Kategorie: Deutschland |
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Was führt Koch im Schilde? |
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Auch einige Tage danach mutmaßten die Akteure im politischen Wiesbaden weiterhin intensiv über die Beweggründe, die den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zur Ankündigung seines raschen Rückzugs von allen politischen Ämtern geführt hatten. | |||
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In den Reihen von CDU und FDP, deren Koalition sich seit Anfang 2009 auf eine komfortable Landtagsmehrheit stützt, war man gleichzeitig um rasches Krisenmanagement und den Eindruck von Geschlossenheit und "Business as usual" bemüht. So wurde der bisherige Innenminister Volker Bouffier am Dienstagabend von den Kreisvorsitzenden und Landesvorstandsmitgliedern für die Nachfolge im Ministerpräsidentenamt und Landesvorsitz gekürt. Diese Nominierung erfolgte, wie bei der Hessen-Union üblich, einstimmig. "Wir Liberale werden weiterhin ein Garant für stabile Verhältnisse sein", ließ die Landes-FDP verlautbaren, deren Chef Jörg-Uwe Hahn in den letzten Jahren vor allem durch seine Vassallentreue und Freundschaft zu Koch aufgefallen war. Vize-Ministerpräsident Hahn, der schon vor rund zehn Jahren in den Turbulenzen des damaligen CDU-Schwarzgeldskandals loyal zu Koch gestanden hatte, hatte erst einen Tag vor der Öffentlichkeit vom bevorstehenden Ausstieg des Chefs und Freundes erfahren. Unterdessen ließen die langen Gesichter der Abgeordneten des Bürgerblocks in den Gängen des Landtaggebäudes und den nahen Cafés in der Wiesbadener Altstadt ahnen, wie sehr Kochs Abgang seine Getreuen schockiert hat und weiter beschäftigt. Denn in der Hessen-CDU war alles auf ihn ausgerichtet und zugeschnitten. Koch, bisher auch die Nr. 2 der Bundes-CDU und Regierungschef seit 1999, war kein austauschbarer grauer Berufspolitiker, sondern ein hochbegabter und intellgenter Vertreter seiner Klasse und hervorstechendes Talent der vom konservativen "Stahlhelm-Flügel" und Personen wie Alfred Dregger und Manfed Kanther geprägten Hessen-CDU. Dass die frühere SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti nach der Wahl 2008 Koch ausgerechnet mit den Stimmen der Linksfraktion aus der Staatskanzlei verdrängen und ihn damit zum Verlierer abstempeln wollte, werden die wirtschaftlichen Eliten und Meinungsmacher im Lande der Sozialdemokratin nie verzeihen. Koch blieb damals nur mit Hilfe von vier wirtschaftsnahen SPD-Rechten im Landtag am Ruder. Bei der vorgezogenen Neuwahl 2009 verlor die CDU allerdings noch einmal 46.000 Stimmen und konnte sich nur mit Hilfe einer erstarkten FDP im Amt halten. Dass er und seine Hessen-CDU schon nach zwei Wahlperioden faktisch abgewählt waren und Schwarz-Gelb Ende 2013 im Bund und in Hessen eine ähnliche Abstrafung durch die Wähler drohen könnte wie jüngst in NRW, mag den "Siegertyp" Koch endgültig darin bestärkt haben, rechtzeitig auf elegante Weise das sinkende Schiff zu verlassen. In den letzten Monaten hielt er sich in Landtagsdebatten auffällig zurück und überließ anderen die Niederungen der Landespolitik. Dass ihm Hessen zu klein wurde und nun auch ein reibungsloser Wechsel in das Bundesfinanzministerium oder an die Spitze der Bundesbank nicht mehr anstanden, dürfte den Abgang beschleunigt haben. Gegen Angela Merkel und deren gescholtene "Sozialdemokratisierung" kann er auf absehbare Zeit in der Bundes-CDU wenig ausrichten. Selbst die konservativ-reaktionäre Wiesbadener CDU-Frau und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ging jüngst öffentlich auf Distanz zu Koch und dessen Äußerungen über harte Einschnitte bei Bildung und Erziehung. Dass der scheidende Ministerpräsident sich jetzt nur noch um Frau und Kinder kümmern wird, glaubt niemand. Koch wäre auch nicht Koch, wenn er nun in irgendeine Konzernetage verschwinden und sich ganz aus der Kommentierung des politischen Alltags heraus halten würde. Aus seiner Kanzlei in Eschborn bei Frankfurt heraus dürfte der Wirtschaftsanwalt weiter aufmerksam den weiteren Niedergang von Schwarz-Gelb verfolgen, Kontakte zu Gleichgesinnten spinnen, Seilschaften organisieren und ohne die Zwänge eines Parteiamts oder Mandats hinter den Kulissen Fäden ziehen. Manche Beobachter spekulieren darüber, ob Koch insgeheim und seelenruhig mit wirtschaftsliberalen CDU-Dissidenten wie Friedrich Merz die Gründung einer neuen rechten Sammelbewegung vorbereiten könnte. Doch Parteineugründungen erscheinen in Deutschland als ein noch schwierigeres Unterfangen als sonstwo in Europa. Allerdings hat - selbst wenn jeder Vergleich hinkt - auch der 54jährige SPD-"Aussteiger" Oskar Lafontaine 1999 alle Ämter niedergelegt und fünf Jahre lang ein Comeback vorbereitet, das die Republik verändert hat. Koch wäre zuzutrauen, dass er seelenruhig eine krachende Wahlniederlage von Schwarz-Gelb 2013 abwartet. Dann wäre er immer noch jung genug, um sich von seinen Freunden als "Starker Mann" und Krisenretter wie ein "Phonix aus der Asche" herbeirufen zu lassen. Erstveröffentlichung: Neues Deutschland, 27.5.2010 |