Kategorie: International

Editorial Funke Nr. 138: Die Welt ist reif für Revolution!

Morris Pearl, ein Multimilliardär, der an der Wallstreet reich geworden ist, hat in Anbetracht der aktuellen Weltlage die Sorge, „dass es für uns Reiche nicht gut ausgeht“. Spätestens seit der Corona-Pandemie berichten die „Kapitalismus bringt uns allen Wohlstand“-Prediger der FAZ von steigender weltweiter Armut. Laut konservativen Schätzungen lebten über 700 Millionen Menschen Ende 2020 in extremer Armut.

der funke


Dies betrifft nicht nur Entwicklungsländer. In den USA, dem reichsten Land der Welt, waren schon vor der Pandemie rund 40 Millionen Menschen auf das staatliche Lebensmittelprogramm angewiesen. Es wird geschätzt, dass in den Staaten 2,5 Millionen Kinder obdachlos sind – also eins von 30 Kindern.

Gleichzeitig kommt es weltweit zu Protesten. In Madrid gingen im Februar eine Million Menschen gegen die Angriffe auf das Gesundheitssystem auf die Straße. Monatelang streikte die französische Arbeiterklasse gegen die Konterreform von Macron, die unter anderem das Renteneintrittsalter erhöhen soll. Letztes Jahr kämpften in Kanada Beschäftigte im Bildungswesen für höhere Löhne. Ihr Streik wurde im Vorhinein als illegal erklärt, doch die Androhung eines Generalstreiks konnte die Regierung dazu zwingen, das Sondergesetz zurückzuziehen.

Dies sind nur einzelne Beispiele, die zeigen, dass der Lebensstandard der Arbeiterklasse weltweit angegriffen wird. Errungenschaften, die sich die Arbeiterbewegung mühsam erkämpft hatte, werden Stück für Stück abgebaut. Die Inflation verallgemeinert diese Tendenz, denn jetzt ist nicht nur ein privatisierte Gesundheitssystem zu teuer, sondern auch das Schulbuch für die Tochter und das Essen für den Opa.

Diese Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben wird auch im Oxfam Bericht „Survival of the Richest“ aufgezeigt: „Seit 2020 gingen 26 Billionen US-Dollar (63 Prozent) der gesamten Vermögenszuwächse in Höhe von 42 Billionen US-Dollar an das reichste Prozent der Weltbevölkerung, während 99 Prozent sich den Rest teilen.“

Das Versprechen des Kapitalismus, dass es uns jährlich besser gehen wird, hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Der Fortschritt, den das kapitalistische System und die bürgerliche Demokratie gegenüber der alten Feudalherrschaft gebracht hatten, haben schon lange ihren Zenit überschritten. Die alten adligen Herrscher hatten versucht, die Zwangsjacke des Feudalismus mit seinen Zöllen, der Leibeigenschaft und seiner Feindschaft gegenüber rationalem Denken aufrechtzuerhalten, um ihre Privilegien zu sichern. Es brauchte eine Revolution, um aus dieser Sackgasse einen Ausweg zu finden. Auf ähnliche Weise sind heute das Privateigentum an den Produktionsmitteln und der Nationalstaat, welche die Profitgier einiger Weniger verteidigen, ein Hindernis für die Entwicklung der Menschheit.

Kapitalistische Zwangsjacke

Die Krisen, die wir heute erleben, sind die Geburtswehen einer neuen Gesellschaftsform, mit der der Kapitalismus schwanger ist. Der größte Widerspruch im Kapitalismus ist, dass die Wirtschaft mehr produzieren kann, als die Kapitalisten profitabel verkaufen können. Dieser Umstand könnte zu einem höheren Lebensstandard für alle führen, indem alle weniger arbeiten müssten und Bildung, Gesundheitssystem, Kultur, öffentlicher Personenverkehr, etc. zum Allgemeingut werden würde. Stattdessen steht aber die Produktion still, sobald kein Profit für diejenigen herausspringt, denen die Produktionsmittel gehören.

Diese Überproduktionskrisen kommen im Kapitalismus regelmäßig vor. Der Auslöser 2008 war zwar das Platzen der Immobilienblase, die Ursache war aber eine generelle Überproduktion, welche durch Kredite zeitweilig aufgeschoben wurde. Kredite können die Wirtschaft für eine gewisse Zeit ankurbeln, aber irgendwann müssen sie zurückgezahlt werden. In einer Wirtschaft, in der es immer schwerer wird, Profit zu machen, weil es „zu viel“ gibt, wird es immer schwerer, die aufgenommenen Kredite zu bedienen. Dies gilt natürlich auch für Arbeiter, die Schulden aufgenommen haben, um sich ein Haus zu kaufen, aber aufgrund der wirtschaftlichen Lage plötzlich entlassen werden. Die Blase platzt und es kommt zu einer Abwärtsspirale: Bankinstitute und nahestehende Firmen gehen pleite; sie können Kredite nicht bedienen und es kommt zu Massenentlassungen; dies trifft nach und nach weitere Wirtschaftszweige, die aufgrund des plötzlich Nachfrageeinbruches betroffen sind, usw.

Um die Wirtschaft zu stabilisieren wurde die Staatsverschuldung seit 2008 stark in die Höhe getrieben. Die Wertpapiere, die die Zentralbanken Fed, EZB und Bank of Japan hielten, um die Staaten zu finanzieren, stiegen von 3,5 Billionen USD im Jahr 2008 auf 15 Billionen USD kurz vor der Pandemie. Während dieser kamen nochmals 6 Billionen USD hinzu. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zur nächsten Krise kommt.

Rückkehr der Inflation

Die Erhöhung der Geldmenge verstärkte einen inflationären Druck. Aus verschiedenen Gründen, die wir an anderer Stelle behandeln, zeigte sich die Inflation erst mit der Corona-Pandemie. Hier bekam sie aber einen besonderen Ausdruck: Zerrüttete Lieferketten mit teilweise stillstehender Produktion, d.h. eine Angebotsverknappung, trafen auf eine relativ hohe Nachfrage, die durch Kurzarbeit und staatliche Geldgeschenke aufrechterhalten wurde. Der Ukrainekrieg und dadurch steigende Energiekosten waren das i-Tüpfelchen. Die Preise stiegen.

Dies löste Panik bei den Herrschenden aus, denn in ihren Handbüchern findet sich nur ein Mittel, um einer Inflation entgegenzuwirken: die Erhöhung der Leitzinsen. In der Theorie soll so dem Wirtschaftskreislauf Geld entzogen werden, weil Kapitalisten weniger Kredite für zukünftige Investitionen aufnehmen würden, da die Zinsen der Kredite zu hoch seien. Andersherum ausgedrückt: Es soll zum Sparen angeregt werden.

Dies hat aber einen Haken: Die Überproduktionskrise wurde bisher durch billige Kredite aufgeschoben. Vieles von diesem Geld floss zwar in spekulative Blasen, weil dort die Profitaussichten höher waren als in der eingezwängten realen Wirtschaft, aber trotzdem hielt die Flut an Geld einige Unternehmen am Leben.

Die Erhöhung der Leitzinsen bedeutet einen Wirtschaftseinbruch. Auch Deutschland ist nun mit zwei Quartalen sinkender Wirtschaftsleistung in Folge in einer technischen Rezession. Die einzige Lösung der bürgerlichen Ökonomen ist die Amputation ganzer Teile des wirtschaftlichen Körpers. 

Die bürgerlichen Quacksalber schrecken aber vor ihrem eigenen Heilmittel zurück. Sie wissen, dass die Arbeiterklasse, die am stärksten von dieser Amputation betroffen ist, recht wehrhaft ist. So zeigten sich mit der Silicon Valley Bank in den USA und der Credit Suisse in der Schweiz die ersten Opfer der neuen Leitzinspolitik. Eine tatsächliche Pleite hätte aber Massenentlassungen in vielen wirtschaftlichen Bereichen bedeutet. Dies hätte eine soziale Explosion hervorgerufen in einer ohnehin instabilen Lage.

Es gäbe andere Maßnahmen gegen eine Inflation, wie beispielsweise die Beschränkung bestimmter Preise. Dies wäre jedoch ein Eingriff in den Markt und vor allem eine Beschneidung der privaten Profitinteressen. Dieses Heiligtum darf im Kapitalismus nicht angefasst werden.

Stattdessen werden diese Banken gerettet. Dies aber nun mit Krediten, die aufgrund der Leitzinspolitik noch teurer sind! Somit droht in der Zukunft wieder ein Zahlungsausfall. Ergo: Jede „Lösung“ der Kapitalisten bereitet die nächste Krise vor.

Einbruch des Welthandels

Wie eingangs beschrieben, wird die Leistung der Produktion beschränkt durch den Markt, auf dem die Waren profitabel abgesetzt werden können. Diese Schranke des Nationalstaates konnte durch die Ausweitung des Weltmarktes für einige Zeit überwunden werden. Gleichzeitig konnten die Produktionskosten gedrückt und die Profite gesteigert werden, indem Teile der Arbeiterklasse intensiver ausgepresst wurden. Der Zusammenbruch der UdSSR und der Eintritt Chinas in den kapitalistischen Weltmarkt gaben der weltweiten Produktion einen großen Schub.

Heute sehen wir die gegenläufige Tendenz. Der Welthandel wird laut Welthandelsorganisation 2023 nur um 1 % wachsen. Es gibt nicht mehr genügend Aufnahmefähigkeit des Weltmarktes, um die produzierten Waren gewinnbringend zu verkaufen. Jeder versucht seine Waren zu verkaufen und die Konkurrenz auszuschlagen. Der freie Welthandel wird eingerissen und Zollschranken aufgebaut, um sich Vorteile zu verschaffen in einer Situation, wo es mehr Verlierer als Gewinner gibt.

Diese Dynamik verschlimmert die wirtschaftliche Lage weiter. Der Protektionismus des einen Landes treibt das andere Land in den Ruin. Es ist langfristig aber ein Schlag gegen sich selbst, denn an wen soll das siegreiche Land gewinnbringend exportieren, wenn die Kaufkraft des geschlagenen Landes durch einen Wirtschaftseinbruch gemindert ist?

Die Aufteilung der Weltmärkte wird aktuell durch zwei Giganten bestimmt: USA und China. Zweiterer hat in den letzten Jahren eine relative Zunahme in der globalen Wirtschaftsleistung erlebt. Trotzdem bleibt die USA mit einigem Abstand auf dem ersten Platz vor China mit etwa 23 Billionen USD im Vergleich zu etwa 17,74 Billionen USD im Jahr 2021. Projekte wie Chinas neue Seidenstraße und der US-amerikanische Inflation Reduction Act, welcher eine protektionistische Maßnahme darstellt, sind ein Tauziehen zwischen diesen Kräften. Dies ist die Ursache aller Spannungen, die wir heute im Pazifik beobachten können.

Krise des bürgerlichen Regimes

Es zeigt sich, dass die Lösungen der Kapitalisten nur Scheinlösungen sind. Ob nun die Erhöhung der Leitzinsen, Bankenrettungen, weitere Schuldenaufnahmen, Protektionismus, Austerität etc. – alle Maßnahmen widersprechen sich gegenseitig und bereiten nur die nächste Krise vor.

Verzweifelt suchen die verschiedenen politischen Flügel der Kapitalisten nach einem Ausweg. Dabei haben sie immer zuerst ihre eigenen Interessen im Kopf: „Wenn schon jemand verlieren muss, dann doch bitte die Anderen.” In den Hallen der Herrschenden, wo man einst kräftige, aber partnerschaftliche Händedrücke vorfinden konnte, finden wir nun hasserfüllte Blicke. Die Zerrüttung und Zunahme der Konkurrenz, die wir auf Weltebene beobachten, spiegeln sich innerhalb des Nationalstaates wider.

Die zunehmende Polarisierung der Herrschenden wirft lang etablierte politische Systeme aus ihrer stabilen Umlaufbahn. Vor allem wird der Gegensatz zwischen der Arbeiterklasse und den Kapitalisten immer deutlicher. Anstieg des Reichtums einiger Weniger bei gleichzeitig wachsender Armut der Massen und Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor bei zugleich privater Profitsteigerung bleiben nicht unbemerkt. Demagogisch wird dann verkündet, dass diese Maßnahmen im Interesse aller sind. Doch die Massen lassen sich nur eine Zeit lang täuschen, denn letztlich erleben sie die negativen Konsequenzen am eigenen Leib. Auf der Suche nach Lösungen wird eine Partei nach der anderen getestet. Folge sind Schwankungen in der öffentlichen Meinung, Entfremdung von den etablierten Parteien und eine politische Polarisierung.

Ausdruck dieser Entwicklung ist die Krise des bürgerlichen Regimes. D.h. unter anderem Minderheitsregierungen, Regieren per Dekret und Fragmentierung des Parlaments. Diese Krise lässt sich beispielsweise in Frankreich erkennen, wo Macron und sein Bündnis im Parlament nicht die absolute Mehrheit erhielten. Somit muss er sich auf rechte Parteien stützen, die ihre eigene Agenda verfolgen. Um seine Rentenreform durchzudrücken, umging er das Parlament, indem er einen Artikel in der Verfassung ausnutzte. Solche Manöver destabilisieren nur weiter das Vertrauen in die Demokratie der Reichen.

In vielen Ländern ist die Sozialpartnerschaft die entscheidende Stütze für das herrschende System. Doch auch hier sind die Zentrifugalkräfte am Wirken. Die Herrschenden sind nicht mehr bereit, Brotkrumen für die Arbeiterklasse anzubieten. D.h. die reformistische Führung der Gewerkschaften und der Arbeiterparteien kann den Massen nur noch einen Reformismus ohne Reformen anbieten. Diese Politik bedeutet, in Worten das Wohl der Arbeiterklasse zu predigen, aber in der Praxis die Arbeiter zu verraten.  

Die Geburt des Sozialismus

Um abzusehen, wie heiß dieser Sommer wird, reicht es nicht aus, sich auf allgemeine Klimaprognosen zu stützen. Die geografischen Besonderheiten des Landes müssen analysiert werden. Dies gilt auch für politische Prognosen. Doch was wir weltweit sehen können, ist, dass die Politik der Herrschenden Massenbewegungen und Proteste nach sich zieht.

Nicht nur in extremen Fällen wie in Kasachstan, Sri Lanka, Iran und Peru gehen die Menschen auf die Straße. Auch in scheinbar stabilen und wirtschaftlich fortgeschritteneren Ländern brodelt es unter der Oberfläche. Die Streikbewegungen in Großbritannien, Frankreich und den USA sind nur einige Beispiele. Auch in Deutschland erleben wir zunehmend Kämpfe der Arbeiterklasse gegen den Verlust des Lebensstandards. Besonders die Jugend und Frauen politisieren sich.

Die Situation spitzt sich weiter zu, denn die Kapitalisten können keine Lösung für die Misere anbieten, die nicht gleichzeitig Barbarei für einen Großteil der Menschheit bedeutet. Der einzige Ausweg ist die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln. Dies hieße, die Grundlage ihrer eigenen Macht angreifen.

All das Klammern der Herrschenden am Bestehenden hilft nichts: Der Kapitalismus bereitet den Weg in eine neue Gesellschaft vor. Die wirtschaftliche Krise verstärkt die Monopolisierungstendenz des Kapitalismus. Kleinere Unternehmen werden von den Großen geschluckt. Große Unternehmen werden vom Staat gerettet, da sonst riesige Massenentlassungen drohen. Riesige Banken werden zusammengeführt, wie die Zwangsvereinigung von Credit Suisse mit der UBS zeigt.

All dies bedeutet, dass die Arbeiterklasse nur diese Nervenknoten der Wirtschaft unter demokratische Kontrolle bringen muss, um eine Planwirtschaft zu errichten. So könnte entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft produziert werden und nicht mehr nach dem privaten Profit einiger Weniger. Auch, dass der Teil der Produktion, der im Kapitalismus durch eine nicht-gewinnbringende Überproduktion stillsteht, könnte sinnvoll zum Vorteil aller genutzt werden. Die Globalisierung könnte vollendet werden, denn für nationalstaatliche Grenzen gibt es keinen Nutzen mehr in einer sozialistischen Weltwirtschaft, wo sich die einzelnen Länder gegenseitig unterstützen, anstatt miteinander zu konkurrieren.

Wir leben in einer Welt der Krisen, Kriege, Revolutionen und Konterrevolutionen. Die Spannungen, die unter der Oberfläche schon angelegt waren, kommen nun mit aller Gewalt zum Vorschein. Die Arbeiterklasse macht weltweit wichtige Erfahrungen im Klassenkampf, doch es braucht eine revolutionäre Organisation, die die richtigen Schlüsse zieht und die Arbeiterbewegung anführen kann. Der Sozialismus ist der einzige Ausweg aus der Sackgasse Kapitalismus. Schließ dich uns an und kämpfe auch du für den Sozialismus zu unseren Lebzeiten! 

Jetzt den neuen Funke bestellen!

shop_f138.png

 

Inhalt: 

3 Die Welt ist reif für Revolution! 

6 Der Todeskampf des deutschen Imperialismus

8 SPD: Königsmacher des deutschen Militarismus

10 Klimaaktivisten werden aus dem Verkehr gezogen

11 Fachkräftemangel: Mit Klassenkampf gegen Propaganda

12 Die Novemberrevolution 1918: Räterepublik vs. bürgerliche Demokratie

16 Belgien: Streik bei Delhaize

18 „Kleineres Übel“ scheitert im Kampf gegen Erdoğan

20 Kuba: Kapitalistische Restauration?

22 Hamburg-Konferenz: Auf ins nächste revolutionäre Jahr!

slider unten de rev

bdk slider unten

veranstaltungen 2

werde aktiv 2

button deutsche rev homepage

Modulblock Shop

Modulblock DefenceMarxism