Im August finden in den meisten südafrikanischen Landesteilen Regionalwahlen statt. Der Wahlkampfauftakt des ANC stand hierbei bereits unter einem sehr schlechten Stern. Obwohl die Bürokratie des ANC versuchte, aus allen Landesteilen FunktionärInnen zur Programmpräsentation zu karren, kamen statt der angenommenen 110.000 kaum mehr als 40.000. Die dortige Stimmung wurde von BeobachterInnen als düster beschrieben. Dies steht symptomatisch für die Krise des ANC und die derzeitige innenpolitische Lage in Südafrika. Der ANC, der seit dem Ende der Apartheid durchgehend die Regierung Südafrikas stellte, ist in der Bevölkerung unbeliebter denn je.
Dies liegt zum einen an den zahlreichen Korruptionsskandalen rund um den ANC und seinen Vorsitzenden, den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma. Bereits vor seinem Amtsantritt 2009 gab es fast 800 verschiedene Korruptionsvorwürfe gegen ihn. Diese gipfelte im Skandal um Zumas Anwesen in der südafrikanischen Stadt Nkandla, das er sich um beinahe 15 Millionen Euro staatlicher Gelder renovieren lies. Der ANC rechtfertigte dies mit der „Sicherheitsrelevanz“ der Baumaßnahmen. Bereits 2014 stellte die südafrikanische Korruptionsbeauftragte jedoch fest, dass weder das Errichten eines Swimmingpools noch der Bau eines Amphitheaters am Anwesen Zumas „sicherheitsrelevant“ seien. Im März dieses Jahres wurde er nach jahrelanger Weigerung zur Rückzahlung der Gelder verurteilt.
Aber auch ökonomisch und sozial erlebt Südafrika derzeit die schlimmste Krise seit dem Zusammenbruch des Apartheidregimes. Derzeit sind 25% der SüdafrikanerInnen arbeitslos gemeldet, wobei davon ausgegangen werden kann, dass es eine viel höhere Dunkelziffer gibt. Das Wirtschaftswachstum sinkt seit Jahren und der Kurs des Rand (südafrik. Währung) fällt in den letzten Monaten massiv. Die Krise erwischte Südafrika, einst kapitalistischer Vorzeigestaat Afrikas, besonders stark. Dies liegt am Einbruch der südafrikanischen Exporte und einer völlig fehlgeschlagenen Politik seit dem Ende der Apartheid.
Im Zuge der GEAR-Politik des ANC wurden Mitte der 1990er Jahre viele staatliche Firmen privatisiert sowie finanzielle und steuerliche Vergünstigungen für ausländische Firmen geschaffen. So ist es etwa möglich, als Firma an der Johannesburger Börse notiert zu sein und dennoch in Südafrika keine Steuern zu entrichten. Die herrschenden Eliten verteidigen weiterhin den neoliberalen Kapitalismus und die ANC-Führung setzt weiterhin auf den Abbau des öffentlichen Sektors, ein absurdes Atomprogramm und Steuererleichterungen für ausländische InvestorInnen. Die wirtschaftliche Krise wird auf den Rücken der Ärmsten ausgetragen, wie man an dem schrittweisen Abbau des südafrikanischen Sozialsystems erkennen kann. Seit dem Ende der Apartheid ging die Schere zwischen Arm und Reich weiter massiv auseinander.
ANC im Dienste der herrschenden Klasse
Dass der ANC nicht konsequent im Interesse der südafrikanischen Arbeiterklasse agiert, zeigte sich bereits nach dem Ende der Apartheid, als man zwar die rechtliche Gleichstellung der schwarzafrikanischen und der weißen Bevölkerung Südafrikas umsetzte, nicht jedoch die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse angriff. So wurde etwa das große Problem der Landverteilung nicht aufgegriffen, sodass sich heute noch immer der größte Teil des südafrikanischen Bodens sowie der Produktionsmittel in den Händen der ehemaligen Eliten befindet.
Offensichtlich wurde die Position des ANC auch, als es 2012 in Südafrika im Zuge der Auseinandersetzung um höhere Löhne zu einem Massenstreik der BergarbeiterInnen kam. Anstatt sich mit den politischen Forderungen der streikenden BergarbeiterInnen zu beschäftigen, wurde seitens der Polizei auf die Streikenden geschossen und dabei 34 Menschen getötet. Nach dem Massaker von Marikana kam es weder zu einer juristischen Aufarbeitung (abgesehen vom Versuch, BergarbeiterInnen anzuklagen) noch zu politischen Konsequenzen.
Im Zuge dieser Politik kam es jedoch in der Jugendorganisation des ANC, der ANC Youth League (ANCYL), zu massiver Kritik an den der herrschenden ANC-Bürokratie und deren Politik. Dabei war unter anderem die Forderung nach der Verstaatlichung der südafrikanischen Industrie ein relevanter Punkt. Die ANC-Führung versuchte, die oppositionelle Jugend mit bürokratischen Manövern auszuschalten. So wurde Ende 2011 der Vorsitzende der ANCYL, Julius Malema, aus dem ANC ausgeschlossen. Malema gründete im Juli 2013 gemeinsam mit anderen die Economic Freedom Fighters (EFF) als neue klar antikapitalistische Partei.
Perspektiven der EFF
Nicht einmal ein Jahr nach ihrer Gründung und mit finanziell stark begrenzten Mitteln zogen die EFF bei den Parlamentswahlen 2014 erstmals mit über 6% als drittstärkste Partei in die südafrikanische Nationalversammlung ein. Der massive Zulauf, den die EFF im Moment haben, zeigt sich auch ganz gut an der Auftaktveranstaltung zu den Regionalwahlen im August zu der 56.000 Menschen kamen und die somit deutlich besser besucht war als der Wahlauftakt des ANC. Die EFF dienen als politisches Ventil der Unzufriedenheit der Bevölkerung. Inwieweit sie die Hoffnungen der Bevölkerung erfüllen werden (können), wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Zwar geben sich die EFF im Moment kämpferisch und sprechen auch davon, das System zu stürzen, aber es muss bedacht auch werden, dass Julius Malema sich selbst lange in das System Zuma integrierte, bevor er mit diesem brach. Zudem ist auch bei den EFF in den letzten Monaten ein deutlicher Rechtsruck zu erkennen. So kam es beispielsweise vermehrt zu einer Zusammenarbeit mit der Demokratischen Allianz, einer bürgerlich-liberalen Partei, die auf Markt-Deregulierungen und „gesunde“ Sparmaßnahmen in der öffentlichen Infrastruktur setzt.
Die Massenbewegung hinter den EFF, die weiterhin für den sozialen Fortschritt kämpft, ist natürlich zu unterstützen. Jedoch müssen auch die konkreten Entwicklungen in den EFF selbst beobachtet, kritisiert und ihre politische Führung daran erinnert werden, dass der einzige Ausweg aus der Krise nur ein konsequenter Bruch mit dem kapitalistischen System sein kann. Die nächsten Monate und Jahre werden wohl die turbulentesten der südafrikanischen Politik seit dem Ende der Apartheid werden.
|