Alabama wird jetzt im Senat von einem Demokraten vertreten. Dieses Ergebnis wäre vor einem Jahr völlig unmöglich gewesen und es schien auch Dienstag, als die WählerInnen ihre Stimmen abgaben, kaum vorstellbar.
Es gibt keinen Zweifel, dass das Wahlergebnis zum größten Teil Folge der mangelnden Charaktereigenschaften des Kandidaten Roy Moore ist. Der Wahlkampf war mit dem Geruch moralischer Korruption behaftet und wurde durch die Heuchelei eines Kreuzritters der extremen religiösen Rechten verschärft, dessen nie enden wollenden Predigten zum Thema Moral („Amerika kann nur gerettet werden, wenn es zu den Worten Gottes, die in der Bibel offenbart wurden, zurückkehrt.“) mit dem wenig erbaulichen Spektakel eines Mannes, der Jagd auf junge Mädchen machte, im Widerspruch standen.
Neben seiner Schwäche für Teenagerinnen glaubt dieser wiedergeborene Christ, dass homosexuelle Aktivitäten verboten werden sollten, weil sie im Widerspruch zur Bibel stehen. Er lehnt Abtreibungen ab und behauptet, kein Muslim könne je Präsident der Vereinigten Staaten oder in den Kongress gewählt werden, weil das seiner Meinung nach gegen US-Gesetze verstoße. Er war natürlich von Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, begeistert. Aber selbst viele Republikaner fanden seine Phantastereien befremdlich. Im Endeffekt war seine widerliche Heuchelei selbst für die konservative Bevölkerung zu viel des Guten.
Obwohl Moore sich bisher geweigert hat, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen, er erklärte trotzig: „Es ist noch nicht vorbei!“, war das aber eher ein Ausdruck der Verzweiflung als eine nüchterne Beurteilung der Lage. Jones gewann mit 49,9% der Stimmen, Moore erhielt 48,4%. Alle Stimmbezirke im Bundesstaat sind ausgezählt worden. Der Wahlsieger hat einen Vorsprung von mehr als 0,5%, so dass eine Neuauszählung nicht nötig ist.
Trotz Moores Spiegelfechterei und Wutgetöse gratulierte Präsident Trump Jones per Twitter, kurz nachdem die Medien diesen zum Sieger erklärt hatten. Er fügte hinzu, dass “die Republikaner innerhalb kürzester Zeit einen neuen Anlauf auf den Sitz starten werden“. Aber Neuwahlen für den Sitz im Senat werden erst im November 2020 stattfinden. In der Zwischenzeit kann noch sehr viel geschehen.
Es stellt sich jetzt die wichtige Frage: Inwieweit wurde dieses Ergebnis durch die Skandale, die sich wie ein übel riechender Whirlpool um den republikanischen Kandidaten rankten, verursacht wurden und inwieweit es der Anfang einer Reaktion auf Trumps Präsidentschaft war?
Obwohl die besonderen Faktoren, die Roy Moore angehen, eine große Rolle gespielt haben, war das Ergebnis auch ein Schlag ins Gesicht von Donald Trump, der Moore selbst dann noch enthusiastisch unterstütze, als es andere Parteiführer bereits vorgezogen hatten zu schweigen. Aber der Präsident ist nicht für sein diplomatisches Geschick bekannt und tut sich extrem schwer damit, zu schweigen, wenn es nötig wäre.
Die Auswirkungen dieses unerwarteten Sieges können für die Demokraten weitreichend sein. Der Verlust eines sicheren republikanischen Territoriums ist ein harter Schlag für den Präsidenten. Er verkleinert die Mehrheit der Republikaner im Senat auf einen hauchdünnen Vorsprung von 51 zu 49. Nachdem sie im November bei den Gouverneurswahlen in Virginia und New Jersey erfolgreich waren, hoffen die Demokraten zweifellos, dass diese Ergebnisse eine Anti-Trump-Stimmung signalisieren, die es ihnen ermöglichen könnten, die Kontrolle über den Kongress bei den so genannten Midterm Elections (Halbzeitwahlen) 2018 zu gewinnen.
Das kann sein, muss aber nicht. Es ist noch zu früh das abzuschätzen. Aber welche Haltung sollten wir MarxistInnen zu diesen Vorgängen einnehmen? Die Niederlage eines erzreaktionären Halunken ist offensichtlich ein Grund zur Freude. Es gibt noch einen weiteren Grund zu jubeln, weil das Ergebnis dazu beigetragen hat, die widerliche Heuchelei der religiösen Rechten in den USA zu entlarven. Dass dies in einem Bundesstaat wie Alabama geschehen konnte, steigert das Hochgefühl, mit dem wir das Debakel der Republikaner betrachten. Es ist ein weiteres Symptom für die grundlegenden Veränderungen, die sich in der amerikanischen Gesellschaft und Politik abspielen.
Andererseits werden unsere Jubelsprünge gedämpft durch die Tatsache, dass die Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten nicht so groß sind, wie sich das viele Menschen vorstellen. Das wurde vom siegreichen Kandidaten der Republikaner, Doug Jones, bestätigt, der direkt nach seinem Wahlsieg, erklärte, er wolle „eine gemeinsame Basis“ mit anderen Politikern in Washington (d. h. mit den Republikanern“) finden: „Ich habe immer geglaubt, dass die Menschen in Alabama mehr Gemeinsames als Trennendes haben“, erklärte er seinen Anhängern bei seiner Siegesfeier in der Stadt Birmingham.
Wir sind auch der Meinung, dass Republikaner und Demokraten mehr gemeinsam haben als sie trennt. Die Tatsache, dass ein kapitalistischer Politiker einen anderen kapitalistischen Politiker im Senat ersetzt, ist für die Menschen in den USA keine große Sache. Eine Ernüchterung wird auf die Euphorie folgen, wie die Nacht auf den Tag folgt. Und es wird in den USA keine großen Veränderungen geben, wenn nicht oder bis der monotone Kreislauf von Republikanern und Demokraten ein für alle Mal durchbrochen wird.
Weg mit Trump! Brecht mit den Demokraten! Für einen unabhängigen sozialistischen Kandidaten, der für ein sozialistisches Programm steht!
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