaltigen Summen, die hier im Spiel sind (18,3 Billionen Euro, d.h. 44 Prozent der gesamten Vermögenswerte aller europäischen Banken, bestehen aus „hochgiftigen“ Schrottpapieren), ganze Staaten an den Rande des Bankrotts führen. Island und Ungarn sind die ersten Beispiele, welch verheerende Folgen eine solche Situation für den Lebensstandard der Menschen haben würde. In Irland wird bereits das erste Krisensparpaket geschnürt – alle anderen Regierungen werden auf diesem Weg folgen. Auch Deutschland wird sich dieser Krise nicht entziehen können und wird daher keine Ausnahme darstellen. Neben dem Rückgang der Steuereinnahmen durch den Gang der Konjunktur werden die vom Bundestag beschlossenen Staatsgarantien für die Banken eine Explosion der Staatsverschuldung bedeuten. Die zentrale Bedeutung unserer Losung Aus der Sicht des Kapitals gibt es nur einen Ausweg aus der Krise: Die Wiederherstellung profitabler Verwertungsbedingungen auf Kosten der Lohnabhängigen und der Jugend. Die Hebung der Profitrate ist aber nur möglich, wenn die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtert und die Löhne gesenkt werden, wenn öffentliche Dienstleistungen, Bildung und Gesundheit privatisiert werden, damit das Kapital neue Investitionsfelder vorfindet. Wer den Kapitalismus akzeptiert, muss auch mit dieser Logik leben. Dieser Weg aus der Krise bedroht aber die Lebensperspektiven von Millionen. Die sozialen Interessen der Lohnabhängigen und der Jugend stehen somit in einem unüberbrückbaren Widerspruch den Profitinteressen des Kapitals entgegen. „Wir zahlen eure Krise nicht!“ bedeutet, dass wir uns weigern, weitere Angriffe auf unseren Lebensstandard hinzunehmen. Auf betrieblicher und politischer Ebene müssen wir die nötige Gegenwehr organisieren, damit die Kapitalisten und die Regierung mit ihren Plänen nicht durchkommen. Konsequent angewandt führt diese Losung zu dem Punkt, an den sich die Frage stellt, wer in den Betrieben und in der Gesellschaft das Sagen hat. Dieser Kampf wäre also von Anfang an mit einer klar antikapitalistischen, revolutionären Perspektive verbunden. Die Rolle der Gewerkschaftsführung Die Gewerkschaftsführung hat sich weitgehend der Verwaltung der Krise verschrieben. Gegen Umstrukturierungsmaßnahmen in den Betrieben auf Kosten der Belegschaft organisiert sie keinen Widerstand. Sie akzeptiert die Spaltung in Stammbelegschaften und prekär Beschäftigte. Ihre Aufgabe sieht sie ausschließlich in der Mitgestaltung von Kurzarbeitsregelungen, Weiterbildungsmaßnahmen von LeiharbeiterInnen usw. Der Kampf für demokratische und kämpferische Gewerkschaften, die mit der sozialpartnerschaftlichen Logik brechen, ist heute eine Hauptaufgabe für MarxistInnen. Wie schon Anfang der 1930er Jahre kann die Krise den Gewerkschaften zusetzen, wenn sie jetzt nicht einen grundlegenden Kurswechsel vollziehen und sich nur darauf beschränken, zusätzliche Konjunkturprogramme anzumahnen. Die Krise und ihre Folgen werden in den Gewerkschaften und allen politischen Parteien, insbesondere der SPD keinen Stein auf dem anderen lassen. Selbst während des Booms haben große Teile der Klasse schon eine Verschlechterung des Lebensstandards erfahren. Dies wird in der kommenden Periode ein wichtiger Ausgangspunkt für eine Radikalisierung in den Betrieben sein. Die Herausbildung linksreformistischer und zentristischer (zwischen Revolution und Reformismus schwebenden) Strömungen in der Arbeiterbewegung werden dann auf der Tagesordnung stehen. Schon heute ist der Wunsch nach einem linken Kurswechsel deutlich spürbar. Oft ist dies jedoch noch verbunden mit der Vorstellung von der Rückkehr zu einem „Goldenen Zeitalter“ vor dem Neoliberalismus. Die LINKE in die Offensive Die LINKE muss sich in der Wirtschaftskrise mit einem antikapitalistischen und sozialistischen Programm profilieren und offensiv die Verstaatlichung der Banken unter demokratischer Kontrolle fordern. Sie muss sich ihrer historischen Verantwortung bewusst sein und den Lohnabhängigen und Jugend aufzeigen, dass diese Krise die Lebensgrundlage von Millionen Menschen untergräbt. Die um sich greifende Wirtschaftskrise verursacht das Anwachsen der Arbeitslosigkeit. Opel, Qimonda, Märklin, Schiesser, Schaeffler usw. stehen zur Disposition oder sind bereits insolvent. Gregor Gysi hat am Aschermittwoch die Verstaatlichung des Bankensektors gefordert. Das ist gut so. Aber die Linke muss auch die Enteignung von Betrieben fordern, die Entlassungen planen. Denn Konzerne wie Opel haben nur in öffentlicher Hand und unter demokratischer Arbeiterkontrolle und -verwaltung eine sichere Zukunft. Wir setzen uns in der Partei DIE LINKE dafür ein, dass sie verstärkt systemüberwindende Forderungen aufstellt. Nur so hat sie eine Zukunft. Kapital braucht Profite und muss wachsen Im Kapitalismus wird Kapital nur investiert, wenn es Profit verspricht. Unter Kapital verstehen wir dabei (in vorangegangen Produktionsprozessen) akkumulierte menschliche Arbeitskraft, die wieder investiert werden soll. Kapital kann unterschiedliche Formen annehmen und ist tatsächlich einem permanenten Formenwechsel unterzogen (Marx sprach von „Metamorphosen“). Kapital kann in Form von Geld, Waren oder Produktionsmitteln auftreten und transformiert sich im Produktionszyklus in neue Waren und neues Geld. Kapital kann auch (scheinbar) losgelöst von der Produktion allein in der Zirkulationssphäre als Finanzkapital auftreten – und dort aus Geld wieder Geld machen, ohne sich dem riskanten und langwierigen Verfahren der Produktion, des Transports und des Vertriebs zu unterziehen. Heute steht das Finanzkapital im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Bank- und Fondsmanager sind heute unbeliebter als es Politiker, Immobilienmakler und Autohändler jemals waren. Sie gelten als gierig und egoistisch und als die Hauptverantwortlichen der Weltwirtschaftskrise. Kritik am Kapitalismus richtet sich meist gegen das Finanzkapital allein und stellt demgegenüber die schützenswerte Realwirtschaft entgegen. Eine genauere Analyse der kapitalistischen Entwicklung ab den 1970er Jahren zeigt aber, dass dieser Ansatz zu kurz greift und zu falschen Schlussfolgerungen führt. Kapital ist Kapital Egal ob es nun in Form von Hochöfen oder Finanzpapieren angelegt ist. Die Idee aller nicht-marxistischen Reformvorschläge angesichts der Krise orientiert sich an Zeiten, in denen das Kapital „gezähmt“ war und sich auf die reale Produktion beschränkte. Oft sind diese Vorstellungen vom „gezähmten Kapital“ mit einem romantischen Weichzeichner überformt. ATTAC z.B. bezieht sich auf längst verflossene Zeiten, in denen das Kapital im 19. Jahrhundert aufgrund seiner Beschränkung auf lokale Märkte moralisch gezähmt war. Dieses Bild hat mit den historischen Tatsachen wenig gemein, stand am Anfang des Kapitalismus doch die massenhafte Enteignung von Kleinbauern, Kolonialismus und Sklavenarbeit, staatlich geförderte Piraterie sowie Zwangsarbeit in den neu errichteten Fabriken, deren Arbeitsbedingungen so unmenschlich waren, dass kein Mensch freiwillig dort Arbeit angenommen hätte. Der Kapitalismus kam „von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend“ auf die Welt, wie es Karl Marx treffend formulierte. Als zweites und näher liegendes „Goldenes Zeitalter“ des Kapitals gilt die Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre. Hier waren die Märkte reguliert, die internationalen Währungen waren in festen Wechselkursen verbunden und durch den Goldstandard unterlegt. Hohe Wachstumsraten und soziale Verbesserungen, Entkolonialisierung und rechtliche Gleichstellung der Frauen kennzeichnen diese historische Periode. Doch dann kamen plötzlich Milton Friedmann & Co. und stürzten den alten Keynes vom Sockel. Dieser „neoliberale Urknall aus dem Nichts“ (oder besser gesagt aus der ideologischen Sphäre) veränderte die Parameter kapitalistischer Ökonomie seither, und nun gelte es vor diesen Punkt zurück - und in ein neues Goldenes Zeitalter hineinzurudern. So die gängige Meinung von linken Reformisten aller Schattierungen. Zurück auf den Boden der Realität Wir glauben, dass diese Ideengeschichte die historische Realität von den Füßen auf den Kopf stellt. Warum sollte das Kapital, obwohl es ihm gut gegangen ist, auf einmal die politischen Rahmenbedingungen umstellen? Genauso wenig wie man im Restaurant eine Speise, die einem mundet nicht zurück in die Küche schickt, oder eine Beziehung, in der man sich wohl fühlt, nicht einfach beendet, hätte das Kapital in den 1970er Jahren nicht auf den „Neoliberalismus“ gesetzt, wenn es dafür nicht eine reale wirtschaftliche Notwendigkeit gegeben hätte. Durch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges fand das Kapital nach 1945 viele hochprofitable Investitionsmöglichkeiten in der Produktion vor. Die Profitrate war hoch. Bereits Ende der 1960er Jahre zeigte diese weltweite Hochkonjunktur jedoch erste Risse und 1973 war dieser ein Vierteljahrhundert andauernde Run vorbei. Die Extrakonjunktur durch den 2. Weltkrieg war konsumiert und der Kapitalismus zeigte sich wieder als krisenhaftes System. Dies war die objektive Grundlage für die neoliberale Wende. Das Kapital brauchte neue Betätigungsfelder, die „Realwirtschaft“ allein genügte nicht mehr um Kapital ausreichend zu reproduzieren und zu akkumulieren. Die Finanzmärkte erhielten nun eine entscheidende Bedeutung in der Entwicklung des Kapitalismus. Politische Faktoren des vergangenen Booms Politische Faktoren wie der Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa, der leichte Sieg im 1. Golfkrieg, einschneidende Niederlagen der Arbeiterbewegung in Britannien, den USA und anderen europäischen Ländern waren wichtige Faktoren, die den neoliberalen Siegeszug beförderten. Durch die Eröffnung neuer Märkte in Russland, China und Indien sowie eine massive Ausweitung der Verschuldung wurde eine neue Wachstumsdynamik ausgelöst. Alle Faktoren, die das Wirtschaftswachstum beflügelten, verstärken nun die Krise: Weltmarktausweitung und Verschuldung. Wir sind am Anfang einer Krise, die selbst jene der 1930er Jahre überschatten könnte. Und vergessen wir nicht: die Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde erst durch Investitionen in den kommenden Krieg (bekannt als 2. Weltkrieg) überwunden. Wie ein Ausweg aus der jetzigen Krise aussehen könnte, ist allen gesellschaftlichen Akteuren noch völlig unklar. Finanzkapital und Realkapital sind nicht zu unterscheiden! Als der Familieunternehmer Merckle sich bei Ulm aufs Gleis legte, staunte die Öffentlichkeit nicht schlecht, was mit dem soliden, erfolgsverwöhnten Familienunternehmer denn passiert sei. Ganz einfach: er hat sich an der Börse „verspekuliert“. Sein Unternehmen „Ratiopharm“ hat er damit an den Rand des Ruins geführt. Und nicht nur das, der Nachlass offenbarte, dass seine „Wachskerzenfabrik“ in Wirklichkeit eine Briefkastenfirma ist und zwar nicht die einzige, die sich in seinem Firmengeflecht befand. Was hier öffentlich wurde, ist der kapitalistische Normalfall. Nicht nur kann man die Finanzzirkulationssphäre nicht von der warenzirkulierenden Kapitalsphäre trennen, man kann nicht mal einzelne Unternehmen der einen („guten“) oder der anderen („schlechten“) Sphäre kapitalistischer Reproduktion exakt zuordnen. Die Porsche AG etwa weist in ihrem Geschäftsbericht 2008 Gewinne in Höhe von 8 Mrd. € aus, davon wurden 7 Mrd. durch Finanzgeschäfte und 1 Mrd. durch Produktion und Verkauf von Autos erwirtschaftet. Als einer der letzten Taten von George W. Bush ist uns die Subvention an die US-amerikanische Autoindustrie bekannt. Doch dieses Geld ging an die Banken der US-Autokonzerne. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) verspekulierten 650 Mio. € in Kreditgeschäften, der größte australische Anbieter von Kinderbetreuungseinrichtungen ging an der Börse flöten,…. Die Liste ließe sich munter weiterführen: Finanz- und Realkapital sind zwei Seiten einer Medaille und aufgrund der Geschwindigkeit, in der sie von einer in die andere Sphäre wechseln, kann man heute oft gar nicht sagen, was „real“ oder „fiktiv“ ist. Das Problem an der Wurzel packen! Wir wollen hier keinem wirtschaftspolitischen Fatalismus im Sinne der Neoliberalen das Wort reden, sondern einem revolutionären Realismus jenseits reformistischer Utopien. Wer immer gegen das Finanzkapital zu Felde ziehen möchte, der muss die Verstaatlichung des Bank- und Finanzsystems fordern. Nicht Kosmetik, sondern eine tiefgreifende Operation ist hier notwendig. Die Frage des Eigentums an Banken und Produktionsmitteln ist die entscheidende in dieser Situation. Wir plädieren für Verstaatlichungen der Schlüsselbereiche der Ökonomie unter Kontrolle der Beschäftigten. Die zerstörerische Kraft des Marktes muss von der bewussten, planmäßigen und demokratischen Entwicklung der Ökonomie und der menschlichen Gesellschaft ersetzt werden. TrägerInnen einer solchen Demokratisierung der Wirtschaft müssen die organisierten Lohnabhängigen selbst sein. Die Idee durch politische Interventionen „gutes“ und „schlechtes“ Kapital voneinander zu trennen und in produktive Kanäle zu schleusen, damit auch noch krisenfreie Entwicklungen des Kapitalismus zu ermöglichen, halten wir jedoch für völlig illusorisch. Daher sagen wir MarxistInnen: Das Kapital muss für die Krise zahlen! Das heißt:
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