Kategorie: Asien

Palästina – Über den Ursprung der Hamas und ihre heutige Rolle

Die Hamas ist nach ihren jüngsten Wahlerfolgen einmal mehr ins Zentrum der internationalen Politik gerückt. Der folgende Artikel der Internationalen Marxistischen Tendenz (www.marxist.com) aus dem August 2003 beleuchtet die Geschichte dieser radikalislamischen Bewegung. Er erinnert daran, dass in der Vergangenheit die israelischen Behörden versuchten, die Hamas als Gegengewicht zur PLO zu benutzen. Heute ist sie die Quelle neuer Instabilität.

 


Die Stärke der islamischen Bewegungen im Nahen Osten wurde uns spätestens seit der iranischen Revolution von 1978-79 klar. Der islamische Fundamentalismus ist in 70 Ländern aktiv und ist im Iran, im Sudan, in Ägypten, Algerien, Tadschikistan, Afghanistan, der besetzten West Bank und in Gaza, in Palästina und auch in der Türkei, wo eine islamische Partei die Macht übernommen hat, vertreten. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Annahme, dass diese Bewegung in den späten 1970ern entstand, kämpft der Marxismus mit diesem Phänomen bereits seit der Russischen Revolution.

Im Nahen Osten wurde diese Bewegung im Ägypten des Jahres 1928 geboren. Ihr Gründer war Hassan Bana. Lange Jahre begrenzte die Russische Revolution ihren Einfluss, weil sie den Massen eine klare Alternative anbieten konnte. Selbst die Ausdehnung des Stalinismus nach dem Zweiten Weltkrieg hinderte ihre Ausweitung, weil er noch immer die Produktivkräfte entwickeln konnte – trotz aller furchtbaren bürokratischen Deformationen.

Der Aufstieg der islamischen Bewegungen war ein enormer Schock für jene Liberalen und Vertreter der links orientierten Mittelklasse, die an die so genannte „Modernisierung“ glaubten. Nach dieser Theorie würde der Sieg der anti-kolonialen Bewegungen der 1950er und 1960er Jahre unweigerlich zu fortschrittlicheren Gesellschaftssystemen führen.

Stattdessen mussten sie das Wachstum von Kräften erleben, welche rückwärts gerichtet eine barbarische Vergangenheit idealisiert, eine Gesellschaft, die Frauen zum Tragen der Burka verpflichtet, mit Gewalt und Terror gegen jede Form von freie Meinungsäußerung auftritt und ihre GegnerInnen mit den barbarischsten Unterdrückungsmaßnahmen bedroht.

Sie wollen nicht verstehen, dass diese Bewegung das Ergebnis einerseits der Krise des Stalinismus ist, welche zum Zusammenbruch der UdSSR geführt hat, und andererseits der Kapitulation der säkularen lokalen Bourgeoisie in der unterentwickelten so genannten „Dritten Welt“.

In den 1950er und 1960er Jahren inspirierten die Kämpfe gegen Kolonialismus und Imperialismus eine Schicht der Mittelklasse in den unterentwickelten ex-kolonialen Ländern. Diese Schicht unterstützte die Forderung nach Verstaatlichung von einigen Bereichen der Wirtschaft als eine Maßnahme zum Schutz gegen imperialistische Einflussnahme. Diese säkularen linken (bzw. links-nationalistischen) Strömungen wurden als eine echte Alternative zum Elend der Massen wahrgenommen. Gleichzeitig übten sie bis zu einem gewissen Grad auch eine Kontrolle über die Massen aus.

In den späten 1970ern und 1980ern, als sich der Zusammenbruch der Sowjetunion aufgrund der bürokratischen Erwürgung der Produktivkräfte abzeichnete, begann sich die Stimmung der Massen zu verändern und schlug schließlich in Perspektivlosigkeit um. Dieses Gefühl der Verzweiflung war es nun, das die Grundlage für den neuerlichen Aufstieg der islamistischen Bewegung bildete.

Der wahre Charakter des islamischen Fundamentalismus

Generell gibt es in der Linken ein unzureichendes Verständnis über den wahren Charakter des islamischen Fundamentalismus. Folglich beobachten wir zwei gegensätzliche Reaktionen auf das Wachsen der fundamentalistischen Kräfte.

Die einen sehen den islamischen Fundamentalismus als eine Form des Faschismus. Eine derartige Betrachtungsweise führt einige Linke zu einer Bündnispolitik, welche die Faschisten um jeden Preis aufhalten sollen. Solche Allianzen unterstützen dann folglich auch den Imperialismus und kapitalistische Staaten. Ein gutes Beispiel hierfür ist Algerien, wo diese Liberalen und linken Sekten, die FLN (Nationale Befreiungsfront) und die algerische Armee gegen die islamistische FIS unterstützten. Gleichzeitig führte die FLN die politischen Vorgaben des Internationalen Währungsfonds aus.

Die gegenteilige Herangehensweise sieht die islamistischen Bewegungen als „fortschrittliche“, „anti-imperialistische“ Bewegungen der unterdrückten Massen. Der Großteil der iranischen Linken vertrat diese Position in der ersten Phase der Revolution von 1979. Die iranische Kommunistische Partei, die Mehrheit der Fedajin-Guerilla und die linken islamischen Volksmujahedin bezeichneten alle Kräfte hinter Khomeini als „fortschrittliches Kleinbürgertum“. Sie alle unterstützten die Mullahs - bis deren Programm nichts weniger bedeutete als „Allah u Akbar“ (Gott ist groß). Als die Mullahs dann an die Macht kamen, mussten diese Linken für ihre Illusionen einen blutigen Preis zahlen.

Der Islam entstand im siebten Jahrhundert. Heute aber existiert er nur deswegen, weil er nicht mehr die Ideologie der Handel betreibenden Stämme ist, welche ihn begründeten. Heute existiert er, weil er von den Großgrundbesitzern und Industriellen des modernen Kapitalismus die finanziellen Mittel zum Bau seiner Moscheen und zur Beschäftigung seiner Prediger erhält. Es handelt sich hier um eine vom Kapitalismus gestützte Bewegung, welche es aber geschafft hat, den Zuspruch der armen Massen zu erlangen. Das wurde erreicht, indem man einerseits den Armen und Unterdrückten Trost spendet, andererseits aber gleichzeitig die Ausbeuterklassen vor der Wut der ArbeiterInnen schützt. Daher handelt es sich hierbei um ein Hindernis auf dem Weg zur sozialistischen Revolution.

In den Ländern, welche nie einen „Sozialstaat“ hatten, welcher einen gewissen sozialen Frieden garantiert, stützen sich die Fundamentalisten auf die Lehren des Islam, welche fordern, dass die Reichen 2,5% islamische Steuer (die Zdaka) zahlen müssen, dass die Herrschenden gerecht regieren und dass Männer nicht ihre Ehefrauen misshandeln sollen. Während die geistliche Hierarchie diese Seite den Armen präsentiert, bewerten sie auf der anderen Seite eine Enteignung der Reichen durch die Armen als Diebstahl sowie Ungehorsam gegen eine „gerechte“ Regierung als Verbrechen, welches mit Verstümmelung oder Tod geahndet wird. Sie bietet den Frauen weniger Rechte als ihren Männern in der Ehe, im Erbrecht oder im Sorgerecht für die Kinder im Falle einer Scheidung.

An einigen Schauplätzen, die vom Imperialismus besetzt sind, wie Palästina oder dem Irak, greift der Fundamentalismus den Staat und Teile der imperialistischen Vorherrschaft an. Beispielsweise besetzten in der Vergangenheit die iranischen Fundamentalisten die US-Botschaft. Die Hisbollah im Südlibanon und die Hamas in der West Bank und im Gazastreifen spielen eine Schlüsselrolle im bewaffneten Kampf gegen Israel.

Folglich sind die islamistischen Bewegungen gleichermaßen weder „faschistisch“ noch „antiimperialistisch“ oder einfach „anti-staatlich“. Sie bekämpfen nicht den Kapitalismus, welche die Masse ausbeutet und unterdrückt. Ihr Kampf richtet sich gegen säkulare Strömungen, gegen Frauen, welche die islamischen Vorschriften nicht befolgen, gegen die Linke und ethnische oder religiöse Minderheiten. Die algerischen islamischen Fundamentalisten etablierten ihre Kontrolle über die Universitäten mittels Strafaktionen gegen die Linke. In ihren städtischen Hochburgen organisierten sie Übergriffe gegen Frauen, die es wagten einen kleinen Teil ihres Körpers zu zeigen oder gegen Berber, welche nicht arabisch sprechen. Darüber hinaus organisieren sie in Ägypten Pogrome gegen koptische Christen.

Sie bekämpfen nicht den Imperialismus, das weltumspannende kapitalistische System, sondern eher seine kulturellen Ausdrücke. Sie wollen, dass das weltweite Bankensystem weiter funktioniert, sie fordern aber, dass nur die arabische Sprache benutzt wird, und sie wollen die Angestellten zwingen, Suren aus dem Koran zu rezitieren.

Der Fundamentalismus ist weder eine faschistische, noch eine revolutionäre, sondern eine populistische Bewegung. Eine kürzlich erschienene Studie über den iranischen „Khomeinismus“ von Abrahamian (E. Abrahamian, Khomeinism) vergleicht ihn mit dem Peronismus und ähnlichen Formen des Populismus.

„Khomeini nahm sich radikaler Themen an… Manchmal hörte er sich radikaler an als die Marxisten. Aber während er radikale Themen ansprach, blieb er der Bewahrung des Eigentums der Mittelklasse standhaft verpflichtet. Diese Form des Mittelklassen-Radikalismus machte ihn ähnlich den lateinamerikanischen Populisten, speziell den Peronisten.“

Und Abrahamian führt weiter aus: „Mit ‚Populismus’ meine ich eine Bewegung der begüterten Mittelklasse, welche die Unterschichten mobilisiert, besonders die städtischen Armen, mittels einer radikalen, gegen den Imperialismus, den ausländischen Kapitalismus und das politische Establishment gerichteten Rhetorik… Populistische Bewegungen versprechen eine dramatische Erhöhung des Lebensstandards und die Unabhängigkeit des Landes gegenüber ausländischen Mächten. Mehr noch: Sie verurteilen den Status Quo mit starken Worten, enthalten sich aber bewusst einer Kritik am Kleinbürgertum und den Prinzipien des Privateigentums. Folglich ist es unausweichlich, dass populistische Bewegungen die Notwendigkeit der kulturellen, nationalen und politischen Erneuerung hervorheben, nicht die der wirtschaftlichen, sozialen Revolution.“ (S. 17)

Mit anderen Worten: Es ist eine kleinbürgerliche Bewegung hinter einer religiösen Maske, in ihrer Klassenzusammensetzung unterscheidet sie sich nicht von den Bewegungen, welche vorher den bürgerlichen Nationalismus unterstützen.

Das Kleinbürgertum als Klasse kann aus sich heraus keine unabhängige Politik entwickeln. Dies war immer die Wahrheit für das traditionelle Kleinbürgertum – die kleinen Geschäftsbesitzer, die Händler und die selbständigen Freiberufler. Sie haben immer entweder dem Kapital gedient oder aber in bestimmten Fällen sich mit der Arbeiterklasse verbündet. In den Ländern, in denen diese Klasse eine Revolution anführte (entweder dem Modell der Sowjetunion oder dem Chinas folgend), war das Beste was daraus entstand, ein Staat, den wir als proletarischen Bonapartismus bezeichnen – ein schrecklich deformierter Arbeiterstaat, mit einer privilegierten bürokratischen Elite an der Spitze. Das waren keine echten sozialistischen Regime. In welche Richtung das Kleinbürgertum tendiert, hängt vom Kräfteverhältnis zwischen Arbeiterklasse und Kapital ab, und auch von der Qualität der Führung der Arbeiterklasse.

Das Scheitern von Stalinismus und Nationalismus hat dieselben Schichten von Studierenden und radikalisierten Mittelschichten, welche sich einst nach links orientierten, in die Arme der Fundamentalisten getrieben. Die Unterstützung für fundamentalistische Bewegungen wurde stärker, da diese unmittelbare und radikale Veränderungen versprachen.

Mit der wachsenden Militanz der Arbeiterklasse hat die Linke heute die historische Chance, wieder zu wachsen und die Hegemonie der Fundamentalisten herauszufordern. Beispielsweise im Irak, wo wir die Ausbreitung eines antikolonialen revolutionären Kampf gegen die imperialistische Besetzung beobachten können - aber dieser wird jetzt von den Fundamentalisten angeführt. Dies ist eine Chance für die irakische Kommunistische Partei, um die Führung der Bewegung zu kämpfen. Stattdessen ist sie in die Marionettenregierung, welche von den US-amerikanerischen Besatzern ernannt wurde, eingetreten. Es scheint, als wolle sie gewährleisten, dass die Führung der Bewegung weiter in den Händen der Fundamentalisten bleibt. Eine revolutionäre Opposition in der Kommunistischen Partei und der irakischen kommunistischen Bewegung als Ganzes, welche fähig ist eine klare Alternative aufzuzeigen, ist notwendig, um die gegenwärtige rechte Parteiführung herauszufordern.

Die Moslembruderschaft

Die Moslembruderschaft wurde in Ägypten gegründet und breitete sich in den 1930ern und 1940ern rasant aus. Ihr gelang es, die desillusionierten Schichten anzusprechen, die sich von der kompromisslerischen Haltung der bürgerlich-nationalistischen Wafd-Partei gegenüber den Briten einerseits, und der Politik der Klassenzusammenarbeit der stalinistischen Führer andererseits abwandten. Im Speziellen wurde dies von der kommunistischen Linken, die unter Stalins Einfluss stand, begünstig. Sie ging so weit, die Teilung des Landes und die Gründung des Staates Israel zu unterstützen. Indem sie Freiwillige für den Kampf in Palästina und gegen die britische Besatzung der ägyptischen Suezkanalzone rekrutierte, konnte sich die Bruderschaft als Unterstützerin des anti-imperialistischen Kampfes darstellen.

Aber just als die Bruderschaft zu einer Massenbewegung heranwuchs, begann sie auseinander zufallen. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Wie alle populistischen Bewegungen hatte sie die breite Unterstützung der kleinbürgerlichen Jugend, während ihre Spitze mit dem Palast und dem rechten Flügel der Wafd in Verbindung stand, ebenso wie mit Armeeoffizieren, die selbst in verschiedene Richtungen drängten, je nachdem, was die Kreise und sozialen Gruppen, auf die sie sich stützten, von ihnen erwarteten. So waren die unteren Ränge der Armee eher auf der Seite der kleinbürgerlichen Massenbewegung, während die oberen Ränge der Wafd nahe standen.

Die Machtübernahme des Militärs unter General Nagib und später Nasser im Jahre 1952-54 führte zu einem tiefen Riss zwischen denjenigen, die den Putsch unterstützten, und jenen, die ihn ablehnten. Letztlich endete es damit, dass rivalisierende Gruppen innerhalb der Bruderschaft sich gegenseitig gewaltsam bekämpften, um an die Kontrolle der Staatsämter zu gelangen. Der Vertrauensverlust in die Führung ermöglichte es Nasser schließlich diese Organisation, die einmal so einflussreich gewesen war, zu unterdrücken.

Die Imperialisten änderten ihre Taktik ihrer Propaganda, wann immer es ihnen passte. Die anti-kommunistische Hysterie, die bis dahin die US-amerikanischen Massenmedien dominiert hatte, wandelte sich zu einer anti-islamischen Propaganda. Und dies spiegelte sich auch in einer Schicht von kleinbürgerlichen Linken wider, die sehr ähnliche Schlussfolgerungen zogen. Die islamischen Fundamentalisten wurden, wie die Stalinisten vor ihnen, als die gefährlichste aller politischen Kräfte angesehen – eine Kraft, die fähig sein würde, durch ihren Totalitarismus jede weitere friedliche, fortschrittliche Entwicklung aufzuhalten. Die logische Folge daraus war für sie, sich mit dem „liberalen“ Flügel der Bourgeoisie zu vereinen, um die Fundamentalisten aufzuhalten – was so weit ging, selbst offen diktatorische Regimes zu unterstützen, wenn diese gegen islamische Gruppierungen vorgingen.

Die iranische Revolution

Die iranische Revolution war nicht ein Produkt des islamischen Fundamentalismus, sondern das Ergebnis von Widersprüchen innerhalb des Schah-Regimes Mitte bis Ende der 1970er Jahre. Die Wirtschaftskrise hatte die Spannungen vertieft zwischen den Schichten der moderneren Bourgeoisie (die mit dem Finanzkapital verbunden waren) und der Klasse der Händler, die sich um den Basar organisierte und zwei Drittel des Großhandels sowie drei Viertel des Einzelhandels beherrschte. Gleichzeitig gab es eine große Zahl von Arbeiter und ehemaligen Bauern, die in die Städte strömte. Unter diesen Bedingungen breiteten sich die Proteste der Intellektuellen und Studierenden aus – an welchen sich auch die unzufriedene Geistlichkeit beteiligte. Die städtische Armut war in eine Reihe von schweren Zusammenstößen mit der Polizei und der Armee verwickelt. Eine Welle von Streiks legte die Industrie lahm und brachte auch die überaus wichtige Produktion auf den Ölfeldern zum Stillstand. Und dann, Anfang Februar 1979, gelang es den linksgerichteten Guerillas der Fedajin und den links-islamischen Guerillas der Mudschahedin große Meutereien in der Armee auszulösen, welche schließlich zum Fall des alten Regimes führten. Die Tragik der ganzen Situation bestand darin, dass die Linke Ayatollah Khomeini als „fortschrittlichen“ Führer unterstützte. Weil es keine revolutionäre Führung der Arbeiterklasse gab, gelang es der islamischen Geistlichkeit die Macht zu übernehmen und die Massenbewegung von ihrer Hauptaufgabe, dem Sturz des Kapitalismus, abzulenken und sich an den Aufbau ihres eigenen reaktionären Regimes zu machen.

Das Ergebnis war ein totalitäres Regime, das dem Stalinismus in Osteuropa nicht unähnlich war – mit dem wichtigen Unterschied, dass der Iran ein kapitalistischer Staat blieb. Heute ist das Regime eindeutig in der Krise und hat seine Unterstützung innerhalb der Massen längst aufgebraucht. Die Schlüsselfrage ist heute die unabhängige Positionierung der Arbeiterklasse – mit einer Führung, die aus den Lektionen der Vergangenheit gelernt hat.

Israels Unterstützung für die Hamas in der Vergangenheit

Heute wird die Opposition gegen die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete hauptsächlich durch die islamische Bewegung, bekannt als Hamas, organisiert. Einerseits hängt für Marxisten die Unterstützung eines nationalen Freiheitskampfs nicht davon ab, wer diese Bewegung anführt. Andererseits aber müssen sie dafür kämpfen, die reaktionäre Führung nicht durch die gescheiterte PLO, sondern durch die Führung der Arbeiterklasse zu ersetzen. Das Ziel der Hamas ist es nicht, die Arbeiterklasse, die armen Bauern und die städtische Armut zu befreien, sondern einen einheitlichen islamischen Staat auf dem Gebiet des historischen Palästina zu errichten, das heute auf Israel und die israelisch besetzte West Bank und den Gaza-Streifen aufgeteilt ist. Hamas, arabisch für ‚Hingabe’ oder ‚Inbrunst’, ist die Abkürzung für ‚Harakat al-Muqawama al-Islamiyya’, oder ‚Islamische Widerstandsbewegung’. Die Gruppierung wurde als ein Ableger der Moslembruderschaft von Ägypten gegründet.

Es ist eine wenig bekannte Tatsache – aber sie wird niemanden überraschen, der die Geschichte der Taliban in Afghanistan kennt – dass Israel in vielerlei Hinsicht mit an der Schaffung dieses Monsters beteiligt war, später aber die Kontrolle darüber verloren hat.

Richard Sale, ein Korrespondent von United Press International, schrieb einen interessanten Artikel über den Ursprung der Hamas, in dem er darauf verwies, dass „laut mehreren aktiven und ehemaligen US-GeheimdienstmitarbeiterInnen Tel Aviv von Anfang der 1970er an direkte und indirekte finanzielle Unterstützung der Hamas für einige Jahre zukommen ließ“.

Israel „half der Hamas direkt – die Israelis brauchten sie als eine Art Gegengewicht zur PLO“, sagte Tony Cordesman, Nahost-Experte beim Center for Strategic Studies.

Israels Unterstützung für die Hamas „war ein direkter Versuch den Zulauf zu einer starken, säkularen PLO aufzuhalten, indem man sich auf eine religiöse Alternative stützte“, sagte ein ehemaliger CIA-Agent. Nach Dokumenten von United Press International, die man vom „Institut for Counter Terrorism“ (ICT) bezog, entwickelte sich die Hamas aus Zellen der Moslembruderschaft, die in Ägypten 1928 gegründet worden war. Islamische Bewegungen in Israel und Palästina waren „schwach und inaktiv“ bis nach dem Sechstagekrieg von 1967.

Nach 1967 feierten Hamas und die Moslembruderschaft Erfolge durch ihre Arbeit in den Flüchtlingscamps im Gazastreifen. Der Eckstein der islamischen Bewegung war ihre beeindruckende soziale, religiöse, erzieherische und kulturelle Infrastruktur, genannt Da’wah, die das bittere Los der großen Zahl von palästinensischen Flüchtlinge, die in Camps zusammengepfercht und am Rande der Armut dahin vegetierten, erleichtern half.

„Sozialer Einfluss wuchs sich zu politischem Einfluss aus, zunächst im Gazastreifen, dann in der West Bank“, sagte ein Verwaltungsbeamter, der ungenannt bleiben wollte.

Nach Papieren des ICT wurde die Hamas formal von Scheich Ahmed Yassin, dem spirituellen Führer der Bewegung, als ein islamischer Zusammenschluss mit dem Namen „Al-Mujamma al Islami“ angemeldet. Dadurch verbreiterte man die Gruppe der UnterstützerInnen und SympatisantInnen durch religiöse Propaganda und soziales Engagement.

Laut US-amerikanischen Beamten kamen die Gelder für diese Bewegung von Erdöl produzierenden Staaten und direkt sowie indirekt vom Staate Israel selbst. Die PLO war eine weltliche und linksgerichtete Organisation, die für palästinensischen Nationalismus stand. Hamas dagegen wollte einen transnationalen Staat unter der Herrschaft des Islam, ähnlich Khomeinis Iran errichten.

„Der Gedanke von einigen Leuten des rechten Flügels des israelischen Establishments war, dass die Hamas und die anderen, falls sie die Kontrolle erlangen sollten, sich weigern würden, am Friedensprozess teilzunehmen und jedes Abkommen torpedieren würden“, sagte ein Beamter, der anonym bleiben wollte. „Israel würde weiterhin die einzige Demokratie der Region bleiben, auf die sich die USA würden stützen können.“

Laut dem ehemaligen Beamten des US-Außenministeriums Larry Johnson, der für Terrorabwehr zuständig war, sind „die Israelis ihre eigenen schlimmsten Feinde, was den Kampf gegen den Terrorismus betrifft. Die Israelis sind wie ein Mensch, der sich die Haare anzündet und dann versucht, es mit einem Hammer auszulöschen. Sie tun mehr, um den Terrorismus anzufachen und zu erhalten, als ihn zu bekämpfen.“ (veröffentlicht am 18. Juni 2002)

Die Hamas heute

Heute wird die Gefolgschaft der Hamas auf Zehntausende geschätzt, aber bis zum Jahr 2000 unterstützten weniger als 18 Prozent der Bevölkerung der West Bank und des Gazastreifens ihre politischen Ideen. Nach einem neuerlichen palästinensischen Aufstand, der in diesen Gebieten im September 2000 ausbrach, und nach dem die PLO es versäumt hatte, dieser Bewegung eine Führung zu geben und sich mehr in den Dienst von den USA und Israel stellte, stieg die Unterstützung der Hamas auf mehr als 25 Prozent. Ihre Anziehungskraft ist in den verarmtesten Teilen von Gaza größer als in der West Bank. Zu ihren Führern gehören religiöse Figuren, Scheichs (arabische Stammesoberhäupter), Intellektuelle und Geschäftsleute.

Moscheen und islamische religiöse Organisationen sind die wichtigsten Arbeitsfelder, um ihre Nachricht zu verbreiten. Sie mobilisiert örtliche Unterstützung durch die Organisation eines Sozialsystems für die Bedürftigen. Im September 1993 unterzeichneten Israel und die PLO ein so genanntes Friedensabkommen, das den PalästinenserInnen begrenzte Autonomie im Gazastreifen und in Teilen der West Bank gab. Die Hamas lehnte das Abkommen ab und führte ihre Angriffe auf israelische Siedlungen in der West Bank und im Gazastreifen, ebenso wie im restlichen Israel, fort. Sie boykottierte die Präsidentschaftswahlen im Januar 1996 und die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat – um nicht der Anerkennung Israels durch Arafat und dem weltlichen nationalistischen Lager vertreten durch die PLO, Legitimität zu verleihen. In dem Abkommen verlangten Israel, die USA, der westeuropäische Imperialismus von der neu geschaffenen Palästinenserbehörde unter Jassir Arafat die Unterdrückung der Attacken der Hamas. Arafat versuchte in periodischen Abständen die Terroraktionen der Hamas zu bekämpfen, aber er konnte sie nicht völlig unterdrücken. Die Unterzeichnung dieses Vertrags half – angesichts des Anstiegs der Arbeitslosigkeit unter den PalästinenserInnen und den weiteren Landnahmen durch jüdische SiedlerInnen – den Einfluss der Hamas zu erweitern. Die Hamas nahm am Ausbruch der zweiten Intifada gegen Israel im September 2000 teil. Dieser erneute Aufstand führte zu einem deutlichen Anstieg der Unterstützung für die Sicht der Hamas unter der moslemischen arabischen Bevölkerung.

Während der „Al-Kuds-“Intifada führte die Hamas viele Terroranschläge durch, die unschuldige Israelis töteten und die israelische Öffentlichkeit auf die Seite der Reaktion trieb. Wann immer der (damalige Anm. d. Übers.) israelische Premierminister Ariel Scharon den Klassenkampf in eine nationale Hasskampagne umlenken wollte, ließ er Führer und Aktivisten der Hamas ermorden – worauf die Hamas treu ihrer Rolle durch individuellen Terror Vergeltung übte. Scharon reagierte daraufhin, indem er unmittelbar danach Maßnahmen gegen den „palästinensischen Terror“ versprach und sein Kabinett zusammen holte, um über einen Militärschlag zu beraten. Der wirkliche Sinn hinter dem neuesten Waffenstillstand zwischen Israel und der Palästinenserbehörde ist es, die palästinensische Regierung dafür zu benutzen, einen Bürgerkrieg gegen die Hamas zu beginnen. Es ist klar, dass Abu Mazen nicht dazu in der Lage ist. [Anm. d. Red. von In Defence of Marxism: Nachdem der Artikel geschrieben wurde, musste Abu Mazen zurücktreten, was bestätigt, dass er keine wirkliche Basis hatte.] Dieser Artikel wird zu einer Zeit niedergeschrieben, als alle Anzeichen darauf hindeuteten, dass der Waffenstillstand, die „Hudna“, zusammenbrechen und dies viele weitere Menschenleben auf arabischer und jüdischer Seite fordern würde. Dies alles nur deshalb, damit die USA und die lokalen Herrscher weiter den Nahen Osten unter ihrer Kontrolle haben können.

Der einzige Weg aus diesem blutigen, wahnwitzigen Kreislauf ist der gemeinsame revolutionäre Kampf der arabischen und jüdischen ArbeiterInnen – für eine Arbeiterregierung in Form eines sozialistischen föderativen Staats als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen und Mittleren Ostens. Manche mögen einwenden, dass dies nur ein Traum sei. Aber das sind diejenigen, die uns glauben machen wollen, dass der gegenwärtige Alptraum die einzig mögliche Realität sein kann.

 

Yossi Schwartz, Israel

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