Bereits am 20. Juni 2015 gingen allein in der Haupstadt London über 150.000 Menschen gegen die Austeritätspolitik der Tories auf die Straße und legten weite Teile der Infrastruktur lahm. Inmitten dieser Auseinandersetzungen erwacht die sozialdemokratische Labour Party nach selbstprogrammierten Wahlniederlagen als Massenorganisation der wehrhaften Arbeiter*innen und Jugend zu neuem Leben. Wie kommt es zu diesem Phänomen?
Spätestens seit den 2014er Europaparlamentswahlen tritt der objektive Abwärtstrend der unter der Sozialistischen Internationale organisierten sozialdemokratischen Parteien Europas ganz offiziell zu Tage. Die anhaltende falsche Orientierung von Parteien wie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der Parti Socialiste (PS) in Frankreich, der inzwischen durch die von der Krise geknechteten Bevölkerung gänzlich entsorgten Panellinio Sosialistiko Kinima (PASOK) in Griechenland und der britischen Labour Party (LP) auf die bürgerlichen Schichten und massive Kürzungspolitik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen sind die Ursache für erdrutschartige Stimmenverluste bei Parlamentswahlen. Der Rückhalt der Sozialdemokratie in der Arbeiter*innenklasse ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren durch die Verschärfung der sozialen Frage sowie der Unfähigkeit des Reformismus, Lösungen für einen Ausweg aus der Krise des Kapitalismus und der aus ihr resultierenden Austeritätspolitik anzubieten, weiter verstetigen.
Die britische Sozialdemokratie und Jeremy Corbyn
Die Labour Party mussten bei den vergangenen Unterhauswahlen im Mai 2015 eine historische Niederlage einstecken, woraufhin ihr damaliger Parteivorsitzende und Oppositionsführer Ed Miliband seinen Posten räumte. Miliband spielte während seiner Amtsperiode ein doppeltes Spiel. Mit Parolen wie „We need a government of labour!“ und einer wörtlichen Abgrenzung gegenüber den konservativen Tories versuchte er die arbeitende Bevölkerung bei der Stange zu halten. Gleichzeitig war er stets darauf bedacht, auf die Ängste der Bourgeoisie zu reagieren und ihnen zu versichern, dass es keinerlei Antastungen ihres Privateigentums geben werde. Diese Strategie gibt Aufschluss über die Sichtweise karrieristischer Sozialdemokraten, welche die arbeitende Bevölkerung in Dummheit wähnen und sie lediglich als Stimmvieh gebrauchen, was grundsätzlich zum Scheitern verurteilt war und ist. Durch die Niederlage der Labour Party stellen die Tories um David Cameron derzeit eine Alleinregierung im Vereinigten Königreich, wodurch sie eine ungehinderte Austeritätspolitik im Sinne von Margaret Thatcher betrieben können. Nicht nur Angriffe auf die Sozialstandards zugunsten der besitzenden Klasse, sondern auch Einschränkungen der Pressefreiheit bei zu kritischer Berichterstattung werden derzeit durchgeführt. Dies führte in den letzten Monaten zu enormen Massendemonstrationen, wie wir sie zunächst nur aus den südlichen Ländern der Europäischen Union kannten. Das Paradoxon besteht dabei in dem Aufstieg der Labour Party, also ausgerechnet jener Partei, die seit ihrer Übernahme durch die Blairites (neoliberaler rechter Flügel um Tony Blair, Anm.) eine beispiellose Kriegs- & Kürzungsgeschichte durchwanderte. Dies lässt sich im Wesentlichen anhand 3 objektiver Faktoren erklären.
In Großbritannien existiert neben der klassischen Sozialdemokratie keine sozialistische Alternative, welche den Status als Massenbewegung für sich beanspruchen könnte. Die Kommunistische Partei Frankreichs schart über 138.000 Mitglieder hinter sich, in Deutschland kann DIE LINKE mit ca. 65.000 Parteimitgliedern regelmäßig Millionen Wähler*innen mobilisieren. Diese Optionen gibt es im Vereinigten Königreich nicht. Der Prozess der sogenannten neoreformistischen Parteien, also oftmals Linksabspaltungen von der klassischen Sozialdemokratie als Reaktion auf den anhaltenden Verbürgerlichungsprozess (vgl. SPD und WASG), hat die Labour Party noch nicht erreicht. Wir können allerdings mit Bestimmtheit sagen, dass es auch im Vereinigten Königreich nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die Linken in der Labour Party verselbstständigen. Andere linke Kleinparteien haben inzwischen im Zuge des Aufstiegs der Labour Party um Gespräche und Vernetzungskonferenzen mit dem sozialdemokratischen Arbeiter*innenflügel gebeten, obgleich sie dessen Existenz noch vor wenigen Monaten leugneten. Dies zeigt auch, dass linke Kleinparteien und Wahlbündnisse erkennen, dass es kein Manöver um die Labour Party herum geben kann und sie ihre organischen Berühungsängste einstellen müssen. Damit einhergend beginnt offenbar die Totalabgrenzung und kleinbürgerliche Phrasendrescherei gegen die Massenorganisationen der Arbeiterklasse als solche allmählich zu bröckeln, als die „Socialist Party“ in einem im August 2015 veröffentlichten Appell bemerkenswert verkündete, Zitat: „Wir würden an einer solchen Konferenz [der Gewerkschaften & Anhänger*innen des linken Labour-Leader Kandidaten Jeremy Corbyn, Anm., Näheres folgend im Text] teilnehmen wollen.“
Die immernoch vorhandene Verankerung der Labour Party in der arbeitenden Bevölkerung spiegelt sich in ihrem unveränderten Schulterschluss mit den großen Gewerkschaften wider. Dieses Verhältnis stellt einen weiteren Stützpfeiler für den Zuspruch seitens der arbeitenden Bevölkerung und Jugend dar. Es war eine entscheidende Frage, ob die Gewerkschaften im Zuge der vorprogrammierten Wahlniederlage der Labour Party weiterhin still halten würden, oder ob die kämpferischen Teile in den Gewerkschaften zu rebellieren beginnen würden. Das Schicksal der Labour Party ist untrennbar mit ihrer organischen Verbundenheit mit den Gewerkschaften verbunden. Diese beiden Faktoren – das Fehlen einer ernsthaften linken Alternative & der Schulterschluss mit den Gewerkschaften - erklären, weshalb die Labour Party eine verhältnismäßig stabile Mitgliederbasis hat. Sie erkären aber nicht, weshalb sich über 160.000 Menschen aus der britischen Jugend- & Arbeiter*innenbewegung in den letzten 4 Wochen der Partei angeschlossen haben und die Labour Party als einzige Partei der Sozialistischen Internationale wieder tendenziell als Bedrohung für die Bourgeoisie in den bürgerlichen Medien Europas präsent ist.
Jede Bewegung braucht ein Gesicht als symbolischen Ausdruck des Gärungsprozesses in der Gesellschaft. Eine Persönlichkeit, mit welcher sich die Bewegung identifiziert und ihre Hoffnung personalisiert. In Großbritannien ist das der 66-jährige sozialistische Gewerkschafter Jeremy Corbyn, der seit 1983 im britischen Unterhaus als Mitglied der Labour Party sitzt. Corbyn hatte seit jeher immer wieder die sozialdemokratische Fraktionsdisziplin gebrochen, bspw. in der Frage des auf Lügen beruhenden Rechtfertigung des Eintritts Großbritanniens in den Irak-Krieg im Jahr 2003 und gilt als entschiedener Gegner der NATO und „New Labour“, der seit 1994 bestehenden Ausrichtung der Labour Party, welche anstelle des Klassenkampfes mit dem Ziel des Sozialismus oder Verstaatlichung von Schlüsselindustrien eine Marktwirtschaft bejahende Position einnimmt. Daraus resultiert auch seine oppositionelle Haltung gegen jede Form der Austeritätspolitik, welche in weiten Teilen der Bevölkerung ebenfalls auf massive Ablehnung stößt. Mit diesen Positionen hat Corbyn den Nerv der Massen getroffen, welche ihn in Verindung mit seiner Kandidatur als neuer Labour-Leader innerhalb kürzester Zeit zur Ikone der britischen Jugend- & Arbeiter*innenbewegung gemacht haben. Über 160.000 Menschen sind daraufhin in den letzten 4 Wochen in die Labour Party eingetreten. Diese Zusammenhänge sind unübersehbar.
So wichtig eine Unterstützung für die Kandidatur Jeremy Corbyns ist, so notwendig ist auch die programmatische Auseinandersetzung mit dem politischen Programm der Labour Party. Es wäre absurd zu behaupten, eine Labour Party – auch unter der Führung Jeremy Corbyns – könne in ihrer derzeitigen Verfasstheit den Lebensstandard der britischen Bevölkerung signifikant verändern. All jene Kritiker*innen, die Gegenteiliges behaupten, mögen sich ein einziges Wort an die Wand ihres Schlafzimmers schreiben: Tsipras. Wir dürfen nicht auf die Einzelperson Jeremy Corbyn starren, sondern müssen uns für die Massen junger und verärgerter Menschen interessieren, die von Jeremy Corbyn angezogen und motiviert werden.
Die schottische Sozialdemokratie und das Unabhängigkeitsreferendum
Der historische Abstieg der Labour Party im Zuge der britischen Unterhauswahlen diesen Jahres manifestierte sich im dramatischen Niedergang in ihrer einstiegen Bastion: der Fall Schottland und das Unabhängigkeitsreferendum.Die nationalistische „Better Together“-Kampagne der Labour Party konnte im Zuge des schottischen Unabhängigkeitsreferendums im Herbst 2014 nur das falsche Signal an die schottische Arbeiter*innenklasse senden. Doch auch die ebenfalls nationalistische „Hope over fear“-Kampagne, getragen von linken Kleinparteien, welche die britische Arbeiter*innenklasse in eine schottische und eine englisch-walisische auseinander dividierte, hat nicht zum Aufstieg einer neuen sozialistischen Massenpartei beigetragen. Der schottisch-proletarische Nationalismus, gestützt auf die soziale Frage und der traumatischen Erlebnisse des neoliberalen Thatcher-Regimes der 1980er, äußerte sich vielmehr in einer Abstrafung der Labour Party als Stütze der britischen Austeritätspolitik bei gleichzeitiger Ignorierung der linken Kleinparteien in der gesellschaftspolitischen Bedeutungslosigkeit. Mit dem Aufstieg der Scottish National Party (SNP) testet die Jugend und Arbeiter*innenbewegung nun eine neue sozialdemokratische Partei, welche dem bürgerlichen Staat die absolute Ordnungskompetenz zuweist. In den vergangenen Wochen spielten sich im Unterhaus dabei Szenen der sozialdemokratischen Verbrüder- & Verschwesterung zwischen der SNP und der LP ab. So wandte sich die SNP-Abgeordnete Mhairi Black am 14. Juli 2015 an die Fraktion der Labour Party mit den Worten: „We must form an opposition [to the Tories]. And in order to be effective we must oppose and not abstain. So I reach you a genuine hand of friendship which I can only hope will be taken. Let us come together, let us be that opposition!“ (zu deutsch: Wir müssen eine Opposition zu den Tories aufbauen. Und um dies effektiv zu sein, müssen wir uns widersetzen anstelle uns der Stimme zu enthalten. Daher reiche ich ihnen eine echte Hand der Freundschaft, welche hoffentlich angenommen wird. Lasst uns zusammen kommen, lasst uns diese Opposition sein!)
Dass ausgerechnet die Scottish National Party in klarer Abgrenzung zur Labour Party gewählt wurde, damit diese anschließend mit eben jener Labour Party ein Bündnis zu schmieden beginnt, dürfte bei manchen Unterstützer*innen der SNP so einige Irritationen hervorrufen. Doch verwundert uns diese Entwicklung? Man muss schließlich kein Marxist sein um sich an das alte Sprichwort zu erinnern: „Gleich und Gleich gesellt sich gern!“ Bemerkenswert ist jedoch, dass der Aufstieg der SNP sowie der unerwartete neue Aufstieg der Labour Party verdeutlicht, dass der Reformismus einen langen Atem hat und tief in der Arbeiter*innenklasse verwurzelt ist. Der Erfolg der Sozialdemokratie ist unmittelbar an die gesellschaftspolitischen & ökonomischen Verhältnisse geknüpft.
Die Sozialdemokratie in der Bundesrepublik Deutschland
Die auffällige Stille in den Reihen der SPD-Bürokratie zu den aktuellen Vorkommnissen in ihrer britischen Schwesterpartei kann nicht darüber hinweg täuschen, dass sie selbst eine Rebellion in der eigenen Partei befürchtet. Zum einen verübte die Labour Party schon immer einen entscheidenden Einfluss auf die anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa. So ist es nicht verwunderlich, dass die Sozialdemokratische Partei Deutschlands unter Gerhard Schröder und die Parti Socialiste unter François Hollande in den 1990er Jahren dem sogenannten „dritten Weg“ der britischen Blairites blinde Gefolgschaft leisteten, was eine endgültige Abkehr von den Ideen eines reformorientierten Sozialismus hin zu einem Fetisch für die Anarchie des Marktes umschwengte. Und dennoch – innerhalb der SPD brodelt es heftigst unter dem Deckmantel der sozialdemokratischen Geschlossenheitsdisziplin. Die Partei spaltet sich entlang der Frage um die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta, welche die Apparatsbürokratie auf ihrem letzten Bundesparteitag gegen jeden Widerstand durchzusetzen bereit war. Der verstetigte Mitgliederschwund der SPD, die gegen die Parteiführung rebellierenden Juso-Landesverbände Hessen und Bayern, die zunehmende Bedeutungslosigkeit der reformistischen Strömung DL21 (Demokratische Linke) sowie ihre Konkurrenz der sogenannten Magdeburger Allianz um die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann wird in den nächsten Jahren zu ernsthaften Auflösungserscheinungen der einst bestorganisiertesten und fortschrittlichsten Sozialdemokratie der Welt führen. Die SPD hat weder den bedingungslosen Zuspruch der Gewerkschaften, noch hat sie eine sichtbare linke Parteiopposition mit prominenten Vertretern oder eine offene linke Flanke in der Landkarte der Parteienlandschaft. Indessen dürfen Wetten darauf abgeschlossen werden, wann sich die SPD in ihrem Grundsatzprogramm vom Ziel des „Demokratischen Sozialismus“ auch formal verabschieden wird.
Die aus der linkssozialdemokratischen WASG und der reformorientierten Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) hervorgegangene Partei DIE LINKE befindet sich 10 Jahre nach den ersten Verschmelzungstendenzen in einer anhaltenden Krise der Desorientierung und Zerstrittenheit. Vorallem auf die Zerstörung der griechischen SYRIZA unter Führung ihrer inzwischen designierten Galionsfigur Alexis Tsipras als Idol der deutschen LINKEN, welche inzwischen längst den Platz der PASOK eingenommen hat, reagiert die Partei mit beunruhigender Ahnungslosigkeit. Aus dem Karl Liebknecht Haus in Berlin ertönten am 22. August 2015 derweil die nüchternen Worte des Vorsitzenden Bernd Riexinger: „Die Linke in Deutschland unterstützt Alexis Tsipras mit allen Kräften dabei, erneut eine Mehrheit für eine linke Regierung in Griechenland zu erringen.“ und weiter „Syriza und ihr mutiger Kampf sind und bleiben Sand im Getriebe der neoliberalen Zerstörung der europäischen Idee“ welche bei der Mehrheit der Partei DIE LINKE nicht einmal rezipiert wurden. Offensichtlich verhält sich DIE LINKE in Bezug auf den Niedergang SYRIZA's ebenso wie die SPD auf den Aufstieg der Labour Party: Mit eisernem hoffen und schweigen.
Der Reformismus am Scheideweg
Bedeutet der organische Niedergang der klassisch-organisierten Sozialdemokratie auch den Niedergang sozialdemokratischer Ideen selbst? Die gegenwärtigen Ereignisse in Europa verneinen diese These. Obgleich der Gärungsprozess in der Arbeiter*innenklasse und des Keinbürgertums ein objektiver Indikator für die Verschärfung der sozialen Lage in Europa ist, so ist eine Annahme, nach welcher der politische Reformismus am Ende sei, verfrüht. Die Sozialdemokratie und die Arbeiter*innenklasse werden sich gewiss neue Formen der Organisation suchen, sobad sie die alten Parteien auf dem Mülhaufen der Geschichte entsorgt haben. Entgegen der These Trotzki's, dass nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Sozialdemokratie und der Stalinismus von den Massen hinweggefegt würden, erstarkte der Reformismus in der Nachkriegszeit. Dieser Faktor wirkt auch in die Jahre der größten Krise des Kapitalismus seit 200 Jahren hinein.
Dies manifestiert sich im Aufstieg neuer reformistischer Massenparteien wie SYRIZA oder PODEMOS. In ihrer rein programmatischen Ausrichtung werfen sie die Macht- & Eigentumsfrage auf, doch in ihrer Praxis fallen sie dem Opportunismus anheim. Das hat nichts mit einer subjektiven Boshaftigkeit aller Reformisten zu tun, sondern liegt in der Natur der Annahme, dass die Macht- & Eigentumsfrage nur dann vollzogen werden kann, wenn mit dem bürgerlichen Staat und seinen Institutionen bereitwillig gebrochen wird. Der Reformismus ist bekannt dafür, dem Staat gegenüber der Gesellschaft die absolute Handlungskompetenz zuzuschreiben. Transformationsprozesse in Richtung Sozialismus können daher nur zum Scheitern verurteilt sein, wenn sie nicht auf die Massen orientieren, geschweige denn, ihnen das Vertrauen zur Umstrukturierung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu schenken. Zum anderen werden mit der Akzeptanz des bürgerlichen Rechtsstaats in (vor-)revolutionären Phasen auch die Spielregeln des bürgerlichen Staates akzeptiert – folglich also auch die Eigentumsverhältnisse und die Spielregeln der bürgerlichen Klassen. Es ist keine veralterte Phrasendrescherei, dass die Macht- & Eigentumsfrage in Verbindung mit den Fragen des Alltags in der Zivilbevölkerung unabdingbar gestellt werden muss. Wir befinden uns in vom Reformismus durchtränkten Zeiten, weshalb die Sozialdemokraten oftamals ein verächtliches Lächeln für solche Losungen bereitstellen. Damit stellen sie ihre eigene Unkenntnis über gesellschaftliche Umwälzungen zur Schau.
Dieses Unverhalten ist ebenso töricht, wie die Abstinenz sektiererischer Gruppierungen von den Massenorganisationen. Der Reformismus kann nicht bekämpft werden, indem wir ihm den Rücken zudrehen und auf die direkte Konfrontation vor den Augen der Massen verzichten. Andersherum können die Massen nicht für revolutionäre Ideen gewonnen werden, wenn diese ihnen von kleinen Gruppen aus der Distanz & Abstinenz heraus zugerufen werden. Der russische Revolutionär Leo Trotzki sagte im Jahr 1938 in Bezug auf den Aufbau einer neuen revolutionären Internationale „Sich auf die Revolution vorzubereiten, heißt für die Sektierer, sich selbst von den Vorzügen des Sozialismus zu überzeugen. […] Sie bleiben gleichgültig gegenüber dem Kampf, der sich im Innern der reformistischen Organisationen abspielt, – als ob man die Massen für sich gewinnen könnte, ohne in diesen Kampf einzugreifen!“
Diese Aussage behält ihre Aktualität und trifft insbesonere auf die britische Labour Party sowie die Partei DIE LINKE in Deutschland zu. Wir benötigen keine auf Sand gebauten Hütten, sondern eine auf massivem Fels errichtete Burg. Daher ist es notwendig, sich in permanenter organisatorischer Unabhängigkeit an den Debatten innerhalb der reformistischen Massenorganisationen zu beteiligen, um den Aufbau einer neuen revolutionären Massenpartei überhaupt erst zu ermöglichen. Der bisherige Verlauf der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung gibt uns Recht. Wir müssen die kämpferischen Jugendlichen & Arbeiter*innen solidarisch begleiten und mit den Ideen des revolutionären Marxismus bewaffnen, damit sie auf die kommenden Ereignisse nicht unvorbereit reagieren und Chancen ergriffen werden. Der Kampf gegen den Reformismus ist daher ebenso unerlässlich wie der Kampf gegen sektiererisches Verhalten in der Arbeiter*innenbewegung.
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