Kategorie: Europa |
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„Kein Unfall, sondern Mord!“ |
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Ein Jahr nach der Gezi-Bewegung scheint das Regime des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoganfest im Sattel zu sitzen. Doch das Massaker von Soma läutet eine neue Phase des Protests gegen die AKP ein. |
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Ein Jahr ist vergangen, seit die Massenproteste rund um den Abriss des Gezi-Parks in Istanbul ausgebrochen sind. Doch oberflächlich betrachtet sitzt Erdogan so fest im Sattel wie noch nie. Gerade die Kommunalwahlen Ende März waren für pessimistische Beobachter ein weiterer Beweis dafür, dass sich nichts ändert. Die Regierungspartei AKP hatte im Vergleich zu 2009 nicht etwa verloren, sondern sogar noch Stimmen gewonnen: Während sie damals noch ungefähr 39% errang, konnte sie im März über 45% der Stimmen auf sich vereinigen.
Doch steht hinter diesem Ergebnis (neben immer wieder geäußerten Betrugs- und Stimmenkaufvorwürfen) nicht etwa die Stärke der AKP und Erdogans, sondern die Schwäche der Opposition. Statt sich in ihrer Wahlkampagne auf die grassierende Armut zu beziehen, beschränkte sich die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) darauf, die Korruptionsskandale und den zunehmend diktatorischen Regierungsstil Erdogans auszuschlachten. Gerade in den Städten der Westtürkei konnte sie zwar trotzdem gute Ergebnisse einfahren, weil sie als linkere und säkularere Alternative zur regierenden AKP gesehen wurde. Aber in den konservativeren Gegenden Anatoliens hätte sie offensiver die sozialen Probleme aufgreifen müssen, um die AKP gefährden zu können. Gerade ihre widersprüchliche Geschichte (sie repräsentierte trotz einer starken Basis unter den ArbeiterInnen immer auch einen starken Flügel der türkischen herrschenden Klasse) und die daraus folgende Bündnispolitik (eine enge Kooperation mit der faschistischen MHP) sorgte dafür, dass viele potentielle WählerInnen sie nicht als Alternative sahen.
Doch die Wahlebene zeichnet nur einen kleinen Ausschnitt der immer heftiger ausbrechenden Widersprüche innerhalb der türkischen Gesellschaft und den wachsenden Unmut der ArbeiterInnen und der Jugend. Mangels Alternativen auf der Wahlebene entlädt sich der Unmut immer häufiger auf der Straße.
An diesem Tag fand die schlimmste Bergbaukatastrophe in der Geschichte der Türkei statt. Nach einem Brand in einem Braunkohlebergwerk in Soma starben nach offiziellen Angaben 301 Bergleute, die meisten von ihnen erstickten. Doch in die Trauer der Angehörigen mischte sich sehr schnell eine enorme Wut. Schnell wurde bekannt, dass nur 22 Tage zuvor die Sicherheit der Grube Thema im türkischen Parlament war. Ein Antrag der CHP wurde von der AKP-Mehrheit abgeschmettert. Auch die Reaktion Erdogans ließ viele der Angehörigen fassungslos zurück. In einer Pressekonferenz zählte er Grubenunglücke aus den USA, Großbritannien, China und Frankreich mit hunderten Toten (die viele Jahrzehnte zurückliegen) als Beispiel auf, dass diese Katastrophe kein Einzelfall ist. In offener Verweigerung der Realität versicherte er weiterhin, dass die Grube in Soma eine der sichersten in der Türkei sei und schloss mit den Worten: „Lasst uns diesen Vorfall nicht als etwas interpretieren, was in Kohleminen nicht vorkommt. Solche Dinge passieren eben.“
Der Umgang der Regierung mit der Katastrophe mag zwar erschreckend sein, aber er spiegelt damit nur den Schrecken des kapitalistischen Systems als Ganzes wider. Denn aus kapitalistischer Sicht hatten die Besitzer der Grube in Soma bis zur Katastrophe alles richtig gemacht. Nachdem die Grube 2009 privatisiert wurde, brüstete sich Alp Gürkan, Chef der Soma Holding 2012 damit, dass eine Kostensenkung pro geförderter Tonne Kohle von 130-140 auf 23,80 Dollar gelungen sei. Das Ergebnis dieser konsequenten kapitalistischen Politik sind hunderte Tote. Wir stimmen Erdogan in einem zu: Im Kapitalismus passiert so etwas eben. Aber wir ziehen andere Schlüsse daraus, die auch die türkischen Jugendlichen und ArbeiterInnen bald ziehen werden: Der Kapitalismus muss gestürzt werden und durch ein System ersetzt werden, das an den Bedürfnissen der Bevölkerung und nicht an den Profitinteressen einiger Weniger ausgerichtet ist. Einen Weg nach vorne bietet nur ein sozialistischer Kurswechsel. Die nächste Runde an Massenprotesten in der Türkei muss diese wichtigste Lehre von Soma aufnehmen und die revolutionäre Bewegung in der Türkei auf eine neue Ebene heben.
Anti-Erdogan-Demonstration in Köln
Am Samstag, den 24.05.2014 sind tausende Erdogan-Gegner durch die Innenstadt Kölns marschiert. Auf dem Ebertplatz standen die Leute dicht an dicht. Von überall konnte man Slogans hören wie: „Überall ist Widerstand!“ „Du bist und bleibst ein Antidemokrat“ „Soma war Mord“: Viele Demonstranten trugen gelbe Schutzhelme, als Zeichen für die Anteilnahme der mittlerweile (laut Medien) 307 Toten, die das Grubenunglück in Soma gefordert hatte. Auf diversen Transparenten und Plakaten konnte man Recep Tayyip Erdogans schwarz bemaltes Gesicht erkennen: "Die Kohle ist so schwarz wie deine Seele", "Stoppt den Erdowahn!" Immer wieder konnte man auch „Überall Taksim - überall Widerstand“, lesen und hören, eine Anspielung auf die Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung auf dem Gezi-Platz in Istanbul letztes Jahr.
Die Menge war kunterbunt durchmischt, von überall her sind türkischstämmige Menschen gekommen, aus Holland, Österreich, Großbritannien, Schweiz, Frankreich, um gegen den türkischen Ministerpräsidenten zu demonstrieren. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 70.000 und 150.000 Teilnehmern. Organisiert wurde die Demonstration von den alevitischen Vereinen Europas, aber es beteiligten sich viele andere Gruppen/Gruppierungen wie Kemalisten, PKK-Anhänger, verschiedenste linke Organisationen und Parteien mit großen Kontingenten.
Die Demonstranten äußerten ihre Meinung, dass Erdogan ein antidemokratisches Verständnis von Staat und Gesellschaft hat. Schon bei seinen früheren Redeauftritten in Deutschland bezeichnete er damals Assimilation als Verbrechen. Nun verfolgt er genau dieses Ziel, nämlich die Assimilation, bei allen andersdenkenden Menschen in der Türkei.
Die Großdemonstration in Köln gegen den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan war ein voller Erfolg. Mit zehntausenden Menschen haben wir ein Zeichen gesetzt und verdeutlicht, dass Erdogan in Köln nicht willkommen ist. Wir möchten Menschen nicht schematisch in Türken, Kurden, Aleviten, Christen, Juden, Armenier, Muslime usw. einordnen. Unser Ideal ist ein friedvolles Miteinander egal welche Ethnie, egal welche Religion oder Herkunft die Menschen haben. Da fällt mir ein passendes Zitat dazu ein, von dem alevitischen Mystiker und Dichter Hacı Bektaş Veli: |