Kategorie: Amerika |
|||
Hugo Chávez ist tot – der Kampf für den Sozialismus lebt weiter |
|||
|
|||
Hugo Chávez ist tot. Die Sache der Freiheit, des Sozialismus und der Menschheit hat einen mutigen Vorkämpfer verloren. Er verstarb am Dienstag, 5. März, um 16.25 Uhr Ortszeit. Dies gab Vizepräsident Nicolás Maduro bekannt. Der verstorbene Staatspräsident war erst 58 Jahre alt und regierte 14 Jahre lang. Seit über zwei Jahren hatte er gegen den Krebs gekämpft, aber die Nachricht von seinem Ableben wirkte dennoch wie ein Schock. |
|||
|
|||
Binnen kurzer Zeit versammelten sich im ganzen Land große Menschenmassen auf den zentralen Plätzen in größeren und kleineren Städten. Viele Leute weinten oder stellten sich schweigend auf den Platz. Zahlreiche Trauernde versammelten sich vor dem Militärkrankenhaus in Caracas, in dem Chávez verstorben war.Aus den spontanen Trauerkundgebungen wurden rasch massenhafte Kundgebungen der Entschlossenheit. Schon oft gingen die Menschen in Caracas in größerer Zahl auf die Straße, sobald sie die Revolution in Gefahr sahen.So sind auch jetzt diese spontanen Massenversammlungen zu verstehen. Für die Massen verkörpert Chávez die Revolution, ihr eigenes und persönliches politisches Erwachen, die Kämpfe und Schlachten des vergangenen Jahrzehnts, das Gefühl, dass erstmals überhaupt die arbeitende Bevölkerung und die Armen etwas zu melden hatten. Chávez war der Mann, der sich dem Imperialismus und der Oligarchie mutig in den Weg stellte.Einige oberflächliche bürgerliche Kommentatoren sagen, dass die Massen Chávez verehrten, weil er ihnen über die staatlichen Sozialprojekte – die misiones – einen besseren Lebensstandard garantierte. Natürlich spielt das eine wichtige Rolle. Aber die Frage ist noch tiefgreifender, denn diese eindrucksvollen sozialen Errungenschaften wurden auch erkämpft. Die Massen mussten mehrfach in großer Zahl auf die Straße gehen, um die Revolution und ihre Errungenschaften gegen die Angriffe der konterrevolutionären Oligarchie und des Imperialismus zu verteidigen. Das festigte die Beziehung zwischen den Massen und dem Präsidenten.Vergessen wir nicht, dass gestern nicht alle Venezolaner um Chávez trauerten und weinten. In den Wohngebieten der Oberschicht und östlichen Vororten von Caracas und in Miami feierten die Gegner des revolutionären Prozesses den Tod von Hugo Chávez offen, teilweise auch mit einem Hupkonzert. Die herrschende Klasse und der Imperialismus hassten Chávez und wollten ihn stets bei nächster Gelegenheit loswerden – und zwar aus den gleichen Gründen heraus, aus denen die Massen Chávez verehrten und unterstützten. Der Tod von Hugo Chávez löste nicht nur in Venezuela Trauerdemonstrationen aus. In ganz Lateinamerika würdigten ArbeiterInnen, BäuerInnen und ihre Organisationen den verstorbenen revolutionären Vorkämpfer. Weltweit zeigten linke und fortschrittliche Organisationen Anteilnahme und Trauer.
Gestern Abend riefen Menschen in Caracas und vielen anderen Städten: “Wir sind alle Chávez!” und “Chávez lebt”. Tausende marschierten vom Bolivar-Platz zum Miraflores-Präsidentenpalast und riefen: “Das vereinigte Volk wird niemals besiegt werden”, “Sie kommen nicht zurück!” und “Der Kampf geht weiter”. Das ist von sehr großer Bedeutung. Denn die Massen wissen, dass sie sich in einem Krieg befinden. Und in einem Krieg treten Soldaten an die Stelle ihrer gefallenen Mitstreiter, so dass der Krieg auf jeden Fall weiter geht. Das ist die Botschaft von der Straße in Caracas und allen anderen Städten und Dörfern des Landes. Wir trauern mit all den Menschen, die sich weinend auf den Straßen von Caracas versammelt haben. Die Tränen der Arbeiter und armen Menschen sind Ausdruck ehrlicher Gefühle. Aber es gibt auch Menschen, die in diesen Tagen Krokodilstränen vergießen. So gab sich der britische Außenminister William Hague “traurig” angesichts der Todesnachricht und erklärte, Chávez hätte Venezuela dauerhaft seinen Stempel aufgedrückt. Die BBC musste immerhin zugeben: “Er errang dauerhaften Rückhalt unter den Armen und wiederholte Wahlsiege, indem er den Ölreichtum Venezuelas für seine sozialistische Politik einsetzte.” (BBC News am 6, März 2013).Seltsam! Diejenigen, die Chávez hassten und zu seinen Lebzeiten alles unternahmen, um ihm zu schaden, sind nach seinem Tode in ihrer zynischen Art voll des Lobes für ihn. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso beschränkten sich in einer Sechs-Zeilen-Erklärung auf die dürre Aussage: „Venezuela hat sich durch seine soziale Entwicklung und für seinen Beitrag zur regionalen Integration Südamerikas ausgezeichnet.“ Der bundesdeutsche Außenminister Guido Westerwelle erklärte die “Anteilnahme Deutschlands mit der Familie” des Verstorbenen, konnte sich dann aber nicht die schulmeisterliche Belehrung verkneifen, Venezuela habe ein großes Potenzial, und Demokratie und Freiheit seien der richtige Weg, um dieses Potenzial zu verwirklichen. Dabei haben die venezolanischen Freunde des Liberalen mit Rückendeckung aus den USA und der EU im April 2002 versucht, mit den äußerst undemokratischen Mitteln eines Putsches den demokratisch gewählten Chávez zu stürzen. Die unverblümte Haltung der Imperialisten kam in einer schriftlichen Erklärung des Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus, Ed Royce (Republikaner, Kalifornien), zum Ausdruck. Darin heißt es: “Hugo Chávez war ein Tyrann, der das venezolanische Volk zum Leben in Angst nötigte. Sein Tod kratzt am Bündnis der linken, USA-feindlichen Staatsmänner und politischen Führer in Südamerika. Diesen Diktatur sind wir los.”Mit solchen Heuchlern, unaufrichtigen Schwätzern und Phrasendreschern haben wir natürlich nichts am Hut. Wir trauen um Hugo Chávez, aber wir dürfen vor lauter Tränen nicht erblinden. Wir dürfen uns nicht vom Weg abbringen lassen. Nach der Trauer muss der Kampf weiter gehen. Dies ist auch im Sinne des Verstorbenen. Hugo Chávez war ein Kämpfer. Wenn er noch reden könnte, würde er wohl genau das sagen, was der US-amerikanische Revolutionär Joe Hill aussprach: “Weint nicht um mich! Organisiert Euch!”
Die Manöver des Imperialismus
Die US-Regierung zögerte keinen Augenblick und stellte den Tod von Hugo Chávez als Chance für die USA dar, um die Beziehungen zu Venezuela auf eine neue Grundlage zu stellen. Das Land habe nun die Gelegenheit zu “bedeutenden demokratischen Reformen”, heißt es in Washington. Präsident Obama möchte gar “ein neues Kapitel” in der Geschichte des lateinamerikanischen Landes einleiten. Für die US-Regierung ist der Tod von Hugo Chávez eine “Herausforderung”. Wer damit herausgefordert wird, bleibt in dieser Erklärung allerdings ebenso unklar wie die Antwort auf die Frage, wer genau das “venezolanische Volk” ist, das die US-Regierung unterstützen will. Es fehlt auch eine Erklärung dafür, was mit “konstruktiven Beziehungen” zwischen Washington und Caracas gemeint ist. Wenn Obama von “bedeutenden demokratischen Reformen” spricht, dann meint es damit die Rücknahme aller sozialen, wirtschaftlichen und politischen Errungenschaften der letzten 14 Jahre. Mit einem “neuen Kapitel” in der venezolanischen Geschichte meint er eine Rückkehr zu dem alten tragischen Kapitel der Geschichte, als Venezuela versklavt und an die Interessen des US-Imperialismus und der großen privaten Ölgesellschaften gekettet war.Diese Sirenenklängen werden niemanden täuschen. Mit “Unterstützung des venezolanischen Volkes” meinen sie Unterstützung für die konterrevolutionäre Opposition, die Bourgeoisie und den Teil der bolivarischen Bewegung, der mit ihnen einen Deal eingehen will. Mit diesen Phrasen soll nun der rechte Flügel der bolivarischen Bewegung umschmeichelt werden. Das sind die Kräfte, die seit Jahren von einem “Chavismus ohne Chávez” träumen. Sie sehen jetzt eine Chance, ihr Vorhaben zu verwriklichen. Diese Strömung ist nicht mehr und nicht weniger als die “fünfte Kolonne” der Bourgeoisie in der bolivarischen Bewegung. Sie sind die gefährlichsten Feinde der Revolution und versuchen bereits, sich diese tragischen Umstände zunutze zu machen, indem sie Verwirrung stiften und Intrigen gegen die Revolution anzetteln. Wir bleiben dabei: Es geht um die Verteidigung der Bolivarischen Revolution gegen ihre äußeren und inneren Feinde. Letztere sind dabei sogar die gefährlicheren.
Wie weiter?
Was sind nun die Perspektiven für die Venezolanische Revolution und die Aufgaben von MarxistInnen? Hugo Chávez verstarb, noch bevor er die große Aufgabe, die er sich selbst gestellt hat, vollenden konnte: Die Durchführung der sozialistischen Revolution in Venezuela. Es liegt nun an den ArbeiterInnen und BäuerInnen – der wirklichen Lokomotive der Bolivarischen Revolution – diese Aufgabe zu Ende zu führen. Außenminister Elias Jaua sagte, dass Neuwahlen innerhalb der nächsten 30 Tage abgehalten werden. Nicolás Maduro tritt dabei als Kandidat der Vereinigten Sozialistischen Partei (PSUV) an. Es versteht sich von selbst, dass die MarxistInnen für den Sieg der PSUV und die Niederlage der konterrevolutionären Opposition kämpfen. Gleichzeitig müssen wir jedoch sicherstellen, dass die nächste Regierung eine sozialistische Politik durchsetzt.
Es gibt nichts Gefährlicheres für die Zukunft der Revolution als die Idee der “nationalen Einheit” und der Zusammenarbeit zwischen den Klassen. Es darf zu keinen Verhandlungen mit der Opposition kommen und keine Zugeständnisse an die Bourgeoisie geben. Es kann keine Einheit zwischen Sklaven und Sklavenhaltern geben, zwischen Bauern und Grundbesitzern, Arbeitern und Kapitalisten, Ausgebeuteten und Ausbeutern, Unterdrückten und Unterdrückern. Die Oligarchie hat in den letzten zwei Monaten auf abscheuliche Weise einen Vorteil aus der Krankheit Chávez gezogen und ihre Kampagne der ökonomischen Sabotage, Spekulation und Hortung von Lebensmitteln nochmals verstärkt. Die Regierung hat versprochen, rasch Abhilfe zu schaffen und entsprechende Maßnahmen durchzusetzen. Die einzige richtige Antwort ist die Enteignung der herrschenden Klasse, welche derzeit die Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln, große Teile des Bankenwesens sowie die Schlüsselindustrien Venezuelas kontrolliert. Vizepräsident Nicolás Maduro hat versprochen, das “revolutionäre, anti-imperialistische und sozialistische Erbe“ weiterzuführen. Die Arbeiterklasse und die Basis der PSUV müssen nun sicherstellen, dass dieser Weg weitergegangen wird. Es reicht nicht aus, Reden zu schwingen und Chávez zu preisen, selbst seine erbittertsten Feinde tun dies, jetzt wo er tot ist. Es reicht nicht aus, Reden über Liebe zu halten – eine leere Phrase, die nichts aussagt. Jetzt ist nicht die Zeit für sentimentale Reden, sondern die Zeit, das sozialistische Programm, für das Chávez gestanden ist, in die Praxis umzusetzen: Die Aufhebung des Kapitalismus durch die Enteignung der Banker, Grundbesitzer und Kapitalisten. Das ist das wahre Erbe von Hugo Chávez. Das ist es, wofür wir kämpfen müssen. Es gibt jedoch auch noch ein anderes, von Chávez immer befürwortetes Ziel, welches noch immer in die Tat umgesetzt werden muss, ein Ziel, das er als grundlegend angesehen hat, das aber von der Bürokratie vergessen und begraben wurde: Der Aufbau einer revolutionären sozialistischen Internationale. Auf dem Kongress der PSUV hat Chávez im Juni 2010 die dringende Notwendigkeit einer Fünften Internationale verkündet. Das war mehr als nur eine Idee. Er widmete diesem Thema einen prominenten Platz in seinen Reden, da er diesen Schritt als essenziell betrachtete. Und er hatte damit völlig recht. Er starb, bevor er diese Idee in die Praxis umsetzen konnte. Von Beginn an stieß er diesbezüglich auf Ablehnung von Seiten des rechten Flügels der Bolivarischen Bewegung. Diese Idee war ein Dorn im Auge der StalinistInnen und ReformistInnen, die Chávez Enthusiasmus für den Sozialismus nie geteilt hatten und alles in ihrer Macht Stehende taten, um seine Pläne zu sabotieren, einschließlich dem Projekt zum Aufbau einer revolutionären Internationale. Die Internationale Marxistische Tendenz (IMT) wird den Kampf für eine solche revolutionäre Internationale der ArbeiterInnen weiterführen. Wir rufen alle, die die Worte des Präsidenten ernst nehmen, dazu auf, uns bei dieser großen historischen Aufgabe zu unterstützen. Der Sozialismus muss international sein, oder er wird gar nicht sein. Die IMT bekundet ihr tiefes Mitgefühl mit den Menschen in Venezuela. Der Kampf für den Sozialismus hat einen großen Fürsprecher verloren. Der menschliche Körper ist zerbrechlich, es ist einfach, ihn mit einer Kugel oder einer Krankheit zu zerstören. Alle Menschen werden geboren, um irgendwann zu sterben. Aber es gibt keine einzige Kraft auf der Welt, die eine Idee, deren Zeit gekommen ist, zerstören kann.Hugo Chávez selbst ist nicht mehr unter uns, aber seine Ideen leben weiter. Wir verpflichten uns dazu, alles zu tun, um den Kampf für den Sozialismus in Venezuela und auf der ganzen Welt voranzutreiben. Das ist der einzige Weg vorwärts; der einzige Weg, um dem Andenken an Hugo Chávez gerecht zu werden.
IMT, 6. März 2013 |