Kategorie: Geschichte

Die Teilung Irlands: Eine Geschichte der blutigen Konterrevolution

Die Teilung Irlands wurde am 3. Mai 1921 durch ein Gesetz des britischen Parlaments besiegelt. Die vom britischen Imperialismus heraufbeschworenen separatistischen Spaltungen bestehen bis heute und spitzen sich wieder zu. Blicken wir zurück auf die Ursprünge, um zu verstehen, was heute notwendig ist.

Bild: Creative Commons


Die britische herrschende Klasse hat religiösen und nationalen Separatismus bewusst genutzt, um Irland zu beherrschen. Sie schuf sich eine dauerhafte soziale Basis auf der Insel, indem sie ab dem 17. Jahrhundert zu Massenvertreibungen irischer Katholiken aus Ulster (Nordirland) griff und sie mit protestantischen Plantagenbesitzern aus Schottland und England ersetzte. Durch diese Politik verblieb Irland in der Folgezeit in einem rückständigen Zustand. Daneben wurde Belfast mit seiner Leinen-, Maschinenbau- und Schiffsbauindustrie, das industrielle Zentrum Irlands.

Im industrialisierten Nordosten Irlands wurde der Separatismus zum wichtigsten Mittel der lokale Kapitalistenklasse und des britischen Imperialismus, die industrielle Arbeiterklasse zu spalten. Protestanten wurden die qualifizierteren Arbeitsplätze in den Werften und im Maschinenbau zugewiesen und sie wurden gegen katholische Arbeiter aufgehetzt. Auf diese Weise konnten die Arbeits- und Lebensbedingungen aller Arbeiter herabgedrückt werden.

Immer wieder konnten die Arbeiter diese Spaltungen überwinden, wenn sie für ihre gemeinsamen Interessen kämpften. Unter der Führung des revolutionären Gewerkschafters Jim Larkin, traten 1907 die besonders ausgebeuteten Arbeiter von Belfast in einen mächtigen Hafenstreik. Tausende Arbeiter anderer Industrien schlossen sich ihnen an.

Im Gefolge des Ersten Weltkriegs und der Russischen Revolution von 1917 brachen in Großbritannien und Irland heftige Klassenkämpfe aus. In Irland mündeten sie in einer Revolution, die schließlich Großbritanniens kolonialen Griff brach.

Revolution in Irland

Die soziale Gärung in Irland war schon 1916 sehr fortgeschritten. Irische Republikaner versuchten gewaltsam die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien zu erzwingen. Dieser Osteraufstand wurde von den britischen Truppen brutal Niederschlagung. Das vertiefte die Abscheu gegenüber dem britischen Imperialismus.

Im April 1918 traten die Arbeiter auf der Insel gegen die Wehrpflicht in den Generalstreik. Später im Jahr traten die überlebenden Anführer des Osteraufstandes von 1916 bei den Parlamentswahlen in ganz Irland an. Sie nutzten Sinn Féin (1905 gegründete irisch-republikanische Bewegung und Partei) als ihr politisches Vehikel und waren damit erfolgreich.

Die Wahl war ein Wendepunkt. Im Januar 1919 spalteten sich siebenundzwanzig von Sinn Féins gewählten Abgeordneten von Westminster ab und trafen sich unter geheimen Bedingungen. Sie konstituierten sich als Dáil Éirrean und erklärten das Gremium zur legitimen Regierung der Republik von 1916. Die versprengten Reste der Irish Volunteers wurden zur Irisch-Republican Armee (IRA) umgruppiert, die einen Guerillafeldzug gegen die Briten begannen. Der Unabhängigkeitskrieg hatte begonnen.

Aber dem revolutionären Krieg fehlte eine klare, revolutionäre Führung aus der Arbeiterklasse. Die Ermordung von James Connolly nach dem Osteraufstand hatte die irische Arbeiterklasse ihres herausstechenden Vertreters beraubt. Die kleinbürgerliche Führung der Sinn Féin, die nun an der Spitze der revolutionären Bewegung stand, hatte keine Konkurrenz.

Inzwischen machten die Arbeiter und Kleinbauern Irland für die Briten völlig unregierbar. In den Städten wurden Fabriken und auf dem Lande wurden Molkereien besetzt und unter Rätekontrolle gestellt. Arbeiter hissten die rote Fahne. Im April 1919 wurde in Limerick ein Generalstreik ausgerufen. Der Gewerkschaftsrat stellte die Stadt unter Rätekontrolle. Wo die Briten versuchten, Truppen zu verlegen, wurden sie von Streiks der Eisenbahnarbeiter empfangen. Obwohl sie der kleinbürgerlichen Sinn-Féin-Führung skeptisch gegenüberstanden, ließen sich auch die Arbeiter des Nordens von der revolutionären Stimmung anstecken. Im Januar 1919 wurde ein Maschinenbaustreik in Belfast faktisch zu einem Generalstreik.

Großbritannien und Irland standen beide am Rande einer sozialistischen Revolution. Aber Sinn Féin stützen sich nicht auf ein sozialistisches Programm, während sich die Führung der Labour Party aus der Verantwortung stahl. Bis 1920 hatte der britische Imperialismus die Kontrolle über den größten Teil der Insel verloren. Um diese zurückzuerlangen, setzte die britische Regierung darauf ein dauerhaftes, reaktionäres Bollwerk gegen die Revolution schaffen. Das wollten sie erreichen, indem sie einen protestantisch dominierten Teil Irlands abtrennen und dadurch ein auf religiöser Spaltung fußendes Staatswesen schaffen. Die Frage, wie man die Teilung angehen sollte, war ihnen ein gelegenes Mittel, Sinn Féin und die IRA zu spalten.

Der Vorschlag des Government of Ireland Act, der 1920 von Lloyd George ausgearbeitet wurde, schuf zwei Teilstaaten: „Südirland“, bestehend aus 26 Grafschaften und „Nordirland“, bestehend aus sechs Grafschaften. In der darauffolgenden Welle der Gewalt wurden Katholiken massenhaft aus den Werften, Maschinenfabriken, Baufirmen und Leinenfabriken vertrieben. in diesen Pogromen gegen katholische Arbeiter rächten sich die Kapitalisten auch an Sozialisten und Gewerkschaftern mit protestantischem Hintergrund. Zwischen den Sommern 1920 und 1922 wurden in Belfast 11.000 katholische Arbeiter von ihren Arbeitsplätzen vertrieben – bei einer Bevölkerung von nur 93.000 Katholiken. Das geschah inmitten einer schrecklichen Nachkriegsdepression, in der die Arbeitslosigkeit in die Höhe schoss.

Ein separatistischer Staat wird geboren

Bei den Neuwahlen am 14. Mai 1921, die in einer Atmosphäre von Terror gegen Katholiken und Sozialisten stattfand, setzten sich die protestantischen Unionisten durch. Sie forderten die Zugehörigkeit zu Großbritannien. Der Vorsitzender der Ulster Unionist Party, James Craig, wurde zum ersten Premierminister von „Nordirland“ ernannt. Am Klassencharakter der Regierung gab es keinen Zweifel: Die Liste von Craigs Ministern las sich wie ein Verzeichnis der wichtigsten Kapitalisten im Norden.

Im Sommer 1921 begannen die Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der IRA. Sie endeten im Verrat, als ein Teil der IRA-Führung den Anglo-Irischen Vertrag unterzeichnete und die Teilung Irlands anerkannte. Um der katholischen Bevölkerung zu beweisen, dass die Teilung eine unumstößliche Tatsache war, wurden Staatsterror, Pogrome und Gewalttaten sogar noch verstärkt. Mit voller Rückendeckung des britischen Imperialismus. Die Bosse im Norden errichteten ihr Regime auf der dauerhaften Unterwerfung der katholischen Minderheit.

Die Konterrevolution im Norden wurde durch die Konterrevolution im Süden ergänzt. Die sogenannte „nationale Bourgeoisie“ in Irland war nur zweitrangig an der nationalen Befreiung interessiert. Ihr Hauptanliegen war weder die nationale Unabhängigkeit noch die Notlage der Katholiken im Norden. Vor allem brauchten sie Ordnung, Frieden und ruhige Beziehungen zum britischen Imperialismus, damit sie die irischen Arbeiter für Profite ausbeuten konnten.

In Sinn Féin und der IRA gab es einen linken Flügel aber auch eine rechte bürgerliche Strömung, die diese Forderung nach „Ordnung“ aufgriff. Der britische Imperialismus konnte sich mit ihnen arrangieren. Diese Strömung hatte sich im revolutionären Krieg immer wieder durchgesetzt und die Arbeiter und armen Bauern gemäßigt und zurückgehalten. Im Dezember 1921 kam dieser rechte Flügel zu einer Vereinbarung mit dem britischen Imperialismus. Der Anglo-Irische Vertrag formalisierte die Teilung. Im Gegenzug räumten die Briten den rechten Republikanern einen „Freistaat“ im Süden ein, der weiterhin der britischen Krone seine Loyalität schwören würde.

Die IRA spaltete sich bald in Pro- und Anti-Vertragsfraktionen. Die linken in der IRA sprachen sich gegen den Vertrag aus. Ein Bürgerkrieg folgte. Aber den Vertragsgegnern fehlte ein klares Programm, das die Massen ansprechen konnte, die ohnehin erschöpft waren. In der Zwischenzeit genossen die vertragsfreundlichen Kräfte des Freistaats die Unterstützung des britischen Imperialismus. Die britische Regierung übte Druck auf den Freistaat aus und setzte als Bedingung für den Vertrag, dass der Freistaat gegen die vertragsfeindliche IRA vorgehen musste.

Die Kräfte des Freistaats gingen nun mit äußerster Brutalität ans Werk, um die Konterrevolution im Süden zu vollenden. Trotz des äußeren Anscheins von Feindseligkeit stützten sich die Konterrevolutionen im Norden und Süden gegenseitig. Im Norden wurde eine grausame und ausgeklügelte Reihe von Methoden angewandt, um die Arbeiterklasse zu spalten.

In den 1930er Jahren, als die Große Depression die Arbeitslosigkeit in die Höhe trieb, bot der unionistische Staat so gut wie nichts an Entlastung – weder für katholische noch für protestantische Arbeiter. Im Herbst 1932 brachen in Belfast Unruhen aus. Zehntausende von

Arbeitern lieferten sich erbitterte Kämpfe mit der Polizei. Auch im Süden kam es in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren zu einem Wiederaufleben des Klassenkampfes mit Streiks und erbitterten Kämpfen auf dem Land gegen die Gelder, die der Freistaat weiterhin von den Kleinbauern als Entschädigung für die ehemaligen britischen Großgrundbesitzer einzog.

Ein bleibendes Vermächtnis

Dieses Verbrechen des britischen Imperialismus hat eine bis heute anhaltende konfessionelle Spaltung hinterlassen. Im Jahr 1921 diente die Teilung den kapitalistischen Interessen, aber es war ein kurzsichtiger Schritt, der ein Netz von Widersprüchen geschaffen hat, aus dem sich der britische Imperialismus nicht mehr befreien kann.

Während die Teilung eine Revolution verhindern sollte, haben die Ungerechtigkeiten, die sie hervorbrachte, eine Generation katholischer Jugendlicher nach der anderen auf den Weg der Revolution gebracht. In den späten 1960er Jahren explodierte diese revolutionäre Wut in einer Massenbewegung für Bürgerrechte für Katholiken. Aber die Bewegung stieß mit dem protestantischen Separatismus zusammen. Aufgepeitschte Banden – die außerhalb der Kontrolle des offiziellen unionistischen Establishments standen – begegneten der Bewegung mit Gewalt und Provokationen. Diese Banden zögerten nicht, den Norden in Richtung Bürgerkrieg zu treiben. Der britische Imperialismus war gezwungen zu intervenieren und verstrickte sich in die Spirale der reaktionären bürgerkriegsartigen Gewalt der sogenannten „Troubles“.

Die Regierung der Republik Irland, der Regierung des Vereinigten Königreichs und den Parteien in Nordirlands beendeten mit dem Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998 diese Gewaltspirale. Jetzt wird aber deutlich, dass das Abkommen nichts gelöst, sondern den Konflikt nur verschoben hat. Der Brexit hat die Wunden wieder geöffnet. Der Niedergang der Industrie im Norden Irlands hat dazu geführt, dass die unionistische Bourgeoisie den protestantischen Arbeitern wenig zu bieten hat. Die traditionelle Partei der unionistischen Bourgeoisie, die Ulster Unionist Party (UUP), wurde zerschlagen und durch die fundamentalistische Democratic Unionist Party (DUP) ersetzt, die ihrerseits in der Krise ist.

Diese Parteien haben protestantischen Arbeitern nichts zu bieten. Ihnen bleibt nur noch, religiöser und nationalistischer Chauvinismus und Demagogie, um ihre Unterstützung zu halten. In der Zwischenzeit versuchen loyalistische (pro-britische) Paramilitärs, die seit dem Karfreitagsabkommen aktiv geblieben sind, perspektivlose protestantische Jugendliche für Unruhen zu mobilisieren.

Die Wolken der separatistischen Barbarei, das Produkt des britischen Imperialismus, hängen weiterhin bedrohlich über Irland. Vor einem Jahrhundert wurde in Irland die Frage scharf gestellt: Sozialismus oder Barbarei? Nur eine kühne revolutionäre Führung der Arbeiterklasse hätte eine Perspektive bieten können, die in der Lage gewesen wäre, die Arbeiter in katholischen und protestantischen Gemeinden gleichermaßen anzusprechen. Sie fehlte und die Arbeiterklasse zahlte einen hohen Preis. Dieses Versäumnis muss heute nachgeholt werden.

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