Am Beginn der Corona-Pandemie herrschte in bürgerlichen Medien durchaus Verwunderung darüber, dass die Zahl der an Corona Erkrankten in Afrika deutlich unter den Erwartungen zurückblieb. Doch das Bild, das gezeichnet wurde, war ein trügerisches, wie wir nicht erst seit dem Tod des höchsten tansanischen Coronaleugners und Präsidenten John Magufuli im März dieses Jahres, oder seit dem Auftauchen der südafrikanischen Variante des Corona-Virus wissen. Die teilweise „geringen“ Corona-Zahlen liegen schlichtweg daran, dass in Afrika nur sehr mangelhaft Daten über Corona-Erkrankungen und -Todesfälle erhoben werden.
So führen gerade einmal 8 von mehr als 50 afrikanischen Staaten Statistiken über Todesfälle im Zusammenhang mit Corona. Offiziell sind auf diesem Kontinent 80.000 Menschen an COVID-19 gestorben, die Dunkelziffer dürfte aber viel höher liegen, wie man etwa am Beispiel Südafrikas erkennen kann. Dort starben offiziell 50.000 Menschen infolge einer Corona-Infektion. Sieht man sich aber die Übersterblichkeit seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Land genauer an, bemerkt man, dass 150.000 Menschen mehr als im Vergleichszeitraum gestorben sind. Das ergibt eine Abweichung von 100.000 Menschenleben – und das in einem der wenigen afrikanischen Länder, die Sterbestatistiken führen!
Im eingangs erwähnten Tansania wurde seit März 2020 offiziell kein einziger Todesfall im Zusammenhang mit Corona gemeldet, obwohl die Intensivstationen längst kollabierten und sogar einige der wichtigsten Mitglieder der tansanischen politischen Elite an Corona verstarben. Das nahezu ungehinderte Grassieren der Pandemie in Afrika ist jedoch nicht nur für den Kontinent selbst ein Problem. Denn die ungehinderte Ausbreitung des Corona-Virus führt zum Entstehen neuer Mutationen, die ansteckender, tödlicher oder beides sein können (Stichwort: südafrikanische Mutation) oder – noch schlimmer – resistent gegen Impfung bzw. Medikation sind. Diese Varianten werden nach Europa sowie in die USA kommen und so das Ende der Pandemie dort in weite Ferne rücken lassen.
Impfnationalismus
Die Katastrophe auf dem afrikanischen Kontinent ist keineswegs hausgemacht. Sie ist das direkte Resultat der imperialistischen Politik, die die Region nachhaltig knechtet und kleinhält. Die imperialistischen Raubzüge durch die Länder haben nicht nur eine völlig zerstörte bzw. nicht vorhandene Infrastruktur hinterlassen (in manchen Ländern wie Angola und der Elfenbeinküste gibt es bis heute kein einziges Beatmungsgerät zur Behandlung von Corona-Patienten!).
Während die Regierungen der reicheren Staaten die ersten Erfolge in der Impfstoffforschung sofort nutzten, um sich mit einem Vielfachen der benötigten Dosen einzudecken, ging Afrika nahezu leer aus. Die kapitalstarken Nationen schlossen Verträge mit den Impfstoffherstellern, die ihnen priorisierten Zugang zu den Impfstoffen gewährten. Die armen Länder müssen aber um jede einzelne Dosis kämpfen. Von 700 Millionen bis April 2021 verimpften Vakzinen entfallen 87 Prozent auf reiche Staaten. Laut WHO hat in Ländern mit hohem Einkommen im Schnitt mittlerweile jede vierte Person eine Impfung erhalten, in armen nur 1 von 500 Personen. Das afrikanische Zentrum zur Seuchenbekämpfung bestellte gerade einmal 220 Millionen Dosen und hat 180 Millionen weitere Optionen offen. Doch in Afrika leben mehr als 1,3 Milliarden Menschen.
Demgegenüber stehen 5 Milliarden Impfdosen, die von den reichen Ländern bestellt wurden – genug, um die gesamte dortige Bevölkerung mehrmals durchzuimpfen. Ein Problem, das auch die WHO erkannte. Sie rief die Initiative COVAX ins Leben, die Impfstoffe in arme Regionen der Welt bringen soll. Jedoch spricht COVAX selbst davon, dass bis Ende 2021 gerade einmal 20 Prozent der afrikanischen Bevölkerung geimpft sein wird. Eine Immunisierung des Kontinents vor dem Jahr 2022 wird ausgeschlossen – vor allem wegen den Regierungen der reichen Staaten, die die WHO-Initiative torpedieren. Die Ankündigung Indiens, vorerst keine Impfstoffe mehr zu exportieren, bis das Land, das selbst im Chaos versinkt, durchimmunisiert ist, verschärft die Lage noch mehr.
Weg mit den Patenten!
Eine wesentliche Verbesserung würde sich durch die Aufhebung der Patente auf Corona-Impfstoffe ergeben. So könnte binnen kurzer Zeit eine große Menge kostengünstiger Generika produziert und vielen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Die Pharmaindustrie stemmt sich aber mit all ihrer Macht dagegen, um ihre Profite zu erhalten. Allein Pfizer hat während der Pandemie bisher Dividenden in der Höhe von 10,5 Milliarden US-Dollar ausgeschüttet. Biontech-Gründer Uğur Şahin besitzt mittlerweile ein Aktienpaket im Wert von 6 Milliarden US-Dollar. Die Impfung ist ein gutes Geschäft für die Pharmaindustrie, das sie sich nicht kaputt machen lassen will. Hinzu kommt die Angst, dass – wenn der Bann gebrochen ist – auch Forderungen nach der Aufhebung von Patenten anderer Medikamente, z. B. gegen Krebs, aufkommen könnten.
Doch mittlerweile kann sich sogar US-Präsident Joe Biden vorstellen, Patente für Corona-Impfstoffe aussetzen zu lassen. Dies hat nichts mit einem plötzlichen empathischen Sinneswandel zu tun, sondern vielmehr damit, dass die herrschende Klasse in den USA nach einem raschen Ende der Pandemie lechzt. Biden steht hier also zwischen den Fronten. Aber selbst dann, wenn er sich dazu durchringen könnte, seinen Worten Taten folgen zu lassen, würde der Plan vermutlich letzten Endes am Veto der EU scheitern.
So wird Afrika weiter im Chaos versinken. Millionen Menschen drohen zu sterben, damit die Bosse der Pharmafirmen weiterhin ihre Taschen mit Geld vollstopfen können. Ein Ende dieser zynischen und grausamen Politik ist erst möglich, wenn das Grundübel – Kapitalismus und Imperialismus – beseitigt wird. Die Arbeiterklasse international muss sich gegen diese Ausbeutung auflehnen, sonst wird sie in eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes stürzen. Selten war Rosa Luxemburgs Feststellung „Sozialismus oder Barbarei!“ aktueller als heute.
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