Kategorie: Geschichte |
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Geschichte der BRD: Die 1980er Jahre unter Kanzler Kohl |
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Eine schwere internationale Wirtschaftskrise 1981/82 brachte der BRD eine Rekordarbeitslosigkeit von offiziell weit über 2 Millionen. Unüberwindbare Spannungen zwischen FDP und SPD wie auch die Enttäuschung vieler Arbeiter und Gewerkschafter mit dem Sparkurs der „eigenen" Regierung brachten das Ende einer Epoche - der 13jährigen SPD/FDP-Regierungszeit. | |||
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Beginn der Regierung Kohl Daß in den ersten Jahren unter Kohl auf die Rezession ein wirtschaftlicher Aufschwung folgte, war weniger auf die Regierung als vielmehr auf die internationale Konjunktur zurückzuführen. Obendrein lag die Inflationsrate in den 80er Jahren in den westlichen Ländern niedriger als in den 70ern, was wesentlich mit einer Verbilligung der Rohfstoffpreise und einer Verschlechterung der „Terms of Trade" (Handelsbeziehungen) zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu tun hatte. In den meisten der Rohstoffe produzierenden Länder der sogenannten „Dritten Welt" verschlechterte sich die Lage der Masse der Bevölkerung zunehmend. Auch in der BRD fand der Aufschwung vor allem in den Taschen der Unternehmen statt, bei gleichzeitig langanhaltender hoher Arbeitslosigkeit und Angriffen auf den Lebensstandard weiter Teile der Bevölkerung. Es war die Zeit des Wettrüstens bis zum Zerfall des Ostblocks und einer Zeit gigantischer Staatsverschuldung. Kohls Wende bedeutete - wie in den USA unter Präsident Reagan und in Großbritannien unter Premierministerin Thatcher - die Durchsetzung einer monetaristischen Politik mit Kurs auf Deregulierung und Privatisierung, um privaten Kapitalgruppen neue private Anlagemöglichkeiten zu bieten. Abbau sozialer Errungenschaften Das von der konservativen Regierung Kohl-Genscher postulierte Rezept einer „erfolgreichen" Wirtschaftspolitik bestand in der Auffassung, der Profit der Unternehmen sorge für Wirtschaftswachstum und allgemeinen Wohlstand. Die Gewinnchancen erhöhten sich, wenn man den Kräften des Marktes freien Lauf ließe und staatlicherseits nicht intervenierte. Um hinreichende Gewinne zu ermöglichen, sollten die Unternehmenssteuern abgebaut und die Kosten des Faktors Arbeit (insbesondere durch Senkung der Lohnnebenkosten) verbilligt werden. Gleichzeitig wurde der schrittweise Abbau sozialer Leistungen und Sicherungssysteme eingeleitet. Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt Im Zuge der einsetzenden Globalisierungsdiskussion hoffte man durch den Einsatz neuer computergestützter Produktionstechniken, der Nutzung moderner Kommunikationssysteme und der „Just in time-Produktion" die Kosten weiter zu senken, um so die Position der deutschen Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu verbessern. Mit der Ausweitung der neuen kostspieligen Anlagen begannen die Unternehmen auf eine Flexibilisierung der Arbeit zu drängen, mit dem Argument, es sei nicht vertretbar, daß der teuere Maschinenpark nachts und am Wochenende ungenutzt herumstehe, anstatt die Gewinnlage des Unternehmens zu verbessern. Die von den Unternehmen durchgesetzte Flexibilisierung der Arbeitszeit ging teilweise so weit, daß Mitarbeiter beispielsweise im Dienstleistungsbereich eine Beschäftigung „auf Abruf" eingehen mußten, d.h. sie verpflichteten sich telefonisch erreichbar zu sein, um kurzfristig bei unvorhersehbarem Arbeitsanfall im Betrieb die Beschäftigung aufzunehmen. Außenpolitik Außenpolitisch blieb die Regierung Kohl eng im strengen Blockdenken und den Vorstellungen des kalten Krieges verhaftet. Die neue Spirale der Aufrüstung erzeugte bei einem großen Teil der Bevölkerung Angst vor einem militärischen Konflikt zwischen der Nato und den Warschauer Pakt-Staaten. Die Massenbewegung für Frieden und Abrüstung gipfelte am 22.10.1983 in einer Bonner Großkundgebung mit rund 300.000 Teilnehmern. Die Bundesregierung ignorierte jedoch diese Proteste und beteiligte sich weiterhin am Wettrüsten. Proteste der Gewerkschaften Aufgrund der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit setzten IG Metall und IG Druck und Papier im Frühjahr 1984 ein Zeichen und streikten für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Der harte Arbeitskampf dauerte über 6 Wochen und fand ein internationales Echo. Obwohl Kohl die 35-Stunden-Woche als „dumm und töricht" bezeichnet hatte und die bürgerliche Öffentlichkeit gegen die Gewerkschaften Stimmung machte, gelang mit diesem Streik immerhin ein Einstieg in Richtung Arbeitszeitverkürzung: Die 38,5-Stunden-Woche wurde vereinbart. Hier wie auch in der Mobilisierung gegen den „Streikparagraphen" 116 AFG 1986 und beim bundesweit beachteten Kampf der Stahlarbeiter gegen die Stillegung des Krupp-Hüttenwerks in Duisburg-Rheinhausen zeigte sich: in den Gewerkschaften steckte ein starkes Potential, das ohne eine kämpferische Führung und eine Bündelung der Kräfte allerdings immer wieder in isolierten Einzelkämpfen verpuffte. Die Schwäche der Sozialdemokratie Kohls Position war in den Anfangsjahren keineswegs unangefochten in den Reihen der Union. Das zeigte z.B. die offene Diskussion über seine Ablösung, nachdem 1985 absolute SPD-Wahlsiege in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland die CDU und Kohl erschüttert hatten. Doch bei der Bundestagswahl Anfang 1987 setzte die herrschende Klasse weiterhin auf Kohl und Co. Die Alternativlosigkeit der SPD, deren damaliger Spitzenkandidat Johannes Rau dem „Weiter so" der CDU wenig entgegenzusetzen hatte, bestärkte schwankende Wähler in der Überzeugung, Kohl noch eine weitere Chance zu geben. So gewann trotz Flick-Parteispenden, ständiger Verschlechterung der Sozialleistungen und anhaltender Massenarbeitslosigkeit die Kohl-Genscher-Regierung im Januar 1987 mit 44,3 % (-4,5%) für die CDU/CSU und 9,1% (+2,1%) für die FDP die Bundestagswahl. Die SPD verlor 1,2% und fiel auf 37%, die Grünen konnten sich mit ihrer Spitzenkandidatin Jutta Ditfurth um 2,8% auf 8,3% steigern. Die Flick-Affäre Währenddessen waren zahlreiche Politiker in die Flick-Spendenaffäre verwickelt und im Gegensatz zu früheren Skandalen, etwa beim Verkauf des Lockheed-Kampfflugzeuges „Starfighter" , kam es diesmal sogar zu Anklagen. Die Ergebnisse der Strafverfahren blieben gleichwohl eher bescheiden. Der im Juni 1984 zurückgetretene FDP-Wirtschaftminister Lambsdorff wurde lediglich wegen Steuerhinterziehung im Februar 1987 zu einer Geldstrafe verurteilt. Bestechlichkeit konnte ihm erwartungsgemäß nicht nachgewiesen werden. Der ehemalige Chefredakteur der Bild-Zeitung, Boenisch, der Kohl als Regierungssprecher gut genug war, mußte nach einer Verurteilung ebenfalls wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 1,08 Mio. DM im Juni 1985 sein Amt aufgeben. Die Schwüre, es werde nach diesen „Bereinigungen" nun zukünftig alles besser mit den Parteifinanzierungen und so etwas werde nie wieder vorkommen, waren, wie wir heute wissen, nicht ernst zu nehmen. Doch bald nach dem 87er Wahlsieg geriet die Regierung Kohl wieder in ein Tief. Die CDU verlor ihre Vormacht in ihren Hochburgen Schleswig-Holstein (1987) und Berlin (1989) ebenso wie in der Stadt Frankfurt (1989). In der SPD wurde Oskar Lafontaine als „Hoffnungsträger" vieler Linken stellvertretender Bundesvorsitzender. Nachdem die SPD im Saarland Anfang 1990 ihre absolute Mehrheit von 49,2% auf 54,5% gesteigert hatte und wenig später der CDU auch die Mehrheit in Niedersachsen abnahm, machten sich viele SPD-Anhänger die Hoffnung, daß mit dem Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine in der Bundestagswahl Ende 1990 Kohl abgewählt werden könnte. Daß es dann Ende 1990 nicht zum Regierungswechsel kam (und Kohl sich noch einmal für acht lange Jahre halten konnte), war in erster Linie eine Folge des Beitritts der DDR zur BRD im Oktober 1990. Roland Heucher |