Wie wir in der vergangenen Woche berichteten, ist innerkalb der PSOE ein parteiinterner Krieg ausgebrochen als Pedro Sanchez ankündigte, er wolle sich an die Parteibasis wenden, um Unterstützung für seinen Vorschlag zu erhalten, eine „linke Regierung“ zu bilden, die in Opposition zur PP stehe. Sanchez versuchte seine eigene politische Karriere zu retten und zu verhindern, dass seiner Partei das gleiche Schicksal wiederfahren sollte wie der griechischen Schwesterpartei PASOK. Dies entsprach, unabhängig von seinen Intentionen, nicht den Plänen der herrschenden Klasse, die nach fast einem Jahr der Ungewissheit und zwei aufeinander folgen Wahlen endlich eine Regierung braucht. Die rechte PP brach alle Verpflichtungen zur Defizitreduzierung, obwohl sie eine brutale Sparpolitik durchführte. Die EU fordert für die nächsten zwei Jahre Kürzungen in Höhe von 15 Mrd. €. Um das umzusetzen wird eine Regierung benötigt, die stark genug ist, nicht nur ihre Bildung zu garantieren, sondern auch im kommenden Jahr den Haushalt zu verabschieden.
Natürlich will Sanchez nicht für die Bildung einer solchen Regierung, die sehr schnell unbeliebt werden wird, verantwortlich sein. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Versuch, eine „linke Regierung“ zusammenzuflicken das einzig dahinter stehende Kalkül. Er weiß ganz genau, dass eine derartige Regierung in der Praxis nie gebildet werden kann.
Im Frühjahr dieses Jahres hatte er versucht, eine Koalition mit der mitterechten populistischen Ciudadanos und Podemos gleichzeitig zu bilden. Die wirtschaftspolitischen Programme dieser beiden Parteien sind vollkommen konträr, ebenso verteidigt Podemos das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens, während die Ablehnung eines Referendums eine der wesentlichen Positionen Ciudadanos ist.
Sanchez selbst lehnte zum damaligen Zeitpunkt einen Vorschlag von Podemos für eine PSOE-Podemos-Koalition mit Unterstützung der katalanischen Nationalisten ab. Das hätte die Zustimmung zu einem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien bedeutet, ein unantastbares Tabu für die herrschende Klasse Spaniens, deren Interessen die PSOE-Führer letztlich vertreten.
Während Sanchez im Frühjahr eine linke Regierung mit Unterstützung der katalanischen Nationalisten noch ablehnte, schlug er sie jetzt in einem verzweifelten Versuch, seine Karriere zu retten, vor. Dies führte sofort zu einem Putschversuch durch die Parteirechte unter Führung von Susana Diaz, der andalusischen Regierungschefin. Die herrschende Klasse Spaniens konnte keine Gespräche für eine „linke Regierung“ unter Miteinbeziehung von Podemos zulassen. Diaz forderte ihre Anhänger auf, massenhaft aus dem Parteivorstand auszutreten, um damit dessen Handlungsfähigkeit herbeizuführen. Aber Sanchez, der um sein eigenes politisches Überleben kämpfte, weigerte sich, das zu akzeptieren. Er bestand darauf, weiterhin der Parteiführer zu sein und seine Anhänger bildeten jetzt den einzig legalen Parteivorstand. Die „Rebellen“ wurden aus ihren Büros ausgesperrt. Sanchez setzte die Vorbereitungen für die Sitzung des Föderalkomitees der Partei am 1. Oktober fort.
Ungeachtet der Intentionen von Pedro Sanchez, wurde dessen Schritt von vielen Mitgliedern der PSOE als Verteidigung einer unnachgiebigen Position gegen jegliche Unterstützung der PP im Parlament betrachtet, während sie Susan Diaz‘ Opposition gegen Sanchez als Unterstützung für eine solche Regierung interpretierten. Es gab einen ersten Versuch von Parteimitgliedern für eine Mobilisierung. Einige trafen sich vor der Parteizentrale in Valencia (wo die regionalen Führer auf der Seite der „Rebellen“ standen, der Provinzvorstand aber loyal zu Sanchez stand). Die Partei in Terrassa (Katalonien) kündigte an, Busse für Parteimitglieder zu organisieren, um bei der Sitzung des Föderalkomitees Sanchez zu unterstützen. In Cadiz, Andalusien, stimmten auf einem lokalen Treffen 100 Mitglieder für eine Erklärung zur Unterstützung von Sanchez und für eine Ablehnung der Vorherrschaft von Susana Diaz in der Region.
Sanchez zeigte sein wahres Gesicht und fordert die Mitglieder auf, am Samstag nicht zur Parteizentrale nach Madrid zu kommen. Eine echte Mobilisierung der Mitglieder, war das Letzte, was er wollte. Das Treffen des Föderalkomitees am 01. Oktober war ein wahrer Hexentanz. Elf Stunden lang wurde zwischen den Anhängern beider Seiten über Statutenfragen diskutiert. Die Anhänger von Diaz weigerten sich, die Rechtmäßigkeit des aktuellen Parteivorstands anzuerkennen. Es kam zu Zwischenrufen, Beleidigungen und sogar physischer Einschüchterung. Außerhalb der Parteizentrale hatten sich einige Dutzend PSOE-Mitglieder mit Fahnen versammelt und riefen die „Rebellen“ auf, sich der PP anzuschließen.
Am Ende fand eine Abstimmung statt, in der es mit 132 zu 107 Stimmen zu einer klaren Mehrheit für Susana Diaz kam. Anstatt zu versuchen, diese Ergebnis anzufechten und sich an die Mitglieder zu wenden, akzeptierte Sanchez seine Niederlage, verkündete seinen Rücktritt und erklärte seine Loyalität gegenüber dem neuen Parteivorstand. In Hinblick auf seine politische Karriere kann er stets sagen, er habe versucht eine PP-Regierung zu verhindern und sei dabei gescheitert.
Die PSOE stand vor folgendem Dilemma: Entweder die PP zu unterstützen und damit einen weiteren Zusammenbruch zu erleiden oder zu versuchen, eine Alternative zu präsentieren und die eigene Zukunft zu retten. Es ist kein Zufall, dass die Unterstützung für Pedro Sanchez aus den Regionen kam, in denen Podemos die PSOE bereits überholt hat. Jetzt hat sich die Partei für einen Weg entschieden, der ihren Selbstmord einleitet.
Der neue Parteivorstand trifft sich heute und wird eine neue Föderalkomitee-Sitzung in zwei Wochen einberufen. Der Weg ist jetzt für die PSOE geebnet, um sich zu enthalten und es der PP zu ermöglichen, eine Regierungskoalition mit Ciudadanos zu bilden. Die Sozialisten natürlich Wege finden, um ihr „nettes“ Gesicht zu wahren. Sanchez hat sie in Zugzwang gebracht.
Die Situation der PSOE bei den Verhandlungen mit der PP ist jetzt noch schwächer. Die PP wird sagen, dass es für die PSOE nicht ausreicht, sich zu enthalten, sie will Garantien, dass sie auch im nächsten Jahr dem Haushalt zustimmt. Die Alternative wären Neuwahlen (die dritten in 12 Monaten), bei denen eine gespaltene PSOE noch stärker verlieren würde und die PP bei einer geringeren Wahlbeteiligung sogar die absolute Mehrheit erreichen könnte.
Ein Leitartikel in der bürgerlichen Zeitung El Pais am Samstag hat die Folgen der PSOE-Krise und deren Verbindung mit der allgemeinen Staatskrise in Spanien deutlich beschrieben. In ihm ist die Sprache von „extremen komplexen ökonomischen, institutionellen und territorialen Problem, vor den Spanien steht“ und wie diese sich auf eine Partei ausgewirkt haben, die in 21 von 39 Jahren der spanischen Demokratie seit dem Übergang (Transición, Sturz Francos) regiert hat. Auf diese Weise anerkannte sie die PSOE als eine der Stützpfeiler, welche die bürgerliche Demokratien in den letzten 40 Jahren erhalten hat und die Bedeutung ihrer internen Krise für die herrschende Klasse.
Der Leitartikel erklärt, dass es sich nicht nur um ein spanisches Phänomen handelt, da “ sich in der gesamten fortschrittlichen Welt die repräsentative Demokratie in der Krise befindet“ und „die Sozialdemokratie davon besonders betroffen und nicht in der Lage ist, ein Profil und eine Orientierung zu schaffen, das, wie in der Vergangenheit, bei großen Teilen der Gesellschaft Illusionen wecken kann. Das ist eine deutliche Erkenntnis der Tatsache, dass die Sozialdemokratie in Zeiten der Krise des Kapitalismus nicht fähig ist, neue bedeutende Reformen zu garantieren oder auch nur zu versprechen und sie deshalb ihre Ausstrahlung bei den Massen verliert.
Die Schlüsse, zu den der Leitartikel in El Pais gelangt, bieten jedoch überhaupt keine Lösung. Es wird behauptet, Spanien brauche eine „glaubwürdige Partei der Mitte, die unter einer festen Führung vereint ist und innovative Ideen bietet“. Eine Partei der Mitte, die aus Sicht der herrschenden Klasse vertrauenswürdig ist, ist eine, die mit der kapitalistischen Krise fertig werden muss. In Spanien bedeutet das die Unterstützung der PP. Eine weitere Regierung, die Kürzungen durchführt und eine Austeritätspolitik betreibt, wie es der spanische Kapitalismus verlangt, wird schnell extrem unbeliebt werden und ihr Niedergang wird auch den Niedergang der PSOE beschleunigen. Der Sieg von Susana Diaz an diesem Wochenende wird als Wendepunkt in Richtung PASOKifizierung der Partei gesehen.
Unter Umständen ist jetzt der Boden bereitet für Unidos Podemos (der Allianz aus Podemos und Vereinigte Linke), um von der neuen Situation entscheidend zu profitieren. Eine PSOE, die gezwungen sein wird, die PP zu unterstützen wird weiterhin Unterstützung an die Partei links von ihr verlieren und Unidos Podemos als einzige echte Opposition zurücklassen.
Momentan gibt es innerhalb von Podemos die interne Diskussion zwischen den Kräften um Íñigo Errejón, die für ein moderateres Programm plädieren, um die Mitte zu gewinnen und den Kräften um Pablo Iglesias, welche die Notwendigkeit für eine unnachgiebige und radikale Politik verteidigen. Diese Diskussion sollte zugunsten der Letzteren beendet werden, wenn die Organisation von der Krise der PSOE profitieren will.
Unidos Podemos muss eine mutige, klare und radikale Strategie der Opposition im Parlament einschlagen, die verbunden ist mit einer Mobilisierung auf den Straßen, zur Verteidigung des staatlichen Bildungssystems und des Gesundheitswesens, für die Abschaffung der arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Gesetze, zur Verteidigung der demokratischen Rechte (einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung), für den Wohnungsbau etc. Durch die Ausübung des höchstmöglichen Drucks kann die Bewegung die internen Widersprüche innerhalb der Mitgliedschaft der PSOE beschleunigen.
Dieses Forderungsprogramm muss mit einer deutlichen Erklärung verbunden sein, die besagt, dass diese Maßnahmen nicht innerhalb der Grenzen des krisengeschüttelten spanischen Kapitalismus umgesetzt werden können. Die einzige Möglichkeit sie umzusetzen, geht nur durch die Enteignung der größten Konzerne unter demokratischer ArbeiterInnenkontrolle. Dies ist die Perspektive, die unsere spanische Schwesterorganisaton Lucha de Clases unter den Mitgliedern von Podemos verteidigt.
Übersetzung: Tony Kofoet
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