Reform von oben
Der Schah zog ein als „Weiße Revolution“ bezeichnetes Wirtschaftsprogramm durch. Dieses beinhaltete zwar die Umverteilung von Land, welche jedoch mit hohen Entschädigungszahlungen an die ehemaligen Großgrundbesitzer einherging. Die Entschädigungen wurden großteils durch die Privatisierung staatlicher Unternehmen finanziert. Der Schah zielte darauf ab, aus den ehemaligen Großgrundbesitzern ein neues nationales Großbürgertum zu schaffen und die gesamte Wirtschaft zu modernisieren. Das Modernisierungsprogramm der „Weißen Revolution“ brachte auch die Geistlichkeit, die um ihre Privilegien und Hierarchie fürchtete, gegen die Monarchie auf. Ayatollah Khomeini entwickelte sich zum politischen Sprachrohr der Mullahs. Durch die Industrialisierungsversuche des Schah wurden die Strukturen ländlicher Kleinproduktion zerstört. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass in den Großproduktionsanlagen nicht genug Arbeitsplätze vorhanden waren, um für alle Menschen, die ihre Lebensgrundlage auf dem Land verloren, Beschäftigung zu bieten. Dies hatte zur Folge, dass sowohl ländliche Kleinproduzenten, die vom Markt verdrängt wurden, als auch ArbeiterInnen, die unter schlechtesten Bedingungen in den privatisierten Großunternehmen beschäftigt waren, sowie die neu entstandenen Massen Arbeitsloser in den Städten – somit die breite Masse der iranischen Bevölkerung – immer unzufriedener wurden. Hinzu kam, dass die Repression durch den Geheimdienst SAVAK, die jegliche Opposition zur Monarchie brutal unterdrückte, untragbar geworden war.
Revolution von unten
Bereits in den 1940er Jahren wurde die Tudeh-Partei als Nachfolgerin der Kommunistischen Partei Irans, die in den 1930er Jahren verboten worden war, gegründet. Die Tudeh stand unter dem Einfluss Moskaus und trug zu keinem Zeitpunkt dazu bei, der Bewegung gegen den Schah eine revolutionäre Perspektive in Richtung sozialistischer Revolution zu geben, obwohl die Voraussetzungen dafür gegeben gewesen wären. Als die ArbeiterInnen begannen, gegen die Politik des Schahs zu kämpfen, taten sie dies ohne Führung.
Nichtsdestotrotz nahmen die Arbeitskämpfe schnell beeindruckende Ausmaße an. Ab dem Beginn des Jahres 1977 kam es immer wieder zu spontanen Streiks, die sich innerhalb nur eines Jahres auf das ganze Land ausdehnten. Die Streikforderungen entwickelten sich von ökonomischen (z.B. Lohnforderungen) hin zu politischen Forderungen, inklusive jener nach dem Sturz des Schah. Bis zum Oktober 1978 traten immer mehr ArbeiterInnen in mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrenden Abständen in den Streik, sodass von einem „schleichenden Generalstreik“ gesprochen werden kann. Schließlich waren über 1.5 Millionen ArbeiterInnen an den Streiks beteiligt. Die Arbeitskämpfe wurden mittels Selbstorganisation, deren wichtigste Instrumente Komitees und Räte (Schoras) waren, durchgeführt. Eines der bedeutendsten Komitees war jenes in der erdölreichen Region Chuzestan. Dort organisierten Öl- und Stahlarbeiter gemeinsame Streiks und hielten aufgrund der Wichtigkeit dieser Rohstoffe enorme Macht in ihren Händen. Landesweit traten auch Eisenbahner, Drucker und Bankangestellte in den Streik. An einigen Standorten übernahmen die ArbeiterInnen die alleinige Kontrolle über die Produktion und im Fall der Ölarbeiter sogar über die Distribution. Es kam zu Landbesetzungen, Besetzungen von Schulen und Unis, sowie Aufständen der nationalen Minderheiten, vor allem in den Kurdengebieten.
Der Staatsapparat hängt in der Luft
Durch die Aktivität der Massen wurde das brutale Folterregime des Schah gelähmt. Wenn die Massen selbst beschließen Politik zu machen, ist selbst der brutalste Geheimdienst ohnmächtig. Anfang Februar 1979 stellen sich sogar Teile der Armee gegen den Schah und werden durch Massendemos vor Repression geschützt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Armee gespalten und nicht mehr gegen die Bewegung einsetzbar.
Die Massen stürmen die Kerker und befreien die politischen Gefangenen. Nach erbitterten Kämpfen mit schahtreuen Einheiten liegt die Kontrolle über Teheran in Händen der Bevölkerung. Diese spürt ihre Macht und das Potenzial der Situation. So erklären beispielsweise die Erdölarbeiter, auch bei einer Machtübernahme Khomeinis weiterstreiken zu wollen. An diesem Punkt aber stand die Revolution ohne Führung da. Die moskautreue Tudeh-Partei hatte keine sozialistische Perspektive, sondern die, dass eine bürgerliche Demokratie die Monarchie ablösen müsste. Das bedeutete in der Praxis, dass sie ein Bündnis mit Khomeini anstrebte, der als „antiimperialistischer“ Bürgerlicher gesehen wurde. Hätte es zu diesem Zeitpunkt eine Partei gegeben, die wie die Bolschewiki 1917 gehandelt hätte, wäre die Konterrevolution der Mullahs vermutlich nicht möglich gewesen.
Khomeinis Konterrevolution
Khomeini forderte die Beruhigung der Bewegung, aber schon am 16. Februar demonstrierten 50.000 Linke und Soldaten gegen die Übernahme des alten Repressionsapparats durch eine neue Regierung. Khomeini musste also zuerst den Widerstand der Streikenden und der Linken brechen. Für diesen Zweck war der zerfallene Repressionsapparat des Schahs aber nicht mehr einsetzbar. Die Mullahs mussten daher einen neuen „islamischen“ Staat aufbauen. So wurden die „Revolutionsgarden“ Pasdaran, „islamische“ Gerichte usw. gegründet. Khomeinis Basis waren die durch die „Weiße Revolution“ vom Land vertriebene Bauern, die in den Städten meistens keine Arbeit fanden und eine breite Masse arbeitsloser Lumpenproletarier bildeten, sowie nicht zuletzt die kleinbürgerlichen Bazarhändler, die durch die Reformen der Schahs in ihrer Existenz bedroht worden waren.
Diese Schichten hätten durch ein konsequentes sozialistisches Programm auf die Seite der Arbeiterklasse gewonnen werden können. Das geschah aber nicht und so wurden sie zu einer leichten Beute für die „antiimperialistischen“ Reden der Mullahs. Diese verwendeten ihre Basis, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Zunächst suchten die Mullahs Fabriken heim und riefen zur Ordnung auf. Gleichzeitig wurde eine Repressionsmaschinerie gegen Linke in Gang gesetzt.
Die Regierung versuchte sogar, ein Netzwerk „islamischer Shoras“ den existierenden Shoras entgegen zusetzen, jedoch mit wenig Erfolg. Die Pasdaran wurden wie faschistische Stoßtrupps gegen die Arbeiterbewegung eingesetzt, sowie um Aufstände der Kurden niederzuschlagen, die Frauenrechte einzuschränken, Homosexuelle auszupeitschen usw. Aber immer noch unterstützte ein Teil der Linken – inklusive der Tudeh-Partei – das neue Regime.
Die Stabilisierung des Mullah-Regimes
Schließlich beschloss die Regierung, zahlreiche Betriebe zu verstaatlichen (insgesamt 70% des gesamten Privatsektors!) mit dem Ziel, die Organe der Arbeiter Innen-Selbstverwaltung auf diese Weise besser kontrollieren zu können. In weiterer Folge wurden Anjomans (Vereine) in den Fabriken installiert, die eine Gegenmacht zu den Shoras aufbauen sollten. Im Gegensatz zu den Shoras handelte es sich bei den Anjomans nicht um demokratisch gewählte, sondern um von der Regierung beschickte Organe.
Da die Anjomans nicht ähnlich floppen sollten wie die „islamischen Shoras“, wurde eine ganze Reihe von Anreizen und Gründen geschaffen, die bezwecken sollten, dass für viele ArbeiterInnen auf Dauer kein Weg an den Anjomas vorbeiführen konnte. So spielten sie zum Beispiel bei der Darlehensgewährung eine zentrale Rolle. Als trotz alledem klar war, dass die linken Kräft e immer noch stark präsent waren, bereitete die Regierung den letzten Showdown der „Islamischen Revolution“ vor: Im August 1979 wurden mit einem Schlag über 40 Zeitungen verboten, darunter die gesamte linke Presse. Sämtliche Räumlichkeiten linker Gruppen wurden von den Behörden geschlossen. Tausende Linke und ArbeiterInnen, die in den Shoras engagiert gewesen waren, wurden verhaftet.
Mit der Repression der Mullahs wurden die sozialen Errungenschaft en der Revolution beseitigt. Von einer fortschrittlichen Bewegung blieb für die Geschichtsschreibung eine „Islamische Revolution“.
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