Die Länder Südasiens geraten immer wieder mit schockierenden Nachrichten von Ehrenmorden, Vergewaltigungen und Frauenunterdrückung in die heimischen Medien. Eine lange Serie von brutalen Vergewaltigungsvorfällen hat in Indien schon seit Ende 2012 große Proteste ausgelöst. Dass diese leider noch nicht viel in der indischen Gesellschaft geändert haben, zeigt der jüngste Fall einer 20-jährigen Inderin, gegen die von einem Dorfrat eine Gruppenvergewaltigung als Strafe verhängt wurde. Der Grund dafür war, dass sie die knapp 300 Euro Strafzahlung für eine Affäre mit einem Mann aus einer anderen Religionsgemeinschaft nicht aufbringen konnte. Gewalt und vor allem sexuelle Gewalt gegen Frauen gehört in Indien und Südasien zum Alltag. Die Genderforscherin Devasahayam meint sogar „Frauen in Indien sind zum Geschlechtsverkehr da“. Sie spricht von einer „Versachlichung“ von Mädchen. Schon von Geburt an seien sie weniger wert, weshalb Kindsmord an weiblichen Säuglingen nichts Ungewöhnliches ist. Indien gilt als eines der frauenfeindlichsten Länder der Welt.
Zwar gibt es in Indien einige sehr mächtige und reiche Frauen wie Sonia Gandhi, die Vorsitzende der Regierungspartei, diese privilegierten bürgerlichen Frauen spiegeln jedoch in keinster Weise die Situation der Mehrheit der weiblichen Bevölkerung wider. Auch in Bangladesch sitzen Frauen im Parlament und sogar eine Frauenquote wurde dort eingeführt. Diese Maßnahme hatte jedoch keinerlei Auswirkungen auf die patriarchalen Auswüchse in der Gesellschaft. Die Hälfte der Frauen erlebt regelmäßig häusliche Gewalt und auch Säure-Attentate passieren immer wieder.
Viele Frauen in Südasien sind in einer gewalttätigen Ehe gefangen. Aufgrund der Gesellschaftsstruktur gibt es für sie keine Möglichkeiten sich von ihren Ehemännern zu lösen. Die meisten Frauen sind ökonomisch abhängig von ihren Männern und ihnen deshalb völlig ausgeliefert. Im Falle einer Trennung erwartet sie bittere Armut und außerdem Verachtung durch ihr soziales Umfeld, da sie Schande über sich und ihre Familie gebracht haben. Auch in Bangladesch entzieht das herrschende Familienrecht den Frauen jegliches Anrecht auf ehelichen Besitz, während Männern im muslimischen und hinduistischen Familienrecht ein Recht auf Polygamie zugesprochen wird.
Rolle der Arbeit
Zweifelsohne wäre ein Zurückdrängen des Einflusses der Religionen, sowohl christliche als auch muslimische und hinduistische, ein großer Schritt nach vorne für die Frauenbefreiung, reichen würde es jedoch nicht. Der wichtigste Schritt zur Emanzipation der Frauen ist ihre ökonomische Unabhängigkeit, also ihre Erwerbstätigkeit. Die patriarchale Gesellschaft in Südasien ist in mancher Hinsicht vergleichbar mit dem 19. Jahrhundert in Europa. Die weibliche Lohnarbeit und somit das Aufbrechen der bürgerlichen Norm der Frau als Hausfrau und Mutter war damals ein Novum und viel diskutiert in der ArbeiterInnenbewegung. Die Frauen, die auf den Arbeitsmarkt strömten, wurden von den Kapitalisten schlechter bezahlt und als „Schmutzkonkurrenz“ aufgebaut. Viele in der ArbeiterInnenbewegung waren deshalb negativ auf die weibliche Erwerbstätigkeit zu sprechen, doch MarxistInnen, wie Clara Zetkin verteidigten dieses Recht: „Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne; und sie wird unterjocht bleiben, solange sie nicht wirtschaftlich unabhängig dasteht. Die unerlässliche Bedingung für diese ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit ist die Arbeit. Will man die Frauen zu freien menschlichen Wesen, zu gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft machen wie die Männer, nun, so braucht man die Frauenarbeit weder abzuschaffen noch zu beschränken, außer in gewissen, ganz vereinzelten Ausnahmefällen [Anm.: zb Schwangerschaft].“ (Zetkins Rede auf dem Internationalen Arbeiterkongress zu Paris, 1889)
Nur durch ein Verlassen der häuslichen Isolation und ein Eintreten als handelnde Akteurinnen der Gesellschaft kann der Grundstein für ein selbstbestimmtes Leben gelegt werden. Im letzten Jahrzehnt lassen sich Anfänge einer solchen Entwicklung in Südasien beobachten, wie in Kambodscha, wo das Idealbild der „Frau am Herd“ zu bröckeln anfängt. 60% der ArbeiterInnen im landwirtschaftlichen Bereich und 67% der FabrikarbeiterInnen in Kambodscha sind Frauen (oft auch Mädchen aus Waisenhäusern). Meist arbeiten die Frauen um etwas „dazuzuverdienen“, da es sonst nicht möglich wäre die Familie zu ernähren. Die Arbeitstage sind länger als 12 Stunden und der Lohn ein Hungerlohn. Die weibliche Erwerbstätigkeit kommt also, wie Zetkin sagt, „im Augenblick nicht der Frau selbst zugute, sondern dem Kapitalisten“. Die Erwerbstätigkeit kann also nur die Grundlage zur Frauenbefreiung schaffen. Um wirklich ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, ist es auch notwendig, gegen die Fremdbeherrschung durch die Kapitalisten und gegen Hungerlöhne zu kämpfen. Die arbeitenden Frauen haben im Laufe der Geschichte immer wieder bewiesen, dass sie zu den entschiedensten KämpferInnen im Klassenkampf gehören, ob in der Pariser Commune, in der russischen Revolution oder dem Crimmitschauer Textilarbeiterinnenstreik. Und auch in Südasien können wir große Streikbewegungen in der Textilbranche, einer Branche in der mehrheitlich Frauen arbeiten, beobachten. In Bangladesh haben Ende letzten Jahres 50.000 TextilarbeiterInnen gestreikt. Die Textilbranche macht 80% des Gesamtexports des Landes aus, trotzdem leiden die ArbeiterInnen unter schrecklichen Arbeitsbedingungen. Viele müssen 14 bis 16 Stunden an sieben Tagen in der Woche arbeiten und viele Arbeiterinnen berichten, dass sexuelle Belästigung weit verbreitet ist und ihnen das Recht auf Mutterschaftszeit verwehrt wurde. Und auch in Kambodscha brach im Januar 2014 eine Streikbewegung aus, die sich über mehrere Wochen zog. Nach Gewerkschaftsangaben waren die meisten der 600.000 TextilarbeiterInnen (großteils Frauen) im Streik oder wurden von den Fabrikanten wegen drohender Streiks ausgesperrt. Sie forderten eine Verdoppelung des derzeitigen Mindestlohn (derzeitiger Mindestlohn: 60 €, Existenzminimum im Kambodscha: 285 €).
Die streikenden Frauen kämpfen für ein besseres und menschenwürdiges Leben, als Frau und als Arbeiterin, zwei Identitäten, die unzertrennlich miteinander verbunden sind. Sie beweisen wie Recht Alexandra Kollontai hatte, als sie schrieb: „Die Frauenfrage“, antworten die Proletarierinnen, „entstand zu einer Zeit, als Millionen Frauen durch die Macht des allmächtigen Molochs – des Kapitals – auf den Arbeitsmarkt geworfen wurden, als Millionen Frauen, gehorsam dem trostlosen Ruf der Fabriksirene folgend, sich vor den Fabriktoren zu sammeln begannen und ihren eigenen Männern und Vätern die Löhne wegschnappten … Diese Frauen hatte das Weinen ihrer hungrigen Kinder aus dem Hause getrieben, die gramvollen Blicke der erschöpften Eltern, die Krankheit des Familienernährers, das eigene Unversorgtsein und die Armut…“.
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