Während des Ersten Weltkrieges stand die deutsche Kriegsflotte im ständigen Konflikt mit der britischen Royal Navy. Doch statt eine direkte Konfrontation mit Deutschland einzugehen, verhängten die Briten eine Seeblockade. Diese riegelte die Nordsee mit allen Zufuhren nach Deutschland ab und sorgte für Mangelwirtschaft und Hungersnöte im Deutschen Reich während des Krieges. Die Skagerrakschlacht am 31. Mai und 1. Juni 1916 war die einzige direkte Auseinandersetzung zwischen der deutschen und der britischen Seeflotte. Obwohl diese unentschieden ausging, änderte sie nichts an der britischen Seeblockade und an der Kriegssituation.
Das Verhältnis zwischen den Marineoffizieren und den Matrosen war während des Krieges immer sehr angespannt und von Klassengegensätzen geprägt. So lebten die Matrosen an Bord auf engstem Raum und hatten schlechte Verpflegung, während die Marineoffiziere gut versorgt waren. Der Matrose Richard Stumpf beschrieb das Leben an Bord in seinem Tagebucheintrag vom 15. Juni 1915 wie folgt: „Ich kann sagen, dass während meiner Dienstzeit noch niemals die Kluft zwischen der Messe und der Back, dem Offizier und dem Mann so klaffend tief gewesen war wie gerade jetzt während der Kriegszeit. Nicht wenig hat zu diesem unerfreulichen Verhältnis die Tatsache beigetragen, dass sich die Offiziere zu keinerlei Einschränkung bequemen. Währendem wir uns mit halber Brotration begnügen müssen, finden in der Messe Ess- und Trinkgelage statt, bei welchen sechs bis sieben Gänge aufgetischt werden. Im Frieden sagt man dazu nichts; passt das aber für die jetzige tiefernste Zeit?“
Die Unzufriedenheit über diese Umstände drückte sich in Protesten von Seiten der Mannschaften aus und es kam zu einer allgemeinen Politisierung der Matrosen. Forderungen waren bessere Verpflegung und Waffenstillstandsverhandlungen, da nach den langen Kriegsjahren immer noch kein Ende in Sicht war. Schon im Sommer 1917 kam es deswegen in Wilhelmshaven zu einem Aufstand der Matrosen, welcher jedoch mit aller Härte niedergeschlagen wurde. Die Matrosen Max Reichpietsch und Albin Köbis wurden als “Wortführer“ angeklagt und schließlich am 5. September 1917 hingerichtet. Doch all diese Repressionen reichten nicht, um die aufkeimende revolutionäre Stimmung der Matrosen zu unterdrücken.
Zuspitzung 1918
Im Jahr 1918 steuerte das Deutsche Kaiserreich auf seine Niederlage im Weltkrieg zu. Die herrschende Klasse erkannte nun, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war und dass sich aufgrund der angespannten Stimmung innerhalb der Arbeiterklasse und der Armee eine revolutionäre Situation entwickelte. Es wurde schließlich ein Waffenstillstand ausgehandelt. Doch im Gegensatz zu der Obersten Heeresleitung planten die Admirale der Marine noch einmal in eine letzte Seeschlacht gegen die britische Seeflotte zu ziehen, obwohl ein Sieg Deutschlands aussichtslos erschien. Doch die Admiräle wollten nicht ihre Flotte den Briten überlassen. Sie wollten um die „letzte Ehre“ kämpfen und lieber in der Schlacht untergehen als kapitulieren. Doch die kriegsmüden wollten Matrosen nicht noch einmal in die Schlacht geschickt werden, die komplett sinnlos gewesen wäre und vermutlich ihren Tod bedeutet hätte.
Am 27. Oktober begannen schließlich einige Matrosen die Schlacht zu sabotieren und den Befehl zu verweigern. Diese Matrosen wurden dafür festgenommen und sollten vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Am 3. November kam es schließlich in Kiel zu einem Aufstand der Matrosen, um ihre Kameraden zu befreien. Dies war der Funke, der das Pulverfass zur Explosion brachte und die Novemberrevolution auslöste. Dem Aufstand schlossen sich jede Menge Arbeiter und Soldaten an und es wurden Räte gebildet. Daraufhin wurde der SPD-Reichstagsabgeordnete Gustav Noske aus Berlin nach Kiel entsandt. Seine Mission bestand aus der Sicht der SPD-Führung und der herrschenden Klasse darin, die Lage zu beruhigen und die Revolution auszubremsen. „Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie nicht, ja, ich hasse sie wie Sünde“, erklärte in jenen Tagen der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert gegenüber dem Reichskanzler Max von Baden, der daraufhin umgehend den Kaiser zum Rücktritt bewegte.
Doch aus Sicht der politisch noch unerfahrenen Masse der Arbeiter und Soldaten war Noske, den sie am Kieler Bahnhof begrüßten, „einer von uns“. Sie wählten ihn umgehend zum Vorsitzenden des Kieler Arbeiter- und Soldatenrates. Er zog alle Register, um die Arbeiter zu besänftigen und die Wogen zu glätten. Tatsächlich hatte die SPD-Führung seit vier Jahren den Krieg unterstützt. Doch nun sonnte sie sich als traditionelle Massenpartei der Arbeiterbewegung und machte sich zunutze, dass die Masse der Kieler Matrosen, Arbeiter und Soldaten noch sehr naiv gegenüber „ihrer Partei“ war und noch nicht begriff, welche Rolle sie in den letzten Jahren gespielt hatte und in der anrollenden Revolution spielen sollte. Sie konnten damals noch nicht ahnen, dass Noske nur zwei Monate später als Wehrminister im Bündnis mit den Freikorps, einer Keimzelle der späteren Nazi-Bewegung, für die blutige Niederschlagung der Revolution in Berlin und anderswo verantwortlich sein würde.
Anfang November 1918 breitete sich die Revolution innerhalb von fünf Tagen über ganz Deutschland aus. Den in andere Städte ausschwärmenden Matrosen schlossen sich, wo immer sie auch hinkamen, Arbeiter und Soldaten an und es kam so zum Schulterschluss. Am 5. November wurden Brunsbüttelkoog und Lübeck von der Revolution erfasst und es bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte. In den folgenden Tagen wurden auch in Wilhelmshaven, Hamburg, Bremen, Hannover, Oldenburg und Köln Arbeiterräte gebildet. Bald schon hatte die Bewegung alle größeren westdeutschen Städte erreicht. Auch bildeten sich Räte in Süd- und Ostdeutschland. Die kriegsmüde Arbeiterklasse war in diesen Tagen von einer allgemeinen revolutionären Stimmung erfasst belebt worden. Die Revolution war nun jetzt auch in Deutschland ausgebrochen und das Kaiserreich taumelte nun seinem Ende entgegen. In dieser Zeit hätte die Arbeiterklasse durch die Räte die gesamte politische Macht erobern können. Doch wie es weitergehen sollte, sollte sich noch früh genug entscheiden.
Arbeiter und Soldaten
Die deutsche Novemberrevolution war ein gutes Beispiel für einen Schulterschluss zwischen Arbeitern und Soldaten. Im Kapitalismus ist das Militär zwar Teil des bürgerlichen Staatsapparates und ein Instrument für die Interessen der herrschenden Klasse. Jedoch sind Soldaten letztendlich nichts anderes als Arbeiter in Uniform, die die Drecksarbeit für die Kapitalistenklasse erledigen. Der Erste Weltkrieg trug dazu bei, dass sich viele Soldaten, die Söhne von Arbeitern, Bauern oder Kleinbürgern waren, durch die schrecklichen Erfahrungen, die sie mit Krieg und Imperialismus machten, nach links radikalisierten und sich für revolutionäre Ideen öffneten. Dies war auch während des Ersten Weltkrieges in Russland der Fall und stieß die Russische Revolution 1917 an. Ein anderes Beispiel war die Revolution in Portugal 1974. Über zehn Jahre befand sich das Land, welches von einer Rechtsdiktatur beherrscht wurde, im Krieg mit seinen Kolonien in Afrika. Die Offiziere, welche damals hauptsächlich aus der Mittelklasse stammten, radikalisierten sich und viele wurden insgeheim zu Marxisten, Sozialisten oder Kommunisten. Am 25. April 1974 putschte die Bewegung der Streitkräfte (MFA) gegen die Rechtsregierung. Unerwartet schlossen sich große Teile der Arbeiterklasse und portugiesischen Bevölkerung der Revolution an. Das Regime wurde gestürzt und der Kolonialkrieg beendet. Diese Erfahrungen zeigen, welche revolutionäre Rolle Soldaten und ein Schulterschluss zwischen ihnen und der Arbeiterklasse spielen können.
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