Es gibt einen offenen Bruch zwischen zwei bürgerlichen Fraktionen. Es wird ein knapper Ausgang erwartet und nach jahrelangen Turbulenzen steht viel auf dem Spiel. Die Trennlinien sind dermaßen tief, dass es sogar zu einem Abbruch der Konferenz kommen kann und irgendwann zu einem Zusammenbruch der Organisation. Deren Auswirkungen wären sehr weitreichend.
Zum ersten Mal bewerben sich sieben KandidatInnen für das Amt des Präsidenten/der Präsidentin, um Jacob Zuma abzulösen. Das ist allerdings kein Zeichen für eine wachsende „interne Demokratie“, wie einige unverbesserliche Apologeten uns Glauben machen wollen. Die Litanei der Gerichtsverfahren innerhalb der Parteimitgliedschaft im Vorfeld der Nasrec-Konferenz ist ein weiterer Indikator für die interne Zerrissenheit.
In Wirklichkeit gibt es zwei SpitzenkandidatInnen, Cyril Ramaphosa und Nkosazana Dlamini-Zuma. Beide repräsentieren rivalisierende bürgerliche Fraktionen. Ramaphosa, einer der reichsten Männer im Land, vertritt die Großbourgeoisie während die Unterstützer von Dlamini-Zuma zur neureichen schwarzen Bourgeoisie im Umfeld der Familie Gupta gehören. Wer auch immer die Wahl gewinnt, wird nicht die Interessen der ArbeiterInnen vertreten, sondern die der einen oder anderen bürgerlichen Fraktion.
Die Konferenz und das Schicksal des ANC werden tiefgreifende Auswirkungen auf alle gesellschaftlichen Klassen haben. Die besondere historische Entwicklung des Klassenkampfes und die Entwicklung der politischen Kräfte in Südafrika bedeutet, dass die herrschende Klasse keine weitere Partei, die von den Massen unterstützt wird, hat. Das macht das Schicksal des ANC noch wichtiger, besonders wenn die Organisation sich spalten sollte, was nicht unwahrscheinlich ist, besonders dann, wenn die Ramaphosa-Fraktion verlieren sollte. Selbst wenn Ramaphosa, vielleicht mit einer kleinen Mehrheit, gewinnen würde, könnte die Konferenz zu weiteren Umbrüchen und Spaltungen führen. Die Zuma-Fraktion würde augenblicklich mit einer Politik der verbrannten Erde beginnen. Das ist darauf zurückzuführen, dass das gesamte Netzwerk, das auf Korruption und Vetternwirtschaft basiert, zunichtegemacht würde. Das politische System würde destabilisiert und es käme zu allen möglichen Erschütterungen.
Es ist immer noch möglich, dass die beiden Seiten zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vereinbarung treffen, das würde aber nichts fundamental lösen, da die tiefe ökonomische Krise und der steigende Zorn in der Gesellschaft bald eine solche Vereinbarung untergraben würden. Auf jeden Fall wird die Zeit nach der Nasrec-Konferenz sehr turbulent. Ebenso wie nach der Polokwane-Konferenz vor zehn Jahren werden die Auswirkungen der Nasrec-Konferenz noch über Jahre spürbar sein.
Die Polokwane-Konferenz
Jacob Zuma wurde 2007 auf der Konferenz in Polokwane zum Präsidenten des ANC gewählt. Diese Konferenz bedeutete eine Trendwende für den ANC. Ihre Auswirkungen auf den Klassenkampf und die politische Lage in Südafrika dauern bis heute an. Damals besiegte der linke ANC-Flügel mit seinen Verbündeten im Gewerkschaftsverband COSATU und der Kommunistischen Partei nach einer Revolte an der Basis dieser Allianz die rechte Regierung von Thabo Mbeki. Die Konferenz rückte die Spannungen zwischen der ArbeiterInnenklasse und der herrschenden Elite des ANC in den Vordergrund. Sie verdeutlichte die soziale Distanz zwischen der herrschenden Elite um Mbeki und der Basis der Bewegung anschaulich und zeigte, inwieweit der Druck durch die Bourgeoisie die Politik und das Verhalten dieser Führer bestimmte. Mit anderen Worten, es handelte sich um zwei sich gegenüberstehende Klassenkräfte – der herrschenden Klasse und der ArbeiterInnenklasse.
Aber zehn Jahre später ist die Euphorie über den Sieg des linken Flügels verschwunden. Statt eines Wettkampfes, an dem die Linke beteiligt ist, befindet sich die Partei mitten in einem Kampf zwischen zwei bürgerlichen Fraktionen, von denen keine die Interessen der ArbeiterInnenklasse vertritt.
Zur Verteidigung von Polokwane
Es ist heute, besonders in den kapitalistischen Medien, modern geworden Schmutzkübel über die Ereignisse im Vorfeld der Konferenz von 2007 auszuschütten. Für sie handelte es sich bei der Konferenz nur um eine Form von Rowdytum. Mit einem solchen Stempel versehen diese Leute Ereignisse, die von normalen Menschen aus der ArbeiterInnenklasse angetrieben werden.
Aber auch selbst diejenigen, die an der linken Kampagne beteiligt waren, haben sich jetzt von dieser distanziert. Das Argument, das jetzt vorgebracht wird, lautet, dass Polokwane ein „Fehler“ war und so „schlimm“ der rechte Liberale Thabo Mbeki auch war, Jacob Zuma hat sich als viel schlimmer entlarvt. Dieses Argument hat zwei Quellen: Es kommt erstens von den Führern, die in der Folge mit dem ANC gebrochen haben und sich links von ihr bewegen und andererseits von denjenigen, die jetzt ihre Rolle bei der Ermöglichung des Rechtsrucks im Vorfeld von Polokwane verheimlichen wollen, wie die KP Südafrikas (SACP).
Die Hauptquelle für die interne Krise des ANC liegt aber nicht im Prozess, der zu Polokwane geführt hat oder in der Konferenz selbst, sondern in der falschen Politik und dem Herangehen des linken Flügels nach dem Sieg in Polokwane. Die Polokwane-Koalition aus der SACP, dem COSATU und dem Jugendverband des ANC nahm den Kampf mit Mbeki auf, besiegte ihn schließlich und setzte Jacob Zuma als Kandidaten der Linken als ANC-Präsidenten ein. Anders als der „abgehobene“ Mbeki präsentierte sich Zuma als „einfacher Mann“, der den Hoffnungen der Massen gegenüber „zugänglicher“ sein würde. Sein Programm aber, genau wie das von Mbeki, basierte auf ein Wirken innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Es zielte nicht auf fundamentale Veränderungen in der Gesellschaft.
Die Revolte von Polokwane
Zuma war stets – selbst in den Tagen des Asyls und des Untergrunds während der Apartheid – skandalumwittert. Das setzte sich fort, als der ANC Regierungspartei wurde. 2002 tauchten Nachrichten durch eine Untersuchung im Fall Schabir Shaik auf, die besagten, dass Zuma an einem Korruptionsfall beim Kauf von Waffen beteiligt gewesen sei. Shaik wurde schließlich des Betrugs für schuldig befunden und 2005 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Zuma war danach zehn Jahre in einem Rechtsmarathon verwickelt, um sich gegen eine Verurteilung in 783 Fällen von Korruption, Betrug, Geldwäsche und Erpressung zur Wehr zu setzen. 2005 entließ Mbeki Zuma als Vizepräsidenten Südafrikas, angeblich wegen dessen korrupter Beziehung zu Shaik und eröffnete damit einen gigantischen Kampf der beiden mächtigsten Männer im ANC. Das alles fiel zusammen mit einer Revolte in den lokalen ANC-Gruppen gegen Mbekis Politik. 1996 begann Mbeki die makroökonomische Politik des Wachstums durch Umverteilung (GEAR) umzusetzen, welche durch das Finanzministerium, der Entwicklungsbank von Südafrika und Vertretern der Weltbank entwickelt worden war. Diese Politik führte zu Einschnitten bei den Sozialausgaben, einschließlich dem Gesundheitswesen und der Bildung, Kürzungen im öffentlichen Dienst, einer Deregulierung der Märkte, zur Festlegung der Preise und Wechselkurse durch die Marktkräfte, zu einer weiträumigen Privatisierung, „Mäßigung bei den Löhnen“, „Maßnahmen zur Eindämmung der Kosten“ wie Strom- und Wassersperren bei Nichtbezahlung etc.
Das führte zum Anstieg des Klassenkampfes, der durch die SACP und den COSATU zum Ausdruck kam, die an Mbekis Plänen nicht beteiligt waren. Die Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Fraktionen nahmen zu und reichen zurück bis zur Konferenz von Stellenbosch 2002, als Mbeki eine Kampagne gegen die SACP und den COSATU startete und die beiden als „ultralinks“ beschimpfte und erklärte, der ANC würde besser ohne sie auskommen.
Unter dem steigenden Druck von unten entwickelte sich in der ANC-Jugendliga, der SACP und der COSATU-Gewerkschaften ein linker Flügel. Diese Prozesse vollzogen sich zwischen 2005 und 2007. Nach Jahren der Rechtsentwicklung mischten sich die arbeitenden Massen in den traditionellen Organisationen direkt ein, um deren Richtung zu ändern. Mit dem Ziel der Selbsterhaltung, der persönlichen Ambitionen und der Selbstbereicherung setzte sich Zuma demagogisch an die Spitze der Bewegung. Das war die Grundlage für die Amtsentfernung der liberalen Führung um Thabo Mbeki auf der Konferenz von Polokwane im Dezember 2007.
Die vom ANC betriebene kapitalistische Politik und die militante Reaktion der ArbeiterInnen führte dazu, dass die frühere Massenbefreiungsbewegung anfing entlang der Klassenlinien zu zerbrechen und sich zu spalten. Der ANC spaltete sich 2009, als eine Sektion der Liberalen die Organisation verließ und den Volkskongress (COPE) gründete. Dieser blieb allerdings ohne Wirkung, weil es in der ArbeiterInnenklasse zu einem Linksruck kam.
Der Zusammenbruch von 2008 und der Anstieg des Klassenkampfes
Die Konferenz von Polokwane fand am Vorabend der weltweiten Finanzkrise statt, die Südafrika Ende 2008 traf, als die Rahmenkredite sich verschärften und die Preise für Waren stark fielen. Im letzten Quartal von 2008 schrumpfte die Wirtschaft um 1,8% und um 6,9% in den ersten drei Monaten von 2009 und führten zur ersten Rezession in den letzten zwei Jahrzehnten. Die Auswirkungen des Rückgangs wurden sofort gespürt. Die Produktion in den Minen ging im letzten Quartal 2008 um 33% zurück. Die verarbeitende Industrie schrumpfte um 22%. Die Verbraucherausgaben fielen um fast 5%, das war der größte Rückgang seit 13 Jahren. Die Zahl der Unternehmensschließungen steig in den ersten vier Monaten 2009 um 47% und die Schulden der privaten Haushalte nahmen erheblich zu. Die Auswirkungen dieser Krise bekam die ArbeiterInnenklasse durch den Verlust von mehr als einer Million Arbeitsplätze sofort zu spüren. Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende der Apartheid war keines der Probleme der südafrikanischen Massen wirklich gelöst worden. Das war die Grundlage für die Revolte von Polokwane und dem folgenden Anstieg des Klassenkampfes.
Die Schläge gegen die ArbeiterInnenklasse führten nicht dazu, dass diese sich versteckte. Im Gegenteil, nach der Konferenz von Polokwane gewannen die ArbeiterInnen an Selbstbewusstsein und gingen in die Offensive. Mit dem linken Flügel an der Spitze der ArbeiterInnenbewegung öffnete der Sieg von Polokwane den Weg für einen enormen Aufschwung des Klassenkampfes als die ArbeiterInnen ihre Forderungen vorbrachten und sich gegen die Auswirkungen der Krise wehrten. Nach den Wahlen von 2009 kam es zu einem beispiellosen Anstieg bei den Streiks, Demonstrationen und Protesten. 2010 erfasste eine große Streikwelle das Land. Im April des Jahres traten die GemeindearbeiterInnen in einen landesweiten Streik, der verschiedene Großstädte und Ballungsräume traf. Im Mai streikten die TransportarbeiterInnen erfolgreich für einen Lohnanstieg von 15%. Auch im Mai erzielten die ArbeiterInnen im Personenschienenverkehr nach einer Streikaktion 16% höhere Löhne. Im Juli und August brachten 1,3 Mio. ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst das gesamte Land zum Stillstand.
Die Streiktage des Jahres 2010 waren zum damaligen Zeitpunkt die höchsten je verzeichneten. Ungefähr 161.852.721 Arbeitsstunden wurden durch Streiks verloren, 2009 waren es laut dem Arbeitsministerium nur 11.525.815 gewesen. Zur gleichen Zeit wurden Vorstellungen wie die Nationalisierung der Kommandohöhen der Industrie und die Forderung der SACP nach einem „Sozialismus zu unseren Lebzeiten“ zu beliebten Schlachtrufen im gesamten Land. Aber während die Massen die Allianz nach links drängten, bewegte sich die neue Führung unter Zuma nicht in die gleiche Richtung. Der linke Flügel, der den ANC übernommen hatte, hatte keine Pläne zum Bruch mit dem Kapitalismus und dem bürgerlichen Staat in Südafrika. Aus diesem Grund folgte er dem Diktat des Kapitals und die Führung um Zuma geriet unter einem enormen Druck seitens der Bourgeoisie, den Linksruck im ANC zu stoppen.
Der Rechtsruck der SACP
Im Zusammenhang mit der Krise des Kapitalismus ging die ArbeiterInnenklasse in die Offensive, aber die Führer des linken Flügels, d. h. die Führer der SACP, drängten nicht nach der Umsetzung des „Sozialismus zu unseren Lebzeiten“, sondern verrieten den gesamten Prozess. Stattdessen beteiligten sie sich 2009 an der Regierung, die eine kapitalistische Politik betrieb, welche sie mit einem linken Deckmantel übertünchte. Nachdem die SACP-Führer ihr kurzfristiges Ziel, die Abwahl von Mbeki, erreicht hatten, begannen sie mit Angriffen auf den linken Flügel der Allianz. Mit jedem Schritt platzierten sie sich in Opposition zur wachsenden Bewegung auf den Straßen und in den Fabriken. 2011 startete Blade Nzimande, der Generalsekretär der Partei, aus seiner behaglichen Ministerposition Angriffe auf die Forderung der Jugendliga nach Nationalisierungen und bezeichnete diese als „die Rettung von überschuldeten Black-Economic-Empowerment-Verträgen“. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, hätte die Partei das Problem lösen können, wenn sie sich an die Spitze des Rufs nach Nationalisierungen gestellt und gefordert hätte, dass diese ohne Entschädigungen vorgenommen werden sollten.
Die SACP wurde zum größten Verteidiger Zumas gegen Kritik vom linken Flügel der Allianz. Die Art und Weise wie die KP Zuma während des Nkandla-Korruptionsskandals verteidigte, wird als Schande in die Geschichte eingehen. Selbst der Mord an Minenarbeitern in Marikana reichte diesen „kommunistischen“ Führern nicht aus, um Zuma ihre Unterstützung zu entziehen. Sie fuhren damit fort und betrieben als Minister in der Regierung eine kapitalistische Politik Tatsächlich wurden die SACP-Führer zu einer treibenden Kraft beim Rechtsruck innerhalb des ANC und halfen Zuma den Zugriff auf die Partei zu festigen. Die Annahme eines ehrlichen sozialistischen Programms war nie die Absicht der „kommunistischen“ Parteiführer. Diese Angriffe trugen schließlich zur Spaltung des COSATU, zur Zersplitterung der führenden Organe der ANC Jugendliga und zum Ausschluss von Julius Malema und Floyd Shiyambu bei.
Besonders schäbig war die Rolle der SACP-Führer bei der Spaltung der Gewerkschaftsbewegung und dem Ausschluss der Bergarbeitergewerkschaft NUMSA aus dem Gewerkschaftsbund COSATU, der den Weg zur Schwächung der Gewerkschaftsbewegung als Bollwerk gegen die Kapitalisten innerhalb und außerhalb des ANC bereitete. Als Folge wurde der COSATU zu einer zahnlosen Organisation, deren Führer sich nach rechts bewegten und Ramaphosa, den Vertreter des Großkapitals, bei der Kandidatur für das Amt des ANC-Präsidenten unterstützten. Marikana
Eine qualitative Veränderung im Klassenkampf tat sich danach auf. Die enorme Zunahme des Klassenkampfes in dieser Zeit gestalte die politische Landschaft neu und die Militanz der ArbeiterInnen veränderte die politische Lage. Da die Führung von ANC und SACP nicht auf ihre Forderungen reagierten, gingen die ArbeiterInnen in den Industriebetrieben in die Offensive. Zwischen 2009 und 2013 erreichte die Anzahl der Streiks ein höheres Niveau als in den späten 1980ern, als die Massen gegen den Apartheidsstaat kämpften. Die Zahl der kommunalen Proteste für die Grundversorgung mit Wasser und Elektrizität verdoppelte sich zwischen 2007 und 2014. Der Nachrichtendienst Municipal IQ wies kürzlich nach, dass es in Südafrika 2014 jeden zweiten Tag zu Protesten kam, wobei die Provinz Gauteng eine führende Rolle einnahm. Außerdem zeigten die Daten, dass Proteste im Dienstleistungsbereich 2012 30% aller Proteste, die seit 2004 aufgezeichnet wurden, ausmachten. Zwischen 2008 und 2013 fanden ungefähr 3000 Protestaktionen statt.
In diesem Zeitraum leiteten die Minenarbeiter die bedeutendste Streikwelle seit Jahrzehnten ein. Diese Notwendigkeit äußerte sich versehentlich: Die Bosse provozierten diesen Streik unbeabsichtigt, als sie mit der Führung der Minenarbeitergewerkschaft NUM konspirierten und die Arbeiter bei Impala Platinum gegeneinander ausspielten. Im Januar 2012 gestand Impala nur einer Kategorie von Arbeitern eine Lohnerhöhung zu, während der Rest davon ausgeschlossen wurde. Die Ausgeschlossenen antworteten mit einem sechswöchigen wilden Streik, der die Produktion vollständig zum Erliegen brachte. Schließlich musste Impala nachgeben und die Forderungen der Arbeiter erfüllen, was zu einem Sieg aller Arbeiter in dem Unternehmen führte.
Dies geschah außerhalb der normalen Tarifvertragsfristen, was die Arbeiter in anderen Minen überzeugte, ebenfalls außerhalb der formalen Tarifverhandlungsprozesse Lohnerhöhungen zu fordern. Bald folgte eine massive Streikwelle, die alle großen Minen erfasste: Lonmin, Aquarius, Impala, Anglo American Platinum, Royal Bafokeng Platinum, Xstrata, AngloGold Ashanti, Gold Fields, Gold One, Harmony, Kumba Iron Ore und Samancor.
Diese Militanz brachte die Regierung in Zugzwang. Die Arbeiter in der Mine Longmin in Marikana unterstützten den ANC massiv. Die große Mehrheit waren Mitglieder der NUM, die Teil der Allianz war. Aber während die Arbeiter gegen ihre schlechte Bezahlung und die erbärmlichen Arbeitsbedingungen protestierten, reagierte die ANC-Regierung unter dem Einfluss von Cyril Ramaphosa, der im Vorstand von Longmin saß, mit brutaler Gewalt. Am 16. August 2012 erschoss die Polizei 34 streikende Arbeiter in Marikana. Das war ein qualitativer Wendepunkt in der Geschichte des Klassenkampfes. Hier war die Regierung, welche die Arbeiter als ihre Regierung betrachteten, in ähnlicher Weise wie das alte Apartheidregime bereit, schwarze Arbeiterinnen zu töten, um die Interessen der Kapitalisten zu schützen.
Die ArbeiterInnen antworteten unmittelbar mit einer massiven Streikwelle, die mehr als 90 Tage dauerte. Fast alle Lonmin-Arbeiter beteiligten sich an dem Streik. Anglo American Platinum musste aufgrund der Streiks in Rustenburg die Produktion einstellen. Die Streiks gingen von den Platin-Minen auf die Goldindustrie über. Mit zehntausenden streikenden Arbeitern war keine der Minen von Anglogold Ashanti in der Lage zu produzieren. Bei Gold Fields waren 23.500 der 35.700 Arbeiter im Streik. Die Peitsche der Konterrevolution trieb hunderttausende ArbeiterInnen in den Kampf und das Klassenbewusstsein stieg schnell an.
Abspaltungen
Das Massaker in Marikana war ein Wendepunkt in dieser Situation. Es zeigte nachdrücklich, dass der Staat im Kapitalismus den Interessen der Kapitalisten dient. Die Risse, die sich als Folge des zunehmenden Klassenkampfes nach der Konferenz von Polokwane öffneten, führten zu Spaltungen in der Allianz. Dieser Prozess widerspiegelte sich in der ANC- Jugendliga unter Julius Malema, die mit dem Ruf nach der Nationalisierung der Minen und der Umsetzung der Freiheitscharta, welche die Nationalisierung der Monopole fordert, an Zugkraft gewann. Es ist zweitrangig, welche Schwächen die Jugendliga und deren Führung auch gehabt haben mögen, wichtiger ist die Tatsache, dass ihre Haltung durch den Druck des zunehmenden Klassenkampfes beeinflusst wurde.
In der vom ANC geführten Allianz kam es zu rechten und linken Abspaltungen. Die größte Entwicklung in diesem Zeitraum an der Gewerkschaftsfront war die Spaltung innerhalb des COSATU und die Abspaltung der größten Einzelgewerkschaft des Landes, der NUMSA. Der von der SACP eingeleitete Schritt der Regierungsbeteiligung auf prokapitalistischer Basis bedeutete, dass links vom ANC ein massives Vakuum entstanden war. Ein Teil der Massenproteste fand jetzt außerhalb der Allianz statt. Dieses Vakuum machte es Julius Malema und Floyd Shiyambu möglich, die Economic Freedom Fighters zu gründen. Die Gründung der neuen ArbeiterInnen-Föderation SAFTU und die Massenproteste der StudentInnen in den letzten beiden Jahren sind weitere Ausdrücke dieser Situation.
Weiter nach rechts
Als die Führung um Mbeki entfernt worden war, löste sich die Koalition von Polokwane vollständig auf. Nachdem die Allianz von einem großen Teil des linken Flügels gesäubert worden war, bereitete die Konferenz von Mangaung 2012 den weiteren Weg für die Stärkung der Parteirechten, nachdem es der Linken nicht gelungen war eine Kampfansage mit einem schlecht durchdachten Angebot nach „Einheit“ durchzubringen. Auf der Konferenz festigte Zuma seinen Zugriff auf die Partei und rückte sie weiter nach rechts. Die folgende Säuberung der Jugendliga zielte darauf ab, die kritische Stimme der Jugend zum Schweigen zu bringen.
Durch seinen Zugriff auf den Staat wurde Zuma zum Kristallisationspunkt für einen wachsenden Flügel der Bourgeoisie, der von der Familie Gupta angeführt wird, die ihren Reichtum auf der Grundlage der Ausplünderung des Staates geschaffen hat. Nachdem diese Fraktion die Massen in Schach gehalten hat, wird sie von der SACP wie ein gebrauchter Putzlappen eliminiert. Die Führer der SACP versuchen weiter von links nach rechts zu schwenken. Die Allianz existiert nur noch dem Namen nach und nimmt Kurs auf einen formalen Zerfall.
Was folgt nach der Nasrec-Konferenz?
Der heftige Klassenkampf des letzten Jahrzehnts hat die politische Lage fundamental verändert. Die fortschrittlichen Schichten der ArbeiterInnen und der Jugend, welche die Revolte von Polokwane anführten, wie die NUMSA und die Führung der ANC-Jugendliga, befinden sich jetzt außerhalb des ANC. 2007 hatte der ANC eine parlamentarische Mehrheit von beinahe 70%. Jetzt läuft er Gefahr, seine Mehrheit bei den Wahlen 2019 zu verlieren. Die Tatsache, dass die kleine ländliche Provinz Mpumalanga das zweitgrößte Kontingent an Delegierten zur Konferenz schickt, zeigt wie die Unterstützung des ANC in den Städten zurückgegangen ist. Bei den Kommunalwahlen 2016 hat die Partei bereits die Kontrolle über die größten Städte im Land verloren und der Ausschluss der fortschrittlichsten Schichten der ArbeiterInnenklasse und der Jugend hat kapitalistischen Elementen den Raum geboten, im ANC in den Fokus zu rücken. Das hat dazu geführt, dass der Führungskampf in Nasrec zwischen zwei kapitalistischen Fraktionen stattfinden wird.
Mindestens seit den 1950ern hat der Afrikanische Nationalkongress beinahe ein Monopol auf die Unterstützung durch die schwarzen ArbeiterInnen. Jetzt, 23 Jahre nachdem sie die Mehrheit bei den Wahlen von 1994 gewonnen hat, sieht sich die Befreiungsbewegung mit einer beispiellosen Krise konfrontiert. Der Zusammenbruch ihrer moralischen Autorität nach zehn Jahren von Korruptionsskandalen und Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse hat sie in die schlimmste Krise aller Zeiten geführt. Das widerspiegelt die Klassenwidersprüche innerhalb der Partei. Während sich die ANC-Führung den Rängen der herrschenden Klasse angeschlossen hat und ein verschwenderisches und ein luxuriöses Leben führt, haben die Lebensbedingungen der arbeitenden Massen, für die die Partei traditionell ein politisches Instrument war, stagniert oder sich verschlechtert. Die Krise in der Partei verdeutlicht, dass die Interessen dieser beiden Kräfte nicht versöhnt werden können. Diese Klassenwidersprüche zerreißen die Partei. Das Problem ist, dass es in Südafrika keine revolutionäre Partei gibt, welche die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten aus diesem Sumpf führen könnte. Die Schaffung einer solchen revolutionären Tendenz ist die dringendste Aufgabe, vor welcher die ArbeiterInnenklasse und die revolutionäre Jugend von Südafrika heute steht.
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