Kategorie: Europa

Das Attentat auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“

Der Terroranschlag gegen das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ hat eine riesige Welle an Wut, Empörung und Trauer in ganz Frankreich ausgelöst. Am Mittwoch Abend gingen mehr als hunderttausend Menschen in vielen verschiedenen Städten auf die Straßen, um gegen das Attentat zu demonstrierten. Der Abscheu vor diesem barbarischen Akt ist umso größer, da die ermordeten Personen in Frankreich sehr bekannt waren und geschätzt wurden.



Die linken Parteien und Gewerkschaften haben zu Demonstrationen aufgerufen, Meinungsfreiheit steht im Mittelpunkt der skandierten Parolen wie der öffentlichen Diskussion. Die Regierung, die Rechte und die rechte Partei „Front Nationale“ haben diese Parole opportunistischerweise aufgegriffen. Sie geben an, eine Freiheit zu verteidigen, die sie normalerweise mit Füßen treten. Sie haben kein Problem mit den Strom an prokapitalistischer, imperialistischer und rassistischer Propaganda, die sich aus den Mainstreammedien ergießt. Und seit Marine Le Pen und ihre Freunde endlich auch ihre Plätze in den Rundfunk- wie Fernsehanstalten gefunden haben, ist es sehr still um den für ihre Partei typischen Ruf nach mehr Meinungsfreiheit geworden. Alles ist gut in der schönen neuen Medienwelt, rufen ihre Meister Bouygues, Lagardère, Dassault und Bolloré (einflussreiche französische Kapitalisten, Anm.)

Die scheinheilige Position der herrschenden Kräfte zur Medienfreiheit muss bei der Arbeiterbewegung alle Alarmglocken läuten lassen. Die herrschende Klasse und die „sozialistische“ Regierung werden diesen Angriff und die Emotionen, die er ausgelöst hat, dazu benutzen, die ArbeiterInnen von der Krise des Kapitalismus und dessen katastrophalen Folgen abzulenken. Sie werden ihn auch dazu benutzen, von der reaktionären Politik abzulenken, die die Regierung im Interesse einiger weniger KapitalistInnen durchsetzt, auch im Interesse der oben genannten. Genau darin besteht der tiefere Sinn des aktuellen Rufs der Rechten und der Regierung nach „nationaler Einheit“ . Dies muss von den Organisationen der Arbeiterklasse und der Linken zurückgewiesen werden!

„Wir befinden uns im Krieg“, das wiederholen JournalistInnen und PolitikerInnen seit gestern gebetsmühlenartig. Es stimmt, ein "Krieg" findet in Frankreich wirklich und massiv statt, der der KapitalistInnen und der Regierung, die Hand in Hand gegen wohlerworbene demokratische Rechte, den Lebensstandard und sozialen Errungenschaften eines Großteil der französischen Bevölkerung ins Feld ziehen. Die Ausrufung eines nationalen Schulterschlusses angesichts des Terrorismus wird keinen Schlussstrich unter diese Politik setzen, ganz im Gegenteil. Es handelt sich dabei um einen Aufruf zur Entwaffnung der Arbeiterklasse und lenkt von den asozialen Kürzungen und Reformen dieser Regierung ab, beginnend mit den Macron-Gesetzen (Eine Reihe von Gesetzen, die Privatisierungen und Liberalisierungen der Wirtschaft durchsetzten sowie einzelne Berufsgruppen angreifen).

Diese Regierung befindet sich im Krieg gegen unsere Klasse. Sie nutzt regelmäßig rassistische Propaganda, um uns zu spalten und ihre Ziele zu erreichen. Als Innenminister übernahm Manuel Valls – der jetzige Premierminister - von Sarkozy den Rassismus und steigerte die verbalen Angriffe gegenüber nationalen Minderheiten sogar noch deutlich. Nun rufen diese feinen Herren dazu auf, nach den aktuellen Geschehnissen doch bitte nicht die Dschihadisten mit den Moslems in Frankreich im allgemeinen „zu verwechseln“. Aber natürlich wissen sie, dass diese „Verwechslungen“ trotzdem stattfinden werden, und sie bauen auch darauf, dass dies passiert.

Das zeigt die wahre Verbindung zwischen den reaktionären Islamisten und den Rechten im Westen. Dieser Angriff wird, wenn er seine Ziele erreicht, den französischen Staat oder die Rechten nicht im geringsten schwächen. Im Gegenteil, er wird sie enorm stärken, indem die Arbeiterklasse anhand von religiösen und nationalen Grenzen gespalten wird. Die Hintermänner der gestrigen Attacke haben den rechten Propagandisten, die sich seit Jahren in einer Art ideologischen Guerillakrieges gegen die muslimische Gemeinschaft befinden, einen großen Dienst erwiesen. Die rassistische Propaganda wird sich in den kommenden Tagen und Wochen noch verstärken. Die Arbeiterbewegung muss mit voller Kraft gegen alle rechten Angriffe auf Muslime mobilisieren. Sie muss die Arbeiterklasse aber nicht nur im Kampf gegen den Rassismus mobilisieren, sondern auch gegen den Kapitalismus, der den Rassismus erst hervorbringt.

Marine Le Pen fordert die Menschen auf, „ gegen islamischen Fundamentalismus“ aufzutreten und „den Weg effektiver Schutzmaßnahmen“ einzuschlagen. Sie versucht, ein Klima der Angst zu erzeugen, um dies in einen Wahlerfolg umzumünzen. Und „ effektive Schutzmaßnahmen“ würde vor allem eins bedeuten: Neue Angriffe auf die demokratischen Rechte unter dem Deckmantel des „Krieg gegen den Terrorismus“. Auch hier muss die Arbeiterbewegung wachsam sein und diese Versuche klar zurückweisen. Wie wir nach den Angriffen des 11. September in den USA gesehen haben, werden „Anti-Terror“-Gesetze letztendlich gegen die Arbeiterbewegung eingesetzt, einschließlich der Gewerkschaften.

Der französische Imperialismus befindet sich ebenfalls im Krieg: In Afrika und im nahen Osten. Nicht etwa, um die „Demokratie“ oder die „großartigen republikanischen Prinzipien“ zu verteidigen, sondern um die Interessen des französischen Kapitalismus zu verteidigen. Um das zu erreichen, haben sowohl Sarkozy als auch Hollande direkt fundamentalistische Gruppen unterstützt, vor allem in Syrien und Libyen. Dieser Fakt alleine zeigt die komplette Scheinheiligkeit der bürgerlichen PolitikerInnen, die jetzt als „Verteidiger republikanischer Grundwerte gegen den islamischen Fundamentalismus“ auftreten. In den letzten Monaten hat gerade Hollande die USA dazu aufgerufen, die „gemäßigte“ Opposition in Syrien zu bewaffnen. Aber diese „Gemäßigten“ sind in Wirklichkeit Islamisten und Fundamentalisten. In Wirklichkeit war der französische Imperialismus in den letzten Jahren einer der westlichen Hauptunterstützer des islamischen Fundamentalismus in Syrien und Libyen. Sie haben dabei geholfen, diese Kräfte als Stoßtruppen gegen die Arabische Revolution aufzubauen, um damit die engstirnigen Interessen des französischen Kapitalismus zu verteidigen. Ohne die direkte Unterstützung durch die imperialistischen Mächte hätte der islamische Fundamentalismus nicht überleben können!

 

Die Imperialisten paktieren nicht mit diesen rückständigen Kräften, um „das Volk“ von diesem oder jenen Land oder irgendwelche „Grundwerte“ zu verteidigen, sondern zur Durchsetzung ihrer eigenen engstirnigen Interessen, die sie gerade verfolgen. Gestern noch unterstützte Frankreich Dschihadisten in Syrien, heute bekämpft es einen Teil dieser, während andere weiterhin mit Geld überschüttet werden. Wir müssen gegen diese Scheinheiligkeit auftreten und alle Versuche zurückweisen, die Angriffe auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ dafür auszunutzen, Militärinterventionen Frankreichs in Afrika und dem Nahen Osten zu rechtfertigen.

 

Die Ursprünge des Terrorismus und islamischen Fundamentalismus sind nicht im Koran, sondern im Kapitalismus zu suchen, der für Millionen Muslime auf der ganzen Welt Armut, Ausbeutung, imperialistische Kriege, Rassismus und alle möglichen anderen Formen der Unterdrückung bedeutet. Wir können den Fundamentalismus nicht auf der Grundlage der sogenannten „demokratischen Grundwerte“ bekämpfen – einer kapitalistischen „Demokratie“, die die Unterdrückten auf der ganzen Welt ausbeutet, ausschließt und aus ihren Jobs entlässt. Wir müssen den muslimischen Jugendlichen ein Programm und eine Perspektive bieten, den Kapitalismus und Imperialismus zu überwinden. In Frankreich und in allen anderen Ländern ist es in aller erster Linie die Verantwortung der Linken und der Arbeiterbewegung, die Grundlagen des Terrorismus und Fundamentalismus zu beseitigen. Und um das zu erreichen, müssen wir klar und deutlich jede „Einheit“ mit der Rechten, der herrschenden Klasse und ihrem Staat ablehnen!



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