Kategorie: Asien

Wie stehen Kommunisten zur Forderung eines Waffenstillstands in Gaza?

In den letzten Wochen haben sich Hunderttausende Arbeiter und Jugendliche überall in den USA der Solidaritätsbewegung für Palästina angeschlossen. Die Genossen unserer US-amerikanischen Sektion „Socialist Revolution“ waren in jeder größeren Stadt auf Protesten und Demonstrationen, die Israels völkermörderischen Krieg gegen die Bevölkerung Gazas ablehnten. Sie marschierten mit, schrien sich die Seele aus dem Leib und verlangten ein Ende des einseitigen Massakers.

Socialist Revolution


Die Forderung nach einem Waffenstillstands erreichte in diesem Kontext immer mehr Zustimmung, da sich die Bewegung fragt: Wie können wir das Töten beenden? Was sind die nächsten praktischen Schritte, um die Katastrophe in Gaza ein für allemal zu lösen?

[Ursprünglich auf socialistrevolution.org veröffentlich]

Der Großteil aller US-Amerikaner wollen einen Waffenstillstand

Die letzten Wochen waren eine Periode des Wandels in den USA und auf der ganzen Welt. Millionen von US-Amerikanern widerten Bidens Unterstützung Israels an und richteten sich gegen diese Politik, wenn sie nicht schon von Anfang an dagegen waren. Im ganzen Land verfolgten Menschen mit schrecklichstem Entsetzen auf ihren Handys und Fernsehern die täglichen Angriffen Israels auf Wohngebäuden, Krankenhäuser und Schulen. Vor allem scheitert die herrschende Klasse eindeutig daran, blinden Enthusiasmus für noch ein US-finanziertes Abenteuer im Ausland zu erzeugen. Im Kontext der Krise des US-Kapitalismus sowie den blutigen und teuren Erfahrungen in Irak und Afghanistan sollte das niemanden überraschen.

Am 15. November fand eine Umfrage heraus, dass 68 % der Befragten denken, dass Israel einen Waffenstillstand verkünden muss. Dabei stimmten nur 32 % zu, dass die USA Israel weiterhin unterstützen sollte, was Mitte Oktober noch 41 % glaubten. Eine andere Umfrage zeigte einen spürbaren Rückgang der Sympathien für Israel, während die für die Palästinenser wuchs, besonders unter der Jugend. 52 % aller 18 bis 34-Jährigen sympathisieren eher mit den Palästinensern, was im letzten Monat nur 26 % taten.

In anderen Worten will die absolute Mehrheit aller US-Amerikaner ein Ende des Massakers. Dennoch, als er direkt nach den Möglichkeiten für einen Waffenstillstand in Gaza gefragt wurde, antwortete US-Präsident „Genocide Joe“, dass es dafür überhaupt keine Chance gebe. Das allein sagt alles über die Scheindemokratie im Kapitalismus aus.

Bietet die Forderung eines Waffenstillstands einen Weg nach vorne?

Die Forderung eines Waffenstillstands mobilisierte bisher also hunderttausende Demonstranten, die das Ende des Blutvergießens wollen. Wir alle haben die Rufe nach dafür auf Demos gehört. Gruppen wie Jewish Voice for Peace, American Muslims for Palestine und andere riefen die Bewegung dazu auf, Druck bei US-Politikern zu machen, damit sie für einen Waffenstillstand einstehen. 

Kommunisten sind eindeutig gegen die Fortsetzung des unmenschlichen Bombardements durch Israel. Wir sind natürlich dafür, dass das massenhafte Abschlachten unschuldiger palästinensischer Männer, Frauen und Kinder so bald wie möglich ein Ende findet. Wir würden uns nie gegen einen Waffenstillstand richten, auch wenn er nur zeitbegrenzt ist. Aber wir müssen die Wahrheit sagen: Die pazifistische Forderung eines Waffenstillstands allein bietet weder einen Weg nach vorne für die palästinensische Bevölkerung noch für die Solidaritätsbewegung.

Erstens: An wen richtet sich diese Forderung? Biden? Netanjahu? Beide Reaktionäre äußerten ihre völlige Ablehnung eines Waffenstillstandes, auch trotz des wachsenden öffentlichen Drucks. Der Grund liegt jenseits ihrer individuellen Charakterzüge. Die Bourgeoisie führt Kriege nicht aus Spaß. Sie sind eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, was heißt, dass es um grundlegende Klasseninteressen der US-amerikanischen und israelischen Imperialisten geht. Erinnern wir uns an die Massenbewegungen, die ein Ende der Kriege in Irak, Afghanistan und Vietnam forderten. Dennoch hielten diese Kriege jahrelang an.

Das liegt daran, dass Kapitalisten Krieg nicht aus abstrakten moralischen Gründen führen, sondern um ihre Profite, ihren Einfluss und ihre Macht zu erweitern. Dem US-Imperialismus dient Israel als gewaltiger Flugzeugträger im Nahen Osten. Der zionistische Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy Jr. sagte dies tatsächlich kürzlich während einer Konferenz. Die USA braucht einen Außenposten in der Region, um die Investitionen multinationaler US-Unternehmen zu sichern, allen voran die der Ölbranche. Dazu kommt, dass fast jeder US-Politiker direkt oder indirekt mit Firmen, die vom Krieg profitieren, in Verbindung steht, sei es durch Lobbyismus, die Finanzierung ihrer Kampagnen, als Bindeglied zwischen den Unternehmen und der Regierung usw.

Wenn man also die, die grundlegende Klasseninteressen daran haben, dass Israel Palästina unterdrückt, nach einem Waffenstillstand bittet, bittet man praktisch einen Löwen, Rhabarber zu essen. Der Slogan des Waffenstillstands erzeugt die Illusion, dass man Frieden dadurch erreichen kann, an den guten Willen von Politikern oder ihre Moral zu appellieren. Klasseninteressen werden aber allen anderen Erwägungen gegenüber Vorzug gewährt.

Zweitens: Erinnern wir uns daran, dass jeder vorherige Versuch, zwischen Israel und den Palästinensern Frieden zu schließen, kläglich scheiterte. Gerade das Versagen des Oslo-Friedensprozesses hat die jetzige Situation erzeugt. Ein Waffenstillstand ist per definitionem eine zeitbegrenzte Lösung. Aufgrund der räuberischen Interessen der zionistischen herrschenden Klasse Israels können wir sicher sein, dass jeglicher Frieden kurzlebig sein wird. Sie würde es nur als taktisches Manöver zulassen, um ihre Kräfte zu sammeln und dieselben Pläne auf andere Weise durchzuführen.

Ein Waffenstillstand würde im besten Fall die Situation zu der Zeit vor dem 7. Oktober zurückspulen. Selbst das ist offensichtlich extremst utopisch. Nicht nur das, wollen wir wirklich zu einem Status quo zurückkehren, in dem Palästinenser Tag für Tag Gewalt ausgesetzt sind, in dem Tausende vom zionistischen Regime eingesperrt sind und in dem es Siedlern erlaubt ist, Häuser in der Westbank niederzureißen, ohne dabei noch nicht mal auf die Finger zu bekommen? Das ist überhaupt keine Lösung. Selbst wenn kurzfristiger Frieden möglich wäre, würde er auf imperialistischer Basis nur einem weiteren Krieg den Weg bereiten.

Die Demokraten unterstützen weiterhin Israels Verbrechen

Obwohl die Forderung stark limitiert ist, setzt sich die große Mehrheit aller US-Abgeordneten nicht für einen Waffenstillstand ein. 80 % aller Wähler der Demokraten unterstützen zwar einen Waffenstillstand, aber die überwältigende Mehrheit der demokratischen Abgeordneten und Funktionäre steht weiterhin fest hinter den unglaublichen Verbrechen gegen palästinensische Zivilisten. Das ist keine Überraschung, denn die Demokratische Partei unterstützte schon immer das zionistische Regime Israels.

Eine kleine Zahl der Kongress-Abgeordneten am Rande der Partei äußerten Uneinigkeit gegenüber Bidens Politik, angeführt vom linksliberalen ,,Squad”. New-York-Abgeordnete und Social-Media-Sensation Alexandria Ocasio-Cortez und eine Handvoll anderer Demokraten haben einen Beschluss gefasst, der Biden zu einem Aufruf für einen Waffenstillstand auffordert.

Aber wir müssen uns an die anfängliche Antwort der meisten dieser Individuen erinnern, was im besten Fall die Position war, dass beide Seiten Schuld tragen, wodurch die Gewalt der Unterdrückten mit der Gewalt ihrer Unterdrücker gleichgesetzt wird. Kongressabgeordnete Ocasio-Cortez unterstützte sogar die Förderung von Israels ,,Iron Dome“- Raketensystem. In anderen Worten unterstützt sie sowohl einen Waffenstillstand und das Schicken der Waffen, mit denen Israel unschuldige Zivilisten massakriert. Von solcher Heuchelei kann einem nur schlecht werden.

Kongressabgeordnete Rashida Tlaib aus Michigan, eine palästinensische Amerikanerin und Mitglied dieses ,,Squads”, vertritt eine solidere Position in dieser Angelegenheit. Sie wurde vom Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten dafür verurteilt, dass sie angeblich falsche Narrative über den Hamasangriff vom 7. Oktober 2023 auf Israel verbreitet und zur Zerstörung des israelischen Staats aufgerufen hätte. Natürlich ist das völlig falsch und wir stellen uns gegen die Heuchler, die Tlaib angreifen. Allerdings müssen wir darauf hinweisen, dass die Israel unterstützende Demokratische Partei definitiv keinen Weg aus dieser Katastrophe bietet.

Bernie Sanders schloss nun seine jahrzehntelange Reise vom Sozialismus zur vollen Einbindung in das Etablissement der Demokratischen Partei ab, gegen das er sich früher auflehnte. In einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN wiederholte er nicht nur, dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen, sondern auch, dass es „die Hamas jagen“ solle. Dafür erhielt er den Beifall der Zionisten.

Der American Israel Public Affairs Committee (kurz: AIPAC) sowie ein Sprecher der israelischen Regierung, Eylon Levy, teilten einen Ausschnitt dieses Interviews auf Twitter, in dem der Senator Sanders sagte, dass er nicht wisse, wie man einen Waffenstillstand mit der Hamas schließen könne, da diese Organisation sich der Unruhe, dem Chaos und der Zerstörung Israels verschrieben habe. 

Seine Position ist im Grunde genommen dieselbe wie Bidens: lauwarme Bitten an Israel nach einer ,,humanitären Pause” der Bombardements. Sie verlangen nicht mehr oder weniger als einen imaginären ,,sauberen” Krieg, unter dem die öffentliche Meinung des US-Imperialismus nicht unnötig stark leidet.

Wenn Bernie Sanders von Israels Recht auf Selbstverteidigung spricht, erinnert das an Lenins Kommentare gegenüber Sozialchauvinisten, die imperialistische Kriege unterstützten: ,,Denn tatsächlich verfechten sie nicht ,die Verteidigung des Vaterlandes‘ im Sinne des Kampfes gegen ausländische Unterdrückung, sondern das ,,Recht‘ der einen oder anderen ,großen‘ Macht, Kolonien zu plündern und andere Nationen zu unterdrücken.” Tatsächlich plündert und bombardiert Israel seine de facto Kolonie in diesem Augenblick.

Das ist die unausweichliche Konsequenz von Sanders’ jahrelanger politischer Zusammenarbeit mit der Demokratischen Partei. Möge dieses widerliche Spektakel das Schicksal jeglicher politischen Illusionen, die irgendwer noch gegenüber Bernie Sanders haben könnte, besiegeln.

Für Intifada, von den USA bis nach Gaza!

Unsererseits kämpfen wir nicht für eine Rückkehr zum Status quo, sondern für ein Ende des Imperialismus und Krieg insgesamt. Lenin erklärte den kommunistischen Ansatz gegenüber Pazifismus in der Antikriegsbewegung treffend: 

,,Die Stimmung der Massen zugunsten des Friedens drückt oft beginnenden Protest, Wut und Bewusstsein des reaktionären Charakters des Kriegs aus. Es ist die Pflicht aller Sozialdemokraten, sich dieser Stimmung zu Nutze zu machen. Sie werden den begeistertsten Teil in jeder Bewegung und in jeder Demonstration auf diese Weise überzeugen; aber sie werden nicht die Menschen dadurch anlügen, dass sie einräumen, dass Frieden ohne Annexion, ohne die Unterdrückung von Nationen, ohne Plünderei, ohne die Keime neuer Kriege unter den derzeitigen Regierungen und herrschenden Klassen ohne eine revolutionäre Bewegung möglich sei.”

Deshalb müssen wir erklären, dass die derzeitige Krise in Gaza die Konsequenz des Kapitalismus und Imperialismus ist, die gestürzt werden müssen, um die Palästinenser zu befreien. Das kapitalistische System ist die Grundursache von Krieg. Der Trieb, Märkte, Ressourcen und Arbeitskraft zu erobern, resultiert unausweichlich in militärischen Auseinandersetzungen. Pro-palästinensische Arbeiter und junge Leute müssen nach dem Prinzip arbeiten, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht, und für den Sturz des Kapitalismus und Imperialismus, ohne die die Straftaten des israelischen Imperialismus unmöglich wären.

Marxisten sind keine Pazifisten. Wir verstehen, dass Kapitalismus Krieg bedeutet und dass das Ende des Kapitalismus Klassenkrieg benötigt. Die herrschende Klasse wurde nie ohne einen Kampf gestürzt. Um erneut Lenin zu zitieren: ,,Ein ernster Kampf gegen den Krieg, ein Kampf für die Abschaffung von Krieg und die Etablierung anhaltenden Friedens ist ausgeschlossen, sofern es nicht einen massenhaften revolutionären Kampf, angeführt vom Proletariat, gegen die Regierung in allen Ländern gibt, sofern bürgerliche Herrschaft nicht gestürzt wird, sofern eine sozialistische Revolution nicht errungen wird.” Frieden kann nur das Resultat einer sozialistischen Revolution sein. 

Deshalb erheben Kommunisten den Slogan ,,Intifada bis zum Sieg!” Die Massen in Palästina und im Nahen Osten haben eine revolutionäre Geschichte, die man wiederbeleben kann und muss. Die erste Intifada mobilisierte Zehntausende, in Generalstreiks, Steuerboykotts und organisierten Selbstverteidigungsausschüssen. Das ist die Art von massenhaftem Kampf, der vom Nahen Osten bis nach Nordamerika gebraucht wird, um Zionismus und Imperialismus zu besiegen. Was wäre möglich, wenn eine neue Intifada ausbrechen würde, nicht nur in Palästina, sondern in Ägypten, Libanon und Syrien? Bedroht durch den Verlust all ihrer Macht und ihres unrechtmäßigen Gewinn würde die herrschende Klasse die Beine in die Hand nehmen. Wir können uns sicher sein, dass dann das Bombardement aufhören würde.

Was den US-Imperialismus, den Hauptunterstützer Israels, betrifft, hat die US-amerikanische Arbeiterklasse das Potenzial, ihre eigene herrschende Klasse vollständig zu entwaffnen und das System abzuschaffen, das Krieg überhaupt erst treibt. Ein Funken dieses Potenzials zeigte sich vor kurzem, als Busfahrer in Detroit pro israelische Demonstranten davon abhielten, am ,,Marsch für Israel” in der Hauptstadt Washington, D.C. teilzunehmen, indem sie sich krank meldeten.

Wenn Arbeiter in den USA streiken würden, um die Kriegsmaschine stillzulegen, wodurch sie den Waffenfluss nach Israel behindern würden, würde der zionistische Krieg zerbröckeln. Arbeiter in der Waffenproduktion und im Transportsektor sowie Hafenarbeiter sind hier besonders effektiv. Keine einzige Kugel und keine einzige Waffe sollte nach Israel geschickt werden! Vereint mit dem Massenaufstand der Arbeiterklasse gegen Imperialismus im Nahen Osten können die Arbeiter der Welt kollektiv handeln, um Israels Krieg zu beenden.

Um dieses überwältigende Potenzial an Macht zu realisieren, müssen wir aber eine kommunistische Massenpartei aufbauen. Wenn du verstehst, dass Kapitalismus und Imperialismus enden müssen, dann mach den nächsten Schritt und tritt den Kommunisten bei. Marschiere mit uns und kämpfe lautstark für eine weltweite Intifada. Eine kommunistische Bewegung ist im Begriff zu entstehen. Hilf uns, den Kampf für die Befreiung der Arbeiterklasse und aller unterdrückten Menschen anzuheizen. Wir werden nicht aufhören, bis die weltweite Intifada siegt.

Von den USA bis nach Gaza, globalisiert die Intifada!

Nieder mit US-Imperialismus! Kämpft für eine Arbeiterregierung!

Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens als Teil einer sozialistischen Weltföderation! 

 

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