Die Initiative der SVP schränkt die Rechte der ausländischen Lohnabhängigen in der Schweiz massiv ein. Die Aufenthaltsbewilligungen für Migranten und Asylanten sollen durch Kontingente begrenzt und die Sozialleistungen eingeschränkt werden. Wer bleiben darf, soll allein das Kapital entscheiden. In der Verfassung wird stehen, dass ein maßgebendes Kriterium “für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen (…,) das Gesuch eines Arbeitgebers” ist. Die SVP rechtfertigte ihre Initiative damit, dass die ausländischen Lohnabhängigen den Schweizer ArbeiterInnen die Arbeit und die Wohnungen wegnehmen würden. Das Angebot an Arbeit erhöhe sich durch die Zuwanderung, sodass der Preis derselben falle. Auf der anderen Seite sei die steigende Nachfrage nach Wohnungen für die steigenden Wohnkosten verantwortlich.
Dieser Argumentation wusste die Linke nur sehr wenig entgegenzusetzen. Die JUSO-Führung (Jugendverband der Schweizer Sozialdemokratischen Partei SP) legte den Fokus auf die Abtreibungsfinanzierungsinitiative. Die Gewerkschaft Unia argumentierte damit, dass die Migranten für den Arbeitsmarkt unentbehrlich wären. Die SP blieb wieder einmal unsichtbar. Die Grünen im Tessin haben gar die Ja-Parole unterstützt. Insgesamt kann gesagt werden, dass sich die Linke weitgehend der großen Economiesuisse-Kampagne (Economiesuisse ist der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, Anm.) unterworfen und deren Argumentation übernommen hat. Einmal mehr hat die Linke verpasst, eine kämpferische Position gegen die fremdenfeindliche Politik der SVP zu beziehen. Stattdessen übte sie sich in der Klassenkollaboration und beraubte sich somit jeglicher Legitimation für eine wirklich linke Argumentation. Anstatt die Spaltung der Arbeiterklasse anhand der Landesgrenzen aufzuzeigen, übernahm sie die bürgerliche Logik ein, indem sie die Notwendigkeit von ausländischen Arbeitern für die Schweizer Wirtschaft betonte.
Wäre das Problem der Wohnungsnot und steigenden Arbeitslosigkeit eine reine Imagination, hätten die Argumente der SVP wohl kaum eine derartige Auswirkung auf die Bevölkerung gehabt. Die Probleme sind definitiv real. Doch sind sie nur im geringsten Maße auf die Zuwanderung zurückzuführen. Die Mietpreise sind extrem hoch, doch dies ist in erster Linie Konsequenz der hemmungslosen Spekulation. Dass Arbeiter zum Drücken der Löhne missbraucht werden, hat ebenfalls nichts damit zu tun woher sie kommen. Schuld daran tragen allein die Kapitalisten, welche die Ausbeutungsrate mit allen Mitteln erhöhen wollen. Doch die Kapitalisten machen das nicht zum Spaß. Sie wissen, dass sie damit große soziale Unruhen riskieren. Es ist vielmehr ein letztes Mittel der Krise entgegenzuwirken. In ihr nicht unterzugehen. Auch hier sind die gegensätzlichen Klasseninteressen hervorzuheben; der Arbeiter will Lohn, der Kapitalist will Profit. Durch das Dumping der Löhne und die Streichung von Stellen, rationalisieren sich die Besitzenden ihre eigene Kundschaft und deren Kaufkraft weg, wodurch sie gezwungen sind die Ausbeutungsrate noch weiter anzuheben. In diesem Teufelskreis bewegen sie sich abwärts. Währenddessen versuchen sie das Aufbrechen der bestehenden Widersprüche zu verhindern, indem sie die Arbeiterklasse an den Landesgrenzen zu spalten versuchen und die inländischen gegen die ausländischen Arbeiter ausspielen. Hierbei wissen die linken Massenorganisation nichts Besseres zu tun, als sich mit den wahren Verursachern der Probleme zu verbünden und die Spaltung in ihren Argumenten anzuerkennen und somit weiterzutragen.
Nun da die Initiative angenommen wurde, fragen sich alle, was denn nun die konkreten Folgen sein werden. Hierzu lässt sich nur wenig Konkretes mit Sicherheit sagen. Klar ist, dass die Zuwanderung wohl kaum abnehmen wird, da es ja schon immer die Unternehmen waren, die die Menschen in die Schweiz geholt haben und das auch je nach Bedarf weiterhin tun werden. Entgegen der Prognosen der liberalen FDP, wird die Annahme der Initiative wahrscheinlich keinen Einfluss auf die Bilateralen (Die Schweiz hatte sich 1999 mit der EU auf die "Bilateralen Verträge" geeinigt. Sie regeln neben dem Abkommen zur Personenfreizügigkeit weitere Abkommen, die das Wirtschaften und vor allem den Warenaustausch zwischen der Schweiz und der EU erleichtern, Anm.) haben. Die Initiative wird wie gewohnt spätestens bei ihrer Umsetzung so weit abgeschwächt, dass sie den Interessen des Kapitals bestmöglich entspricht. Auf jeden Fall wird sich die Situation für die inländischen ArbeiterInnen nicht verbessern, dafür aber den Aufenthaltsstatus der ausländischen Lohnabhängigen verschlechtern.
Diese neuste Attacke der SVP auf die Rechte der Migranten zeigte überdeutlich die seit Jahren anhaltende Schwäche der Linken auf dieses Thema zu reagieren. Es gilt aber nun keineswegs wieder in Wehklagen über die Stärke der SVP und den verbreiteten Nationalismus auszubrechen. Ihre vermeintliche Stärke ist nur möglich aufgrund unserer Schwäche. Wir müssen nun aufzeigen, dass die Unternehmer und Bonzen für diese Probleme verantwortlich sind und nicht unsere ausländischen Kollegen. Ein Mindestlohn und Mitpreiskontrollen sind ernsthafte Antworten auf die herrschenden Probleme. Gleichzeitig müssen wir die weit verbreitete Frustration über dieses Resultat nutzen und den Aufbau der Partei vorantreiben. Dieses Resultat kam nur deshalb zustande, weil fast 25% der Bevölkerung nicht abstimmen können und deshalb soll uns diese Abstimmung ein Ansporn sein, um für eine wahre Demokratie zu kämpfen, in der nicht der Pass oder der Geldbeutel über die Zukunft entscheidet.
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