Die Bürgerlichen betrachteten Donald Trump als Bedrohung, weil er unberechenbar ist und seine Anti-Establishment-Rethorik ihn für Teile der Arbeiterklasse attraktiv gemacht hat. Diese Rhetorik hat gefährliche Illusionen geschürt und Millionen von Menschen, die gegen den Status Quo sind, angesprochen. Das war die Grundlage für seinen Erfolg, der trotzdem nicht überbewertet werden sollte.
Bei großer Wahlenthaltung stimmten nur knapp 25% der Wahlberechtigten für ihn, Clinton bekam insgesamt 2 Mio Stimmen mehr als er. Dass sie trotzdem die Wahl verlor, lag am undemokratischen amerikanischen Wahlsystem – außerdem hatte Clinton viele Jugendliche und Angehörige von Minderheiten nicht ansprechen können, die der Wahl fern geblieben sind. Trumps Unberechenbarkeit manifestiert sich auch darin, dass er sich nicht einfach unter Kontrolle bringen lässt und stur an seinem eigenen Team arbeitet, dass aus Leuten besteht, die er nicht nach Kompetenz, Nützlichkeit oder politischen Überlegungen, sondern nach persönlicher Loyalität auswählt. Das tut er entgegen aller Bestrebungen des Establishments. Selbst Bernie Sanders, der linke Hauptkonkurrent Clintons bei den demokratischen Vorwahlen, wäre bereit, mit Trump zusammenzuarbeiten, wenn dieser „wirklich mit seiner Politik das Leben der arbeitenden Familien in diesem Land verbessern will (…)“. Doch nicht nur in den USA selbst war der Wahlerfolg von Trump ein politisches Erdbeben. Auch im Rest der Welt gab es ähnliche Reaktionen seitens des Establishments.
Während normalerweise jeder US-Präsident sofort beglückwünscht wird, gratulierten anfangs nur Marine Le Pen und Vladimir Putin, und das deutsche Außenministerium sprach sogar davon, dass das Ergebnis weder das von der Bevölkerung noch von der Regierung gewünschte war. Putin selbst wird das Ergebnis und die daraus folgende Verwirrung und Unruhe nutzen, um seine Position international und insbesondere in Syrien zu verbessern. Mit Trumps Wahl wurde es auch wahrscheinlicher, dass sich die USA und Russland auf einen Deal für Syrien verständigen können. Dieser könnte umfassen, dass Russland freie Hand in Syrien und der Ukraine bekommt, während sich die USA auf ihre bisherigen Einflusszonen konzentrieren könnten: Das umfasst vor allem Lateinamerika und wird die Situation insbesondere für die linken Regierungen in Venezuela und Kuba verschärfen. Abseits dessen hat der Wahlsieg von Trump auch Implikationen für die NATO und damit seine Alliierten in Osteuropa wie den baltischen Staaten und Polen. Sein Isolationismus wird aller Voraussicht nach dazu führen, dass die Verbündeten in Europa vermehrt in die Pflicht genommen werden. Wenn Trump davon spricht, dass Europa, Japan und Südkorea ihren Teil dazu beitragen sollen, dann heißt das, dass diese Nationen ihre Militärausgaben erhöhen werden, was nur über Kürzungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich gehen wird. So drückt sich die „America First“ Politik von Trump in Geld aus.
Schließlich wird eine Folge der NATO Politik auch sein, dass Trump die Sanktionen gegenüber dem Kreml aufhebt oder zumindest zurückschraubt. Damit einhergehend stehen auch die „besonderen Beziehungen“ zwischen Großbritannien und den USA zur Disposition. Mit dem Brexit und damit dem Ausstieg aus dem gemeinsamen Markt hofften die Herrschenden in Großbritannien auf günstige Wirtschaftsverträge mit den USA. Mit Trump als Präsident wird das nicht passieren und seine öffentliche Missachtung der britischen Regierung ist ein Zeichen dafür, aus welcher Richtung der Wind weht. Doch was bedeutet Trump für die Wirtschafts- und Innenpolitik der USA?
Die Märkte haben mit einem Fallen der Kurse ihre Antwort auf den Präsidenten in spe eine unverzügliche Antwort gegeben. Dabei stellen die wirtschaftspolitischen Überlegungen von Trump keine Neuigkeit dar. Er vertritt eine konfuse Mischung aus keynesianischen Ideen der Staatsausgabenerhöhung und aus monetaristischen Überzeugungen von Steuerkürzungen. Diese haarsträubende Kombination aus Infrastrukturausbau und Steuergeschenken für die Reichen würde laut einigen Schätzungen zu einer Steigerung der Verschuldung um 25% bis 2026 führen. Am Ende dieses Rezeptes hätte man eine weitere Krisensuppe gekocht, die es auszulöffeln gilt. Der Kerninhalt seines Programms ist Protektionismus. Tatsächlich meint es Trump mit seinem Isolationismus ernst, der in den USA noch immer eine gewisse Tradition hat. Wenn er sagt „Make America great again“, dann meint er damit: auf Kosten der restlichen Welt. Dieser Protektionismus in die Tat umgesetzt würde eine ernsthafte Gefahr für das kapitalistische Weltwirtschaftssystem darstellen und könnte in einer Depression weltweit enden.
Die Depression der 1930er Jahre wurde mitbedingt durch die protektionistische Politik, die vorherrschte. Gerade Abkommen wie TTIP und auch das „North American Free Trade Agreement“ (NAFTA) geraten dadurch ins Wanken. Ein möglicher Protektionismus würde Staaten wie Mexiko, Japan und Brasilien schwer treffen. Am meisten wäre jedoch China betroffen. Trumps Plan, Strafzölle gegen China zu richten, könnte in einem gegenseitigen Hochschaukeln zu einem offenen Handelskrieg auswachsen. So oder so werden zusätzliche protektionistische Maßnahmen den Welthandel weiter schwächen und die Widersprüche des Kapitalismus zuspitzen und auch Europa schwer treffen. Geschätzt 14% der Eurozonen-Exporte gehen in die USA, was zwar weniger als die Exporte Chinas in die USA ist, aber die Exporte nach Amerika sind für 40% des jüngsten Wirtschaftswachstum der Eurozone verantwortlich.
Angesichts seiner rassistischen und sexistischen Aussagen wird teilweise von einer drohenden Gefahr des Faschismus gesprochen, jetzt da Trump Präsident ist. Das ist grundfalsch. Hitler und Mussolini haben alle Organisationen der Arbeiterklasse, angefangen bei den sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien und Gewerkschaften, bis hin zu Gesangs-, Sport und Schach-Vereinen verboten. Hunderttausende wurden aus politischen Gründen verhaftet und schließlich umgebracht. Unter faschistischer Herrschaft kam es zur vollständigen Zerschlagung und Atomisierung der Arbeiterbewegung. Diese Politik wurde getragen und eingesetzt von einer reaktionären kleinbürgerlichen Massenbewegung. Trump hat weder das Ziel, noch die Möglichkeiten eine faschistische Diktatur zu errichten. Es ist klar: er ist Rechtspopulist, ein Reaktionär, bigotter Frauenfeind und Feind der Arbeiterbewegung, aber er hat seine Basis in der bürgerlichen Demokratie. Er hat weder vor, „den Sumpf in Washington“ trocken zu legen, geschweige denn das System umzuwälzen. Vielmehr ist das Ziel seine eigene Selbstbereicherung.
Die wahre Bedeutung der aktuellen Entwicklung ist die unaufhaltbare Auflösung der politischen Stabilität, der auch Trump zum Opfer fallen wird. Jahrzehntelang dominierten Demokraten und Republikaner die Politik, doch diese Ära geht nun ihrem Ende zu. Die Regierung Trump steht auf ebenso tönernen Füßen wie der Kapitalismus selbst. Donald Trump hat viel versprochen. Mit einem republikanischen Senat und Repräsentantenhaus wird er gezwungen, bald zu liefern. Doch das ist ihm nicht möglich. Schon bald wird er seine Wähler enttäuschen und die Wut, die er genutzt hat um Präsident zu werden wird sich dann gegen ihn selbst und das System richten.
Die fortgeschrittensten Teile der US-amerikanischen Gesellschaft gehen schon jetzt in großen Demonstrationen gegen Trump auf die Straße. Die Bewegung rund um Bernie Sanders hat gezeigt, dass auch der Sozialismus in den USA von einem Unwort zu einer konkreten Perspektive für Millionen hauptsächlich junger Menschen geworden ist und eine Alternative darstellt. All diese Entwicklungen legen den Grundstein dafür, dass früher oder später eine revolutionäre Bewegung entstehen wird, die die Basis für eine sozialistische Umwälzung der Gesellschaft liefert.
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