Kategorie: Asien |
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Telekom-Streik in Pakistan: Klassenkampf auf Pakistanisch |
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In Pakistan tobt gegenwärtig ein heftiger Arbeitskampf gegen die Privatisierung der Pakistan Telecommunications Company Ltd. (PTCL, dem pakistanischen Telekomkonzern). Mit einem kompromisslos geführten Streik verhinderte die Belegschaft vorerst die Privatisierungspläne des Militärregimes. Mit brutaler Repression wollen die Militärs den Widerstand der ArbeiterInnen brechen und die Privatisierung durchziehen. | |||
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Die führenden Manager der PTCL dürften am 25. Mai die Welt nicht mehr verstanden haben: In ganz Pakistan besetzten MitarbeiterInnen die Zentralen des Telekomkonzerns, baten ihre Bosse freundlich nach draußen und verschlossen dann von innen die Tore. Dies markierte eine neue Qualität in einem Kampf, der schon jahrelang - einmal mehr, einmal weniger erfolgreich - geführt wird. So gab es z.B. im letzten Jahr bereits einen Streik gegen die Entlassung von 30.000 (!!!) TagelöhnerInnen bei der PTCL. Das Fass zum Überlaufen brachten nun die neuesten Privatisierungspläne der Regierung: Die „Pakistanische Privatisierungskommission" kündigte an, dass die PTCL, die mit einem jährlichen Gewinn von ca. 500 Mio. US-Dollar eines der profitabelsten Unternehmen Pakistans ist, bis zum 10. Juni an private EigentümerInnen verkauft werden solle. Eine gemeinsame Front Die neue Qualität des jüngsten Streiks wird vor allem durch die Zusammenarbeit ALLER neun Gewerkschaften, die in der PTCL aktiv sind, bezeugt. Dies stellt ein historisches Novum im pakistanischen Klassenkampf dar. Anders als in Österreich gibt es dort keine Einheitsgewerkschaft (wie den ÖGB), sondern mehrere Tausend verschiedene gewerkschaftliche Organisationen, die nur im seltensten Falle zusammenarbeiten. In diesem Falle konnte dies auch nur deshalb geschehen, weil die ArbeiterInnen von unten auf die bestehenden Gewerkschaften einen derartigen Druck ausübten, dass diese sich dazu gezwungen fühlten eine Aktionseinheit im Kampf gegen die Privatisierung zu bilden. Das Ergebnis dieser Einheit war ein gemeinsames gewerkschaftsübergreifendes Aktionskomitee, dessen Ziel der sofortige Stopp der Privatisierung sein sollte. Die vergangenen Kämpfe hatten das Bewusstsein der Arbeiterklasse maßgeblich verändert, was sich vor allem in der Beziehung der Basis zu den Gewerkschaftsführer ausdrückte. Die Gewerkschaftsführungen wurden von der Belegschaft offen kritisiert, die vergangenen Arbeitskämpfe jedes Mal durch faule Kompromisse verraten zu haben. Um sich die Unterstützung der Basis zu sichern sahen sich die Arbeiterführer nun dazu gezwungen, einen Schwur abzulegen, den Kampf diesmal kompromisslos zu führen. Klassenkampf konkret Der 25. Mai sollte an sich nur der Beginn einer Reihe an Streiks sein. Das Gewerkschaftskomitee rief zu einer zweistündigen Arbeitsniederlegung auf. Über 2.000 ArbeiterInnen versammelten sich vor den Toren der Zentrale der PTCL in Islamabad, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen. Management und Regierung ließen die Tore schließen, es wurde ein massives Polizeiaufgebot aufgezogen. Zur selben Zeit fanden Verhandlungen zwischen dem Gewerkschaftskomitee und der Regierung statt. Als die Menge davon hörte, dass die Verhandlungen ergebnislos beendet wurden, riss den ArbeiterInnen die Geduld und sie stürmten das Hauptquartier, während sie Parolen wie „Nieder mit der Privatisierung!" oder „Für den Kampf gegen die Privatisierung opfern wir auch unser Leben!" skandierten. Als sofortige Konsequenz verlegte die Regierung den Verkaufstermin der PTCL vom 29. Mai auf den 10. Juni, was den ArbeiterInnen natürlich zeigte, dass es sich lohnt zu kämpfen. Bis zum Abend versammelten sich mehr als 8.000 ArbeiterInnen aus ganz Pakistan in den Hallen der nun besetzten Zentrale der PTCL. Es wurde eine Bühne aufgebaut, auf der die Gewerkschaftsführer den Streikenden regelmäßig Bericht erstatten. Nachdem einer von ihnen bei seiner Rede Kompromissbereitschaft in den Verhandlungen signalisierte, wurde er ausgebuht und von den ArbeiterInnen von der Bühne „entfernt". Danach wagte es keiner der Gewerkschaftsführer mehr, das Wort „Kompromiss" in den Mund zu nehmen. Die große Mehrheit der Belegschaft einigte sich auf ein 27-Punkte-Programm, dessen wichtigster Punkt ein Privatisierungsstopp bei der PTCL darstellte. Und falls die Regierung bis zum 6. Juni den Verkauf des Unternehmens nicht endgültig stoppt, dann würde die Belegschaft ihre volle Macht ausspielen und Pakistan telefonisch vom Rest der Welt abschneiden. Einen wichtigen Beitrag zur Radikalisierung dieses Arbeitskampfes leisten die AktivistInnen der von MarxistInnen geführten PTUDC (Pakistan Trade Union Defence Campaign, Kampagne zur Verteidigung der Pakistanischen Gewerkschaften). Sie waren direkt in den Streik involviert und unterstützten ihn an allen Fronten. Durch ihre Verknüpfung des aktuellen Kampfes mit einer sozialistischen Perspektive waren sie der weitertreibendste Teil in der Bewegung und boten eine kämpferische Alternative zu den reformistischen GewerkschaftsführerInnen. Zuckerbrot und Peitsche Die Antwort der Regierung bestand darin, Truppen vor die Zentrale der PTCL zu schicken, was die Belegschaften jedoch recht wenig beeindruckte. Angesichts der massiven Streikfront gab sich die Regierung kompromissbereit und stimmten den 27 Punkten der Belegschaftsforderungen zu. Jedoch mit einer Ausnahme: Der Forderung nach einem Privatisierungsstopp ohne „wenn und aber“ wollte sie nicht den zustimmen. Somit stimmte man in Wirklichkeit aber KEINEM der Punkte zu. Der Streik wurde fortgesetzt. Der Druck auf die Regierung stieg somit. Mehrere internationale Großkonzerne, die in Pakistan investiert hatten, sind abhängig von einem funktionierenden Telekommunikationssystem und konnten ihren Betrieb nur noch teilweise weiterführen. Die Regierung fragte bei der Armee an, ob nicht deren Kommunikationsabteilung in der Lage sei, die Aufgaben der PTCL zu übernehmen. Die Abteilung allerdings weigerte sich mit dem Argument, dass man nicht das technische Know-how besäße, diese Arbeit zu leisten. Dieselbe Antwort erhielt man von einem internationalen Telekomkonzern, bei dem man ebenfalls anfragte. Auch ein Versuch, die Belegschaft mittels Bestechung zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen, blieb erfolglos. Inzwischen waren aus aller Welt Solidaritätsbotschaften anderer Betriebe eingelangt. Auch und gerade in Pakistan selbst war die Solidarität mit dem Streik unvorstellbar groß. So blieb der Regierung tatsächlich nichts anderes übrig, als schlussendlich allen Forderungen der ArbeiterInnen nachzugeben. Am 4. Juni kam die Nachricht, dass die Privatisierung gestoppt sei. Ein historischer Sieg für die pakistanische Arbeiterklasse. Durch einen über Tage entschlossen geführten Kampf hatten sich die ArbeiterInnen durchgesetzt. Das Militärregime hatte eine schwere Niederlage erlitten. Das Regime schlägt zurück Dass es sich der pakistanische Kapitalismus nicht erlauben kann, auf diese zentrale Privatisierung zu verzichten, war von Anfang an klar. Pakistan steht viel zu sehr unter dem Druck des IWF (Internationaler Währungsfonds) und der Weltbank. Von diesen internationalen Finanzinstitutionen werden dem Land im Interesse der reichen Industriestaaten verschiedenste „Maßnahmen" aufgezwungen, welche die Kapitalverwertungsbedingungen der vor Ort aktiven internationalen Konzerne verbessern sollen. Die Privatisierung der wichtigsten Infrastrukturunternehmen steht im Mittelpunkt dieser Politik. So kam es bereits nach einer Woche zum Gegenschlag durch das Regime. Mehrere Dutzend führende Streikaktivisten wurden vom PTCL-Management einfach entlassen. Die Gerüchte über eine neue Privatisierungsattacke durch die Regierung mehrten sich. Vor diesem Hintergrund gab es in den Gewerkschaften erneut Diskussionen über eine Wiederaufnahme des Streiks. Am Abend des 11. Juni gab es Berichte über einen Zusammenbruch des Telefonnetzes in mehreren Landesteilen. Als Konsequenz stürmte das Militär die Zerntralen der PTCL und nahm über 500 ArbeiterInnen fest. Als Begründung gab man an, dass das Militär inzwischen das Funktionieren des Netzes garantieren solle, auch wenn es mehr als unwahrscheinlich ist, dass die „Experten" der Armee über das nötige Know-how dafür verfügen. Die weitere Perspektive Der Klassenkampf in Pakistan hat jedoch mittlerweile einen Punkt erreicht, dass die Arbeiterschaft auch durch solch massive staatliche Repression nicht mehr zum Stillschweigen gebracht werden kann. Vielmehr hat diese unglaubliche Vorgehensweise der Militärdiktatur dazu beigetragen, die Fronten zwischen dem Regime und der Arbeiterklasse noch weiter zu verhärten. Von einem Ende des Kampfes kann keine Rede sein. In diesem Zusammenhang spielt die marxistische Tendenz „The Struggle“ eine ganz zentrale Rolle. Manzoor Ahmed, der Vorsitzende der PTUDC und Abgeordneter zum pakistanischen Parlament, unterbrach am 13. Juni eine Parlamentssitzung, um den Telekommunikationsminister mit einer Reihe von Fragen bezüglich der Inhaftierung der PTCL-MitarbeiterInnen zu bombardieren. Er stellte bei seiner Rede fest, dass das Regime durch diese Aktion einmal mehr bewiesen habe, auf welch schwachen Beinen es in Wirklichkeit stehe und sagte ihm den Kampf an: „Wir haben keine Angst vor der Armee. Wir haben schon in der Vergangenheit gekämpft und werden auch nun Widerstand leisten!" Der Telekommunikationsminister, den Manzoor auch dazu aufrief, sich ihm in einer öffentlichen Debatte zu stellen, war sichtlich in Rage. Das Vorgehen des Militärs rechtfertigte er mit dem „Anti-Terror-Akt", der derartige Operationen erlauben würde. Auf die Aufforderung von Genossen Manzoor, sich einer öffentlichen Diskussion zu stellen, ging er nicht ein. Dafür stellte er fest, dass der Privatisierungsprozess weitergehen werde. Das gewerkschaftliche Aktionskomitee bei der PTCL hat mittlerweile beschlossen, das gesamte Telefonnetz Pakistans lahm zu legen. Die PTUDC wird diesen Kampf bedingungslos unterstützen und organisiert in allen wichtigen Städten Pakistans Demos in Solidarität mit den Streikenden. Der weitere Verlauf des Kampfes wird von der Militanz der Streikenden abhängen. Man kann aber davon ausgehen, dass es daran nicht mangeln wird. Schlussendlich geht es allerdings um die Perspektive, die mit diesem Kampf verbunden wird. Man hat gesehen, dass das Regime sich nicht an seine Versprechen hält. Unter den Bedingungen des krisengeschüttelten Kapitalismus in Pakistan ist es nicht möglich, Errungenschaften dauerhaft zu halten - in diesem Falle nicht einmal länger als eine Woche! Deshalb treten die pakistanischen MarxistInnen dafür ein, den Kampf gegen die Privatisierung mit einer politischen Perspektive, nämlich dem Kampf gegen das Militärregime und für eine sozialistische Revolution zu verbinden. Lukas Frey |