Kategorie: Deutschland

Kasseler Treffen blieb ohne Konsequenzen - SPD-Linke überwindet ihr Zirkelwesen nicht

Zwei Monate nach dem SPD-Bundesparteitag in Dresden ist bei den versprengten kritischen Oppositionszirkeln in der SPD wenig von Aufbruch zu verspüren.



Dass es nach dem Desaster bei der Bundestagswahl an der SPD-Basis großen Bedarf an kritischer Aufarbeitung der Schröderschen Agenda gibt, hatte sich am 8. November bei einem bundesweiten Basis-Ratschlag mit 300 SPD-Mitgliedern in Kassel gezeigt. Unter ihnen gestandene Gewerkschafter, Parlamentarier, Ex-Abgeordnete und Parteiveteranen, auch rund 15 Bundesdelegierte, die kurz darauf beim Dresdener Bundesparteitag Klartext reden wollten.

Zwar hatte die Kongressregie in Dresden dafür gesorgt, dass die Delegierten am ersten Kongresstag Dampf ablassen und ihre Unzufriedenheit äußern durften. Doch ob das neue Führungsduo Gabriel/Nahles die Signale verstanden hat und daraus Konsequenzen zieht, bezweifeln viele, die in Kassel dabei waren.

Zu den Skeptikern gehört der frühere niedersächsische ver.di-Landesleiter Wolfgang Denia. Er ist Initiator der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten in der SPD und kennt viele. Mit Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel hatte er zu tun, als diese noch Ministerpräsidenten in Hannover waren.

Denia und sein Mitstreiter Michael Buckup melden sich regelmäßig mit kritischen Beiträgen auf der Website ag-sozialdemokraten.de zu Wort. Die Agenda 2010 sei ein "Fahrplan in die Perspektivlosigkeit" und habe sieben Millionen Menschen ins gesellschaftliche Abseits gedrängt, zitiert Denia in einem aktuellen Text Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. "Wo bleibt die schonungslose Analyse eigenen politischen Handelns, die Einsicht verheerender politischer Fehler und ein daraus abgeleiteter glaubwürdiger inhaltlicher Neuanfang, Genosse Gabriel? Wo ist unser Plan?", fragt der Gewerkschafter an die Adresse des neuen Parteichefs. "Die SPD hat mit Gesetzen zur Leiharbeit erst die Büchse der Pandora geöffnet, und jetzt profiliert sich ausgerechnet eine konservative Arbeitsministerin mit der Kritik am Schlecker-Gebaren", kommentiert Denia medienwirksame Äußerungen von CDU-Politikern zum Drogerie-Konzern.

Organisator des Kasseler Treffens war allerdings nicht Denia, sondern der Hesse Stephan Grüger. Gemeinsam mit Stefan Grönebaum, Chefredakteur der kommunalpolitischen SPD-Zeitschrift DEMO, hatte Grüger damals mit 14 Thesen einen "Weg in eine neue, soziale Moderne – nach dem Neoliberalismus" gefordert. Grügers Website spdvonunten.de, auf der zum Kasseler Treffen eingeladen wurde, ist allerdings auf dem Stand vom 27. Oktober 2009 stehen geblieben. Ob dies nur technisch und jahreszeitlich bedingt ist, dürfte sich bald zeigen.

"Von denen hört man nichts mehr", berichtet ein rheinland-pfälzischer SPD-Aktivist, der mit großen Hoffnungen nach Kassel gereist war. "Es ist völlig unkoordiniert, jeder hat seine eigene Baustelle", beschreibt er das Nebeneinander verschiedener kritischer Zirkel, die in Kassel vertreten waren. Manche seien sich "untereinander auch nicht grün".

Dabei war der Wille zur Fortsetzung, Vereinheitlichung und Organisierung eines linken Gegenpols in der SPD in Kassel unüberhörbar. "Es bestand Bedarf an Vernetzung und Koordination, es wurde aber nur eine Sommerschule 2010 angekündigt", bestätigt auch Wolfgang Denia: "Es wurde kein Koordinierungskreis gebildet, der die verschiedenen Gruppen und Zirkel zusammenbringt und bündelt." Dabei waren in Kassel "viele gestandene SPD-Mitglieder vertreten, die man nicht ausgrenzen kann und die auch in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen", so Denia. Manche Akteure hätten offensichtlich die Sorge, dass sie etwa in der Bundestagsfraktion ausgegrenzt werden, und wollten daher "gewisse Grenzen nicht überschreiten".

So bleibt es bei versprengten machtlosen Gruppen, solange niemand bereit ist, die Koordinierung einer übergreifenden vereinten SPD-Linken zu übernehmen.

Erstveröffentlichung am 13.1.2010 in der Tageszeitung Neues Deutschland.

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