Kategorie: Asien

Israel und Palästina: Im Kapitalismus kann es keine Lösung geben!

Die jüngsten Tötungen palästinensischer Zivilisten durch das israelische Militär haben den Konflikt zwischen Palästina und Israel wieder in die Schlagzeilen gebracht. Marxistinnen und Marxisten verstehen, dass die wahren Grenzen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen den Klassen verlaufen. Frieden und Freiheit für das palästinensische wie für das israelische Volk kann es nur im Sozialismus geben.


Während am Montag in Jerusalem die neue US-Botschaft eingeweiht wurde, ereignete sich am Gazastreifen das schlimmste Massaker an Palästinensern seit 2014. 59 Menschen wurden durch israelische Soldaten getötet, über 2000 wurden verletzt. Israel spricht von „Terroristen“ und angeblich von der Hamas bezahlten Demonstranten. Tatsächlich handelte es sich bei den Demonstranten um zehntausende Einwohner des Gazastreifens, die unter erbärmlichen Bedingungen leben und keine andere Hoffnung mehr auf ein Leben in Würde sehen als durch den Kampf gegen den Staat Israel.

Das falsche Versprechen des Zionismus

Der Zionismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Aus der Diskriminierung und Verfolgung von Juden in Europa entstand eine Bewegung, die die Befreiung der jüdischen Bevölkerung von Diskriminierung und Verfolgung in der Schaffung eines eigenen bürgerlichen Nationalstaates sah. Diese Bewegung fand zunächst aber nur bei einer kleinen Minderheit der jüdischen Bevölkerung Unterstützung.

Alle Formen von Diskriminierung, so auch der Antisemitismus, sind Folge der Klassengesellschaft. Um die Arbeiterklasse in Lohnauseinandersetzungen und im Klassenkampf zu schwächen, versucht die Bourgeoisie die Arbeiter durch Rassismus, Sexismus, Homophobie und eben Antisemitismus zu spalten. Das Bild des geldgierigen, hinterhältigen Juden wurde geschaffen, um von den wahren Ursachen für Armut und Ausbeutung abzulenken und die Wut der unterdrückten Klassen in reaktionäre Bahnen zu lenken. Gerade weil wir die Rolle des Antisemitismus im Klassenkampf verstehen, müssen Marxisten ihn aufs schärfste bekämpfen.

Auch die Bolschewiki stellten sich daher antisemitischer Hetze und Verfolgung entschieden entgegen. Vor und nach der Oktoberrevolution war die Aufklärung der unterdrückten Klassen über Antisemitismus eine der wichtigsten Themen bolschewistischer Propaganda. Tausende bolschewistische Arbeiter verteidigten ihre jüdischen Klassengenossen mit der Waffe in der Hand gegen die Pogrome der Weißen Armee.

Da der Antisemitismus die direkte Folge von Klassenherrschaft und Kapitalismus ist, kann die Gründung des Staates Israels in keiner Weise die Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung beenden. Es gibt keinen Kapitalismus ohne Diskriminierung. Ein weiterer bürgerlicher Staat würde, auch wenn er zum „jüdischen Staat“ erklärt würde, weder Diskriminierung beenden, noch eine „sichere Heimstätte“ für die gesamte jüdische Bevölkerung sein. Einfach weil die Mechanismen die Diskriminierung und Antisemitismus hervorbringen, nämlich Klassenherrschaft und Kapitalismus, nicht beseitigt sind.

Diese Perspektive wurde auch von der jüdischen Arbeiterbewegung geteilt. Jüdische Arbeiter in Polen, Litauen und Russland schlossen sich zum Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund zusammen, um gemeinsam mit den Arbeitern Polen, Litauens und Russland gegen die kapitalistische Ausbeutung zu kämpfen. Den Zionismus lehnten sie als kleinbürgerlichen Eskapismus ab. Zur Massenbewegung wurde der Zionismus erst nach den Verbrechen des Holocaust, vor allem als viele andere Länder jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland kein Asyl gewähren wollten. Besonders Holocaustüberlebende hofften durch den Aufbau eines starken Staates Israel auf eine sichere Heimat und ein Leben ohne antisemitische Verfolgung.

Wenn wir heute Resümee ziehen, müssen wir feststellen, dass der Zionismus sein Versprechen, eine sichere Heimat für alle Juden zu schaffen, nicht erfüllt hat. Schon kurz nach der Gründung Israels breitete sich der Konflikt zwischen den mitteleuropäischen Juden (Ashkenasi) und den aus Afrika und dem Nahen Osten eingewanderten Juden (Sephardi) aus. Letztere beschwerten sich über Diskriminierung durch die Ashkenazi. Als 1968 die schwarze Bürgerrechtsbewegung das weiße Establishment der USA erschütterte, bildete sich auch ein Ableger in Israel. Auch die Black Lives Matter Bewegung in den USA fand in Israel großen Widerhall. Seit Jahren werden aus Eritrea stammende Juden nach Möglichkeit an der Einbürgerung in Israel, die eigentlich allen Juden offen steht, gehindert. Wenn sie es nach Israel schaffen, sind sie rassistischer Diskriminierung ausgesetzt. Eine Reihe von Tötungen und Gewaltausbrüchen von Polizisten gegenüber schwarzen Juden in Israel brachte dann das Fass zum überlaufen und es kam zu großen Demonstrationen der schwarzen jüdischen Bevölkerung im Jahr 2015.

Die Idee von Israel als „nationales“ Heim für das jüdische Volk wird außerdem durch ein Wirtschaftssystem untergraben, das Massenarbeitslosigkeit unter Juden schafft, während ostasiatische Wanderarbeiter als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden. Mit 20% der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze leben, und Rentnern, die sich darauf beschränken, Mülleimer nach Nahrung zu durchsuchen, ist der „Traum“ einer jüdischen Heimat ein Albtraum für arme und arbeitende Juden geworden. Die Krise des Kapitalismus untergräbt die politische Stabilität in Israel und damit auch das zionistische Projekt an sich.

Israel ist ein Schutzraum für Juden – wenn sie weiß sind und ein Unternehmen besitzen. Für den Rest der jüdischen Bevölkerung ist die einzige Hoffnung auf die Befreiung von Diskriminierung, Armut und Ausbeutung die sozialistische Revolution.

Der Palästinensische Befreiungskampf

Von Beginn an war der Zionismus eine Idee der Klassenkollaboration. Alle Juden, egal welcher Klasse sie angehörten, sollten sich im Kampf gegen einen äußeren Feind zusammenschließen. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung Israels schien dieses Projekt einigermaßen zu funktionieren. In Folge der Ausbeutung der palästinensischen Bevölkerung und des weltweiten Aufschwungs erlebte auch die israelische Wirtschaft einen Aufschwung. Dieser gab der israelischen Bourgeoisie die Möglichkeit, der israelischen Arbeiterklasse einen gewissen Lebensstandard zu sichern. Mit den ersten Rezessionen in den 1970er und 80er Jahren und dem Aufstieg des Neoliberalismus wurde dieses Projekt jedoch bereits ausgehöhlt. Und seit der Krise von 2008 steht die zionistische Klassenkollaboration auf sehr wackligen Füßen, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie zusammenbricht.

Um aber diese Klassenkollaboration aufrecht erhalten zu können, war und ist die Unterdrückung der Palästinenser eine Notwendigkeit für die israelische herrschende Klasse. Von Beginn an bedeutete die Gründung des Staates Israels auch die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Nur durch die Vertreibung der Palästinenser und die Besetzung ihres Landes war die Gründung des Staates Israel überhaupt möglich. Und noch stärker wird die Notwendigkeit eines Bedrohungsszenarios von außen in Zeiten der Wirtschaftskrise. Die Krise untergräbt den Lebensstandard der israelischen Arbeiterklasse, der Klassenkampf nimmt immer radikalere Formen an, zuletzt in Form von Massenprotesten 2011. Wochenlang gingen Hunderttausende in Tel Aviv, Haifa, Jerusalem und anderen Städten auf die Straße, um gegen Korruption und den fallenden Lebensstandard zu demonstrieren. Netanjahus Regierung muss sich mehr und mehr auf die politische Rechte, auf die radikalen Siedler und Nationalisten stützen, um überhaupt an der Macht zu bleiben. Das zwingt ihn wiederum zu einer noch aggressiveren Politik gegen die Palästinenser. Eine friedliche Lösung des Israel-Palästina-Konflikts kann es im Kapitalismus nicht geben.

Seit der Gründung des Staates Israel gab es Widerstand. 1964 wurde die PLO als eine Art palästinensische Dachorganisation gegründet. Obwohl es auch einige linke Organisationen in der PLO gab, beschränkte sie sich hauptsächlich auf engstirnigen Nationalismus. Ihre Führer verpassten es, den Befreiungskampf der Palästinenser mit dem Kampf der israelischen und arabischen Arbeiterklasse zu verbinden. Ihre „Strategie“ gegen die israelische Besatzung wechselte zwischen dem „bewaffneten Kampf“ (Individualterrorismus) und Versuchen, die arabischen Despoten rings herum zu überzeugen, Krieg gegen Israel zu führen.

Diese arabischen Despoten missbrauchten den palästinensischen Befreiungskampf, um durch ein außenpolitisches Bedrohungsszenario von den Klassengegensätzen in ihren Ländern abzulenken und die Arbeiterklasse des Nahen Ostens zu spalten. Antisemitische Hetze wurde heraufbeschworen, die hier dieselbe reaktionäre Rolle spielte wie zuvor: Die Spaltung der Arbeiterklasse zur Schwächung ihrer Kampfkraft.

Ähnliches gilt für die palästinensische Befreiungsbewegung, sowohl auf der Westbank als auch im Gazastreifen. Tatsächlich versuchen die nationalistischen Palästinenserführer etwas Ähnliches wie die zionistische herrschende Klasse in Israel: Nämlich Klassenkollaboration durch Nationalismus und Spaltung der Arbeiterklasse entlang ethnischer oder nationaler Linien. Tatsächlich schwelt es nämlich auch in Palästina: Die Versorgungslage ist schlecht, die Palästinensische Autonomiebehörde korrupt. Auf der Westbank wird die Palästinensische Autonomiebehörde von Israel finanziell unterstützt, sie ist abhängig von der Gnade des israelischen Staates und hat keinerlei Interesse an einem echten Aufstand der palästinensischen Massen.

Auch im Gazastreifen gärt es. In den vergangenen Jahren brachen immer wieder Massenproteste gegen die islamistische Hamas aus, die wegen ihrer Korruption immer unbeliebter wird. Die Hamas kann sich nur noch an der Macht halten, in dem sie der Bevölkerung suggeriert „gegen die israelischen Besatzer zu kämpfen“. Zu diesem Zwecke schießt sie regelmäßig schlechte, selbstgebaute Raketen nach Israel. Das schwächt Israel in keiner Weise, im Gegenteil: Der Raketenbeschuss dient als Vorwand für weitere brutale Militäroperationen gegen Zivilisten.

Um die Freiheit zu erkämpfen, muss die palästinensische Bewegung die Klassenfrage stellen und sich mit der israelischen und arabischen Arbeiterklasse im Kampf vereinen. Kleinbürgerliche Ansätze wie die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel), die dazu aufruft israelische Güter zu boykottieren, sind dazu verdammt zu scheitern. Es gibt keine andere Kraft auf der Erde, die den israelischen Imperialismus zerstören kann, als die israelische Arbeiterklasse. Die Einheit zwischen dem israelischen Proletariat und den palästinensischen Arbeitern und den Fallaheen (Bauern) ist die erste Voraussetzung für eine Revolution, die das Blutvergießen ein für alle Mal beenden wird.

Marxisten lehnen jeden Versuch ab, den israelischen Arbeitern die Schuld für die Verbrechen ihrer herrschenden Klasse zu geben, und ebenso sehr lehnen wir Versuche ab, die palästinensischen Massen für das von Hamas und Fatah vergossene Blut verantwortlich zu machen. Die Schuld liegt direkt auf den Schultern der israelischen und palästinensischen Bourgeoisie und der kapitalistischen Klassen in den USA und dem Rest der westlichen Welt. Die Befreiung kann nur die sozialistische Revolution bringen!

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