Die vergangenen Jahre sahen wir gewaltige Angriffe der herrschenden Klasse auf die Errungenschaften der italienischen Arbeiterklasse und ihre Organisationen. Dies erklärt sich vor allem aus der strukturellen Schwäche des italienischen Kapitalismus, der eine derartige Kapitaloffensive zu einer Überlebensfrage macht. Derzeit stützen sich die Bürgerlichen dabei in erster Linie auf die Regierung Renzi. Die Gewerkschaften, die bis vor kurzem noch die Regierung unterstützten und Streiks als nutzloses Kampfmittel abgetan hatten, haben in den vergangenen Wochen eine Reihe von Massenprotesten organisieren müssen. Die GenossInnen von SCR sind Teil dieser Mobilisierungen der Gewerkschaft CGIL gegen die Regierung. Dabei stellen sie der Gewerkschaftsführung um Camusso und Landini keinen Blankoscheck aus, sondern betonen die Notwendigkeit einer Kampfstrategie, die zum Sturz der Regierung führen muss.
In zahlreichen Wortbeiträgen wurden die neuen Aspekte und das Potential dieser Entwicklungen herausgearbeitet. Dabei wurde ein sehr genaues Bild von der tiefreichenden Krise des bürgerlichen Systems in Italien gezeichnet. Die extrem hohe Wahlenthaltung bei den Regionalwahlen hat vor allem eins gezeigt: Keine der bestehenden Parteien repräsentiert derzeit die Massen, und das bei einer gleichzeitigen Welle von Massenprotesten im ganzen Land. Dies geht Hand in Hand mit einem generellen Glaubwürdigkeitsverlust aller „traditionellen“ sozialdemokratischen Parteien der Arbeiterbewegung. Was für Italien sehr relevant ist, ist der sprunghafte Aufstieg von Parteien wie SYRIZA in Griechenland und PODEMOS in Spanien. Die Prozesse in Italien sind nur in diesem Kontext wirklich zu verstehen.
Der zweite Tag wurde mit zwei Kommissionen, eine zu Gewerkschaftsarbeit und eine zu Jugendarbeit, eröffnet. In der Gewerkschaftskommission wurde die Diskussion über den Charakter der derzeitigen Gewerkschaftsmobilisierungen vertieft. Von besonderem Interesse waren dabei die Diskussionsbeiträge von Mario Iavazzi, Mitglied der Nationalen Führung der CGIL, und Paolo Brini, Mitglied des Zentralkomitees der Metallergewerkschaft FIOM. Matteo Parlati (Ferrari, Modena) und Domenico Loffredo (Fiat di Pomigliano) berichteten über die Arbeit im FIAT-Konzern, während Antonio Forlano über die wichtigen Fortschritte der marxistischen Strömung im Logistik- und Transportsektor sprach.
Die Jugendkommission war geprägt von einer sehr lebendigen Debatte, die die Aktivitäten in ganz Italien widerspiegelte. In den vergangenen Wochen gab es eine Reihe von Schulbesetzungen. Diese neue SchülerInnenbewegung ist auch geprägt von der Idee, dass es notwendig ist gemeinsam mit den ArbeiterInnen zu demonstrieren. Während die bestehenden SchülerInnenorganisationen allesamt in der Krise sind, gelang es der Jugendorganisation Sempre in Lotta (Immer im Kampf) landesweit Fortschritte zu machen. In mehreren mittelgroßen Städten wie Agrigento, Crema oder Varese ist sie die stärkste Kraft in der Jugend, in den letzten Monaten konnte sie aber auch in Großstädten wie Mailand und Neapel eine sichtbare Organisation an den Schulen aufbauen. Dies gelang vor allem durch Kampagnen gegen die hohen Selbstbehalte, die SchülerInnen am Beginn des Schuljahres zu entrichten haben, und gegen die baufälligen Schulgebäude, die in vielen Fällen ein echtes Sicherheitsrisiko darstellen.
Weiter ging es mit einer Diskussion über das Programm von Sinistra Classe Rivoluzione, die von Claudio Bellotti eingeleitet wurde. Anknüpfend an die Methode des Übergangsprogramms wurde ein Programmentwurf ausgearbeitet, der eine revolutionäre Alternative zum Kapitalismus zum Inhalt hat. Die GenossInnen betonen vor allem die Begrenztheit des Kampfes für Reformen angesichts des Charakters der kapitalistischen Krise. Das neue Programm bettet hingegen den Kampf um neue Errungenschaften ein in umfassendes Programm zur Umwälzung der gesamten Gesellschaft. Durch die Debatte wurde vor allem das Kapitel zu Umweltfragen stark erweitert.
Der zweite Tag wurde begann mit einer Diskussion über eine neue Zeitung, die von der marxistischen Strömung herausgeben wird. Neben der Zeitschrift „FalceMartello“, die in eine Theoriezeitschrift umgewandelt wird, werden die GenossInnen ab April eine neue Zeitung mit dem Titel „Rivoluzione“ herausgeben, die alle zwei bis drei Wochen erscheinen soll. Diese neue Publikation soll sich direkt an die Arbeiterklasse und die Jugend wenden. Diese neue Zeitung stellt eine große Herausforderung für die Arbeit der GenossInnen dar. Dieses Projekt basiert aber auf der Perspektive, dass Italien in eine neue Welle des Klassenkampfs eingetreten ist, und dem Selbstverständnis, dass die marxistische Strömung eine Organisation darstellt, die im Gegensatz zu großen Teilen der Linken nicht von außen kommentieren will, sondern ihren Platz im Zentrum des Klassenkampfs sieht.
Sinistra Classe Rivoluzione ist keine neue Partei, sondern versteht sich vielmehr als eine politische Bewegung, die sich mit aller Kraft als Teil der neuen Massenbewegung in den Teilen der Arbeiterklasse und der Jugend verankern will, die eine revolutionäre Alternative für notwendig erachten. Auf der Linken existiert ein großes Vakuum, das die marxistische Strömung gewiss nicht füllen kann, weil ihre Kräfte noch zu klein sind. Massenparteien entstehen nicht aufgrund der voluntaristischen Anstrengungen kleiner linker Gruppen, sondern im Zuge großer Ereignisse. Sinistra Classe Rivoluzione will jedoch in der gesamten Arbeiterbewegung, der FIOM, der CGIL und allen klassenkämpferischen Gewerkschaften die Diskussion über die Bildung einer neuen Arbeiterpartei in Italien anstoßen. Die Notwendigkeit einer solchen Partei wird heute nicht nur von kleinen Zirkeln, sondern von immer größeren Teilen der Arbeiterschaft und der Jugend gesehen. Mit einem revolutionären Programm und einer internationalistischen Perspektive, die so nur von der IMT repräsentiert wird, wird sich Sinistra Classe Rivoluzione in diese Diskussionsprozesse einbringen.
Gleichzeitig muss die marxistische Strömung jetzt unmittelbar stärker werden und wachsen, um in den künftigen Kämpfen eine zentrale Rolle einnehmen zu können. Diese Konferenz hat jedenfalls die Grundlage dafür gelegt!
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