Seit Monaten bombardiert ein NATO-Staat die Stellungen der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) in Südkurdistan (Nordirak), teils sogar mit chemischen Waffen. Seit dem 14. April haben sie eine Großoffensive gegen die kurdische Freiheitsbewegung gestartet. Sie bombardieren die Gebiete Avaşîn, Metîna und Zap. Hierbei ist der türkische Staat nicht alleine, ihre Invasion wird mit Hilfe der PDK (Demokratische Partei Kurdistans) unterstützt. Die PDK ist die Regierungspartei in der Autonomen Region Kurdistan im Irak. Sie bombardieren mit Hilfe der Militärbasen der PDK aus dem Süden die Berge Kurdistans.
Zuvor hat sich am 14. April der Premierminister des kurdischen Autonomiegebietes, Masrur Barzani (PDK), in Istanbul mit Erdogan und dem Chef des türkischen Nachrichtendienstes (MIT) Hakan Fidan getroffen. Laut offiziellen Angaben handelte es sich nur um Öl-Verhandlungen, aber im Voraus vermutete man, dass es um einen erneuten Plan gegen die kurdische Guerilla handelt, da der MIT-Chef mit am Gespräch teilgenommen hat.
Das türkische Verteidigungsministerium gab an, dass sie einen neuen Besatzungskrieg starten und nannten diese Operation „Claw-Lock“. Der türkische Staat versucht sowohl vom Norden als auch vom Süden durch Luftangriffe in die Regionen Zap, Avaşîn und Metîna einzudringen. Diese Region wird als Medya-Verteidigungszone bezeichnet. Sie bombardierten vor allem die Infrastruktur der PKK. Parallel zu den Bombardierungen sollen türkische Hubschrauber versucht haben, Soldaten abzusetzen, um eine Bodenoffensive zu starten. Bei diesen Absetzungen sollen viele Soldaten getötet worden sein. Die Volksverteidigungskräfte HPG (bewaffneter Arm der PKK) gab an, dass die ersten Angriffswellen scheiterten (Stand 23.04.2022) und dass die Guerilla 222 Soldaten getötet und mehr als fünf Luftfahrzeuge abgeschossen habe. Der türkische Staat behauptet hingegen, dass die Operation erfolgreich läuft. Die Türkei versucht mittels den einheimischen Medien die Kriegsopfer zu verschleiern und spielen die Opferzahl herunter. Auf Seite der PKK gab es laut dem türkischen Verteidigungsministerium mindestens 26 gefallene Kämpfer. Keiner dieser Zahlen lassen sich unabhängig überprüfen. Schon in der Vergangenheit scheiterten die Einmärsche in die Medya-Verteidigungszone, da es geografisch nahezu unmöglich ist, eine Bodenoffensive zu starten. Deshalb konzentriert sich das Militär auf Luftangriffe. Die Medya-Verteidigungszone ist das Vietnam der Türkei.
Am 19.04.2022 meldete sich auch der reaktionäre religiöse irakische Schiitenführer und Politiker Muqtada Al Sadr auf Twitter und schrieb: „Kommen wir zu unserem Nachbar: die Türkei. Sie bombardierte irakisches Territorium ohne jegliche Entschuldigung. Wenn es eine Gefahr von irakischem Territorium aus gibt, sollte sie sich mit der irakischen Regierung abstimmen, um die Bedrohung zu beenden. Die irakischen Sicherheitskräfte sind in der Lage, dies zu tun. Wenn sich dies wiederholt, werden wir darüber nicht schweigen, denn der Irak ist ein völlig souveräner Staat und wird weder ein Eindringen und eine Destabilisierung der Sicherheit auf seinem Territorium akzeptieren, noch wird er Angriffe auf benachbarte befreundete Länder akzeptieren.“
Dieser Tweet widerlegt die Behauptung des türkischen Außenministeriums, dass die Türkei es mit „Freunden und Verbündeten“ absprach. Diese Gespräche wurden nur mit der Autonomen Region Kurdistan geführt und nicht mit der irakischen Regierung. Die NATO Mitgliedschaft der Türkei gibt ihr freie Hand für Angriffskriege und weitet ihren Einfluss in der Region seit Jahren aus, gegen den Willen der Nachbarn versteht sich. Seit dem Rückzug aus der Türkei wird deutlich woran es der PKK mangelt bzw. allen Guerillaorganisationen: die Verankerung in der Arbeiterklasse. Die PKK isoliert sich immer weiter. Als Marxisten lehnen wir ihre Guerillataktik ab, die sich primär auf die Bauernklasse stützt. Letztlich ist nur die Arbeiterklasse in der Lage den Sozialismus aufzubauen. Die Arbeit von Marxisten sollte sich deshalb größenteils auf die Städte und das Proletariat konzentrieren. Die PKK darf nicht immer wieder zu Anschlägen als Vergeltungsmaßnahmen greifen da sie damit ihre eigene Isolation und die Repression gegen sich verschärft. Auch den Kampf der PKK zu romantisieren ist kontraproduktiv. Trotz allem, stellen wir uns solidarisch an der Seite der kurdischen Freiheitsbewegung gegen Kapital und Imperialismus.
Der Westen, die Türkei und die PDK
Durch diesen Angriff versucht Erdogan den Nationalismus anzuheizen und die kurdische Bewegung weiter zu schwächen. Er erhofft sich damit, seine Zustimmung in der breiten Bevölkerung zu sichern, trotz der anhaltenden Hyperinflation. Mit einem Krieg kann er von der Wirtschaftskrise in der Türkei ablenken. Um weiterhin den türkischen Nationalismus zu befeuern drehen sie Filme und Serien über die „heldenhaften türkischen Soldaten“, die gegen die “Barbaren der PKK kämpfen“. Auf der anderen Seite spielt Erdogan im Ukraine-Krieg den „Friedensstifter“, um als gerechter Regent mit harter Hand zu wirken.
Auch wenn der „Wissenschaftliche Dienst des Bundestages“ immer wieder aufgezeigt hat, dass diese Angriffe völkerrechtswidrig sind, kommen keine Reaktionen von der Bundesregierung. Dies zeigt deutlich, dass das Handeln der Türkei entweder im Interesse Deutschlands selbst liegt oder zumindest nicht im Widerspruch steht. Gute Beziehungen zur Türkei sind politisch und ökonomisch für den deutschen Imperialismus wichtiger als die Angriffskriege zu verurteilen. Hierbei wird auch die Heuchelei des westlichen Imperialismus deutlich, die Russlands Krieg in der Ukraine verurteilen, aber den türkischen Angriffskrieg mit keiner Silbe erwähnen.
Erdogan genießt den Rückhalt als NATO-Partner. Er geht brutal gegen Oppositionelle, Minderheiten und Nachbarländer vor. Er droht Europa mit der Öffnung der Grenzen für Geflüchtete und schafft sich damit zusätzlichen Spielraum für seine Politik. Die „feministische Außenpolitik“ bringt ihr heuchlerisches, kleinbürgerliches, wahres Gesicht zum Vorschein. So traf sich im vergangenen Monat Bundeskanzler Olaf Scholz mit Erdogan und lobte den Besuch. Auch Außenministerin Annalena Baerbock reiste in die Türkei und gab bei ihrem Treffen bekannt, dass sie hofft, dass die türkisch-deutsche Partnerschaft weiterhin so gut läuft. Baerbock weiß, dass kurdische Politiker und Aktivisten in der Türkei mit Repressionen rechnen müssen. Nur ein paar Tage vor dem Angriff im Nordirak wurden über 50 Festnahmen registriert.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Absetzungen demokratisch gewählter Bürgermeister und Abgeordneter der pro-kurdischen Partei HDP. In Deutschland müssen kurdische Aktivisten mit Repressionen rechnen. So werden Hunderte inhaftiert und ihre Vereine kriminalisiert. Die Fahnen der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten YPG und der Frauenselbstverteidigungseinheiten YPJ werden auf Demonstrationen den Menschen entrissen, obwohl es die YPG/YPJ und auch die PKK waren, welche heldenhaft gegen den Islamischen Staat gekämpft haben. Auch Deutschland wird damit zum verlängerten Arm der repressiven Politik Erdogans.
Wir solidarisieren uns mit dem kurdischem Befreiungskampf und fordern den sofortigen Stopp der Invasion!
Für ein freies sozialistisches Kurdistan und die Selbstbestimmung des kurdischem Volkes!
Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens!
Weg mit dem PKK-Verbot!
Berxwedan Jîyane - Widerstand ist Leben!
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