Kategorie: Amerika |
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Wissen ist Macht - Venezuelas revolutionäres Bildungssystem |
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Privatisierungsbestrebungen und Zugangsbeschränkungen prägen weltweit die Entwicklungen im Bildungsbereich. Schulen und Universitäten sollen der Profitlogik untergeordnet werden. Die bolivarische Revolution zeigt, dass es auch anders geht. | |||
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Die Verbesserungen im Bildungssektor sprechen für sich. Im Jahr 2000 konnten in Venezuela noch 1,5 Mio. Menschen weder schreiben noch lesen. Seither nahmen 1,4 Mio. VenezolanerInnen an den diversen Alphabetisierungskampagnen teil. Im Vergleich dazu ist in ganz Lateinamerika die Zahl der Analphabeten im selben Zeitraum von 38 Mio. auf 43 Mio. gestiegen. Doch blieb es nicht beim Lesen und Schreiben. 1,2 Mio. haben ihren Pflichtschulabschluss nachgeholt, 800.000 den Mittelschulabschluss. Diese Erfolge wurden nicht in den traditionellen Institutionen erzielt, sondern in neu geschaffenen Strukturen – in bolivarischen Schulen. Diese entstanden aus einer Notwendigkeit heraus, denn in den traditionellen Strukturen, in denen die Zöglinge der alten Elite immer noch ihren festen Platz haben, war es nicht möglich, solche Veränderungen herbeizuführen. „Universidad Para Todos“ – Die Universität für alle Seit 2003 gibt es auch bolivarische Universitäten. Mittlerweile sind es vier Unis mit insgesamt ca. 450.000 Studierenden. Studiengebühren wurden abgeschafft und Stipendien in der Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes für alle, die sie benötigen, eingeführt. Doch kamen 2001 von den Erstsemestern immer noch nur 1% aus den ärmsten 42% der Familien. Fast 30% kamen aus den reichsten 18% der Familien. Der Abbau von Zugangsbarrieren zu höherer Bildung kann sich nicht auf die Abschaffung von Studiengebühren und die Einführung von Stipendien beschränken. Die 24 traditionellen öffentlichen Universitäten kannten genügend andere Mechanismen (wie z.B. Aufnahmetests), um Jugendliche aus der Arbeiterklasse und armen Schichten von höherer Bildung fernzuhalten. Sie waren und sind immer noch ein Hort der Ober- u. Mittelschicht. Die bolivarischen Universitäten haben die völlige Beseitigung von Zugangsbarrieren zum Ziel. Das beinhaltet u.a. auch den Kampf gegen Rassismus und Sexismus an den Unis. Auch die Universitätsstruktur spiegelt dieses Ansinnen nach einem freien Hochschulzugang wider. Die Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden ist eine ganz andere. Z.B. wird Drop-out nicht als alleiniges Problem des einzelnen Studierenden verstanden, sondern das Problem wird angegangen, indem man in erster Linie die sozialen Rahmenbedingungen des Studiums verbessert. Die Studierenden leben gemeinsam auf einem Campus, wo Lern- und Freizeitbetreuung sowie auch psychologische und medizinische Betreuung vorhanden sind. Es herrschen also Bedingungen, die auch für Jugendliche aus den Armenvierteln ein erfolgreiches Studieren fördern. Wird hier aber nicht eine neue Schicht von verwöhnten, (staats)hörigen „Speichelleckern“ herangezogen? Lehrinhalte, –methodik und –ziele haben jedenfalls den Anspruch genau das Gegenteil zu bewirken. Studieren für die Gesellschaft und nicht für den Markt Beim bolivarischen Universitätssystem stehen die gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisse im Mittelpunkt und nicht die Bedürfnisse des kapitalistischen Marktes. In der Anfangsphase waren daher Angewandte Sozialforschung, Sozialkommunikation und Umweltmanagement zentral. Der Mangel an ExpertInnen in jenen Bereichen wurde als für die Gesellschaft am schwerwiegendsten betrachtet. Die Studierenden belegen nicht einzelne Studienrichtungen, sondern studieren interdisziplinär z.B. Angewandte Sozialforschung - beinhaltet Soziologie, Sozialpädagogik, Anthropologie, Psychologie. Bei den anderen Studienfächern verhält es sich ähnlich. Die Studierenden arbeiten von Anfang an in außeruniversitären Projekten im Sozial- und Bildungsbereich in den Stadtteilen und Dörfern mit. Die übliche Kluft zwischen Arbeitern, Bauern einerseits und Studierenden andererseits soll damit erst gar nicht aufkommen. Das Vermittelte und Gelernte wird in der Realität überprüft. Somit kommt eine kritische, offene und öffentliche Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten auch wirklich zustande. Das übliche Anhäufen von universitärem (Un)„Wissen“, das mehr zum Verkennen der gesellschaftlichen Realität als zum Verstehen der Welt, in der wir leben, beiträgt, hat da keinen Platz. Manuel Kaufmann |