Kategorie: Europa

Italien: Der nächste Krisenherd

Vor dem Hintergrund einer schweren Bankenkrise und einer schwächelnden Realwirtschaft droht das kommende Verfassungsreferendum für die Regierung Renzi zu einem Debakel zu werden.


Anfang Juli veröffentlichte der 'Economist' eine Ausgabe mit dem Titel „The Italian Job - Europas nächste Krise“. Auf dem Cover wurde Italien als Bus dargestellt, der in einen Abgrund zu stürzen droht, während ein Londoner Taxi, das symbolisch für Großbritannien steht, bereits im freien Fall ist.

Der Pessimismus dieses einflussreichen Sprachrohrs des internationalen Kapitals basiert auf zwei Elementen: Der Krise der italienischen Banken sowie der Sorge, dass die italienische Regierung bei dem für Anfang Dezember geplanten Verfassungsreferendum eine ähnliche Schlappe erleiden wird, wie das britische Establishment beim der Abstimmung über den Brexit. Beide Befürchtungen sind mehr als gerechtfertigt. Italien kann jederzeit in diesen bildlichen Abgrund stürzen.

Schwache Wirtschaft

Die Wurzeln der italienischen Bankenkrise sind in erster Linie nicht in den wahnwitzigen Finanzspekulationen und Immobilienblasen zu sehen, wie das in anderen Ländern der Fall war. Der harte Kern der 200-300 Milliarden an faulen Krediten steht in engem Zusammenhang mit der Krise tausender kleiner und mittlerer Unternehmen sowie dem Einbruch der Familienetats. Die Bankenkrise ist somit direkter Ausdruck der Krise der Realwirtschaft, was eine Lösung auch so schwierig macht.

Die verschiedenen Rettungspläne und Bankenunterstützungen sind nichts weiter, als der vergebliche Versuch Zeit zu gewinnen. Die Monte dei Paschi di Siena (MPS, eine der größten Banken Italiens) ist 700 Millionen „wert“, braucht aber akut eine Finanzspritze von 5 Mrd. Euro. Eine Summe, die schlicht nicht vorhanden ist. Noch besteht die Idee eines Überbrückungskredits von JP Morgan, in der Hoffnung, dass die Gläubiger zustimmen werden, ihre faulen Kredite in Aktien der MPS umzutauschen. Ansonsten wird einmal mehr öffentliche Hand einspringen müssen.

Ministerpräsident Renzi kann allerdings aufgrund von EU-Regelungen nicht einfach öffentliche Gelder zuschießen, um die MPS zu retten. Wie ein Taschenspieler versucht er daher Merkel und die EZB zu täuschen und zählt darauf, dass schon niemand in Europa allzu pingelig sein wird, wenn es hart auf hart kommt. Auf alle Fälle gibt es nur drei mögliche Szenarien: Pleite, Rettung durch öffentliche Gelder oder der Verkauf an internationales Kapital zu einem Dumpingpreis. Jedenfalls im Regen stehen die 300.000 Beschäftigten im Bankensektor, von denen es laut Premier Renzi 150.000 zu viel gibt.

Nicht nur die MPS ist betroffen. Auch die UniCredit, die größte italienische Bank und Mutter der Bank Austria, ist nach dem Einbruch der Börsenkurse Anfang August auf der Suche nach neuem Kapital. Das geht auch an der Bank Austria nicht spurlos vorüber.

In der Zwischenzeit kann von einem Ende der Krise der Realwirtschaft keine Rede sein. Der letztes Jahr beschlossene „Jobs Act“, mit dem die Rechte der ArbeiterInnen massiv abgebaut wurden, hat sich als wirkungslos erwiesen. Anstatt die Arbeitslosigkeit zu senken, sorgt er dafür, dass ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wird. Istat (ital. Statistikamt) berichtet von 0% Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2016. Das Kapital hat in dieser Krisensituation nur eine Antwort und fordert von der Regierung Steuersenkungen, Erleichterungen für Unternehmen sowie kündigt einen neuerlichen Angriff auf die Kollektivverträge an. Angesichts des prognostizierten Anstiegs des Budgetdefizits ist ein weiteres Sparpaket fast schon eine ausgemachte Sache.

Verfassungsreferendum

Das Schicksal der Regierung hängt nun am Ausgang des Verfassungsreferendums. Renzi will mit einer Änderung der Verfassung die Regierbarkeit Italiens auch in Zukunft gewährleisten: „Durch die Änderungen soll Italien politisch stabiler und leichter regierbar werden. Ziel ist es, langwierige Prozeduren bei politischen Entscheidungen zu vermeiden. Politikwissenschaftler halten die Verfassungsänderung nach der Reform des Arbeitsmarktes für die wichtigste aller Strukturreformen der Regierung Renzi.“ (Handelsblatt, 27.9.)

Die Panik im Regierungslager vor einer Ablehnung an der Urne ist aber groß. Diese Angst ist wohlbegründet, weil in ganz Europa keine Regierung existiert, die in der Bevölkerung eine echte Unterstützung genießt. In einem Land, in dem laut jüngsten Studien seit Ausbruch der Krise 97% der Bevölkerung mit stagnierendem oder sinkendem Einkommen zu kämpfen haben, darf es nicht verwundern, wenn die Regierung alles andere als populär ist.

Das Referendum kann eine Möglichkeit sein, die große Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die bis jetzt kein Ventil gefunden hat, mit einer starken Kampagne für ein NEIN zum Ausdruck zu bringen. Das allein ist aber zu wenig, solange es nicht mit einer klaren politischen Alternative verbunden ist. Die offizielle Kampagne für ein Nein beim Referendum, die mittlerweile auch vom linken Gewerkschaftsdachverband CGIL unterstützt wird, beschränkt sich darauf, vor einem Abbau demokratischer Rechte durch die neue Verfassung zu warnen. Dies geht einher mit der Hoffnung auf eine Rückkehr zur alten „Normalität“, die es aber angesichts der kapitalistischen Krise nicht mehr geben kann.

Mit solch einer Position ermöglicht es die Arbeiterbewegung reaktionären Populisten von Schlage eines Beppe Grillo und seiner 5-Sterne-Bewegung sich mit ihrer scharfen Kritik am Establishment an die Spitze der Kampagne für ein NEIN zu stellen. Die ArbeiterInnen und Jugendlichen müssen in der politischen Auseinandersetzung endlich einen eigenen Standpunkt einnehmen und eine revolutionäre Alternative aufbauen. Die NEIN-Kampagne muss mit einer Mobilisierung zum Schutz der Rechte der Arbeiterklasse, mit einem Programm für mehr Beschäftigung, höhere Löhne, ein besseres Bildungs- und Gesundheitssystem und für den Sturz dieser Regierung verbunden werden.

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