Kategorie: Europa |
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Italien: Der Klassenkampf ist zurück |
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Im Gegensatz zu den anderen Ländern Südeuropas herrschte in den letzten Jahren in Italien trotz tiefer Wirtschaftskrise eine lähmende Friedhofsruhe. Doch jetzt ist die Arbeiterklasse wieder am Zug. |
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Am 25. Oktober strömten eine Million ArbeiterInnen durch die Straßen Roms. Die Gewerkschaft CGIL hatte gerufen, und sie waren gefolgt – die Stahlarbeiter der AST aus Terni, die für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze streiken, die Belegschaft von Titan in Bologna, die mit einem Besetzungsstreik gegen die Schließung ihrer Fabrik kämpfen, die prekär Beschäftigten der großen Logistikunternehmen u.v.m. Diese machtvolle Demonstration signalisiert das Ende des nationalen Schulterschlusses in Italien. Im Angesicht der Wirtschaftskrise hatte sich die Gewerkschaftsführung in den vergangenen Jahren voll und ganz dem Diktat aus Brüssel und aus den Konzernzentralen gefügt. Sparpakete, Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst, der Abbau von Arbeits- und Gewerkschaftsrechten wurde widerstandslos hingenommen. Was die Priester des heiligen Standorts verlangten, wurde ihnen von der CGIL-Vorsitzenden Susanna Camusso als Opfergabe dargebracht. Wer sich der rollenden Kapitaloffensive entgegenstellen wollte, wurde allein gelassen. Die Rolle der Gewerkschaftsführung erlebten die kampfbereiten Teile der Arbeiterklasse als bleierne Betondecke, die jede Bewegung unmöglich machte.
Die Gewerkschaft CGIL kritisiert die Regierungspläne. Doch Renzi lassen diese Proteste kalt. Ja, er konfrontierte sogar die Gewerkschaften mit der Tatsache, dass sie der Prekarisierung der Arbeitswelt zwei Jahrzehnte lang tatenlos zugeschaut haben. Indem er Beschäftigung schafft, sei er der wahre Interessenvertreter der Arbeitslosen und der Jungen, während die Gewerkschaften nur alte, „privilegierte“ ArbeitnehmerInnen vertreten. Wer weiterhin am Kündigungsschutz festhalten will, so Renzi, sei wie jemand, „der im I-phone den Schlitz sucht, wo er die Münzen zum Telefonieren einwerfen kann“.
Und der sozialliberale Renzi weiß mit solchen Ansichten nicht nur die namhaftesten Kapitalisten des Landes hinter sich. Das Wall Street Journal bezeichnete die Gewerkschaft am Tag nach der Großdemo in Rom: „Bewegung für den ökonomischen Selbstmord Italiens“. Und die Regierung lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie den Jobs Act gegen jeden Widerstand durchsetzen will. Renzi ließ den Gewerkschaftsspitzen ausrichten, dass er zu keinen Verhandlungen bereit ist und dass er sich durch Demonstrationen nicht aufhalten lässt.
Die Bürgerlichen meinen es also ernst mit ihren Plänen und stellen sich geschlossen hinter die Regierung Renzi. Auf parlamentarischer Ebene ist dieses Paket an Konterreformen nicht zu stoppen, weil die Linke einfach zu schwach vertreten ist. In dieser Situation kann der nächste Schritt nur der Generalstreik sein. Susanna Camusso hat bei der Abschlusskundgebung in Rom die altbekannte Formel wiedergekäut: „Wir sind zu jeder Form des Kampfes bereit, auch zum Generalstreik, aber alles im richtigen Rhythmus.“ Der Generalstreik als „letztes Mittel“, als Drohgebärde, die aus taktischen Gründen vorgebracht wird. Aber diese Taktiererei verfehlt längst ihre Wirkung.
Doch selbst wenn es gelingen sollte, die Regierungsangriffe abzuwehren, stellt sich die Frage einer politischen Perspektive für die Arbeiterbewegung. Die Gewerkschaftsführung ist noch immer mit der regierenden PD eng verbunden. Es wird immer offensichtlicher, dass ein Bruch zwischen der CGIL und der PD notwendig ist und dass die Arbeiterbewegung eine eigene Partei herausbildet, „die imstande ist den Klassenkampf in ein Programm zu übersetzen, das eine reale Alternative zu diesem faulen System und seinen Vertretern darstellt.“ (Falce Martello, Nr. 265)
Die italienische Arbeiterbewegung steht angesichts der tiefen Wirtschaftskrise vor großen Herausforderungen. Wichtig ist aber einmal, dass sie wieder als eigenständiger Spieler die Bühne betreten hat. Der politische Diskurs hat sich in den letzten Wochen grundlegend geändert, wie uns Paolo Brini zufrieden erzählt: „Man redet nicht mehr von ‚Berlusconi ja oder Berlusconi nein‘, nicht mehr von ‚die Kaste gegen die BürgerInnen‘, sondern ganz offen über ‚ArbeiterInnen gegen UnternehmerInnen‘, ‚Rechte versus ungezügelte Ausbeutung‘. Der Klassenkampf wird wieder offen geführt, und das hilft vielen die Dinge wieder richtig zu sehen.“
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