Die Lage ist so schlimm, dass sogar die westlichen Imperialisten begonnen haben, das Poroschenko-Regime, das mit ihrer Hilfe installiert wurde und das sie seither unterstützten, offen zu kritisieren.
Zerschlagung des Gesundheitswesens
In jedem Jahr seit dem Euromaidan-Sturz wurden die ukrainischen ArbeiterInnen und RentnerInnen mit einer schlechteren wirtschaftlichen Lage und massiven Ausgabenkürzungen durch die Regierung konfrontiert. Im letzten Jahr war es das Gesundheitswesen, das durch die neue, in den USA geborene, Gesundheitsministerin Ulana Suprun unter Beschuss geraten ist. Diese ‚Reformen‘ werden von der EU und dem IWF unterstützt und unter dem Vorwand der „Modernisierung“ durchgeführt. Sie beinhalten u. a. die Schließung von Krankenhäusern auf dem Lande und die Einführung von Gebühren für Medikamente und medizinische Behandlungen. Aus diesem Grund müssen viele PatientInnen jetzt weitere Wege in Kauf nehmen und Gebühren für bisher kostenlose Medikamente und Behandlungen bezahlen. Diese Maßnahmen treffen erster Linie die RentnerInnen und die Schwerkranken, denen die Fahrten zu einem Krankenhaus Schwierigkeiten bereiten. Von solchen Konterreformen träumen alle rechten Politiker dieser Welt.
Sogar die Parlamentsabgeordnete und Mitglied des Block Petro Poroschenko Olha Bogomolets, die parlamentarische Vorsitzende für Gesundheitsfragen ist, verwendet das Wort ‚Genozid‘, wenn sie die möglichen Auswirkungen der Reformen beschreibt. Sie sagte außerdem: „Nach einer langen Kampagne, deren Inhalte u. a. Desinformation, Mobbing und glatte Lügen waren, haben es die Lobbyisten doch geschafft, dieses beschämende Gesetz durchzubringen, welches Millionen sozial benachteiligter Menschen die Möglichkeit nimmt, behandelt zu werden und ihnen die Kraft gibt zu überleben.“
Angesichts der Tatsache, dass die alternde Bevölkerung bereits durch die Rentenreformen schwer zu leiden hat, wird diese zusätzliche Konterreform die Lebenserwartung von Hunderttausenden armen RentnerInnen verkürzen.
Fanatischer Nationalismus und Repression
Der rechte Nationalismus durchdringt alle Medien. Die Rolle der ukrainischen Armee im Bürgerkrieg im Donbas und die Rolle der faschistischen Bataillone stehen jenseits jeder Kritik. Alle kriminellen Taten, wie Plünderungen und Übergriffe, die von diesen Gruppen begangen werden, werden als Diskreditierungsoperationen dem russischen Geheimdienst zugeschrieben. Die Medienkanäle, die im Besitz der Oligarchen sind, wetteifern darum, wer die Nachrichten auf patriotischere Weise präsentiert.
Es wird ein Krieg gegen jede Art politischer Opposition geführt. Tausende sitzen wegen Vergehen wie die Kritik an der Regierung in ukrainischen Gefängnissen. Zuerst richteten sich die Repressionsmaßnahmen hauptsächlich gegen Linke oder Sympathisanten der Rebellion im Donbas. Viele wurden inhaftiert, einige ermordet und viele andere wurden gezwungen ins Exil ins Ausland gehen. Danach gerieten alle Gegner der Regierung ins Fadenkreuz. Eine staatlich geförderte Website listet die privaten Adressen von regierungskritischen Menschen auf, was bereits zur Ermordung des oppositionellen Journalisten Oleh Buzina durch einen Faschisten vor seiner Wohnung im Jahre 2015 geführt hat.
Der Fall des westukrainischen Journalisten Ruslan Kotsaba, erregte internationale Aufmerksamkeit, als er zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, weil er die Ukrainer zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen hatte. Seit er wieder auf freiem Fuß ist, ist er zu einer freimütigen Stimme der Opposition geworden. Ihm wurde von Seiten der Regierung eine erneute Inhaftierung angedroht. Kürzlich wurde er von rechten Schlägern auf der Straße angegriffen, eine Tat die von vielen regierungsnahen Journalisten öffentlich beklatscht wurde. Gerade im Bereich des Journalismus ist der Patriotismus eine Vorbedingung für eine Anstellung bei den Staatsmedien. Auf der anderen Seite haben viele Journalisten aufgrund regierungskritischer Artikel ihren Arbeitsplatz verloren, oft wurden diese durch ihre eigenen Kollegen denunziert.
Das Gleiche trifft auf das gesamte Pressewesen und das Fernsehen zu. Zuerst wurden linke Informationsquellen geschlossen, danach die mit Sitz in Russland. Daraufhin wurden alle regierungskritischen Publikationen und jetzt alle Publikationen und Sender, die nicht den offiziellen Patriotismus vertreten, zum Ziel von Unterdrückungsmaßnahmen. Kürzlich wurde eine beliebte und entschieden regierungsfreundliche Talkshow, die von Savik Shuster moderiert wird, abgesagt, weil der Moderator in den Augen wichtiger Regierungsvertreter als nicht patriotisch genug erachtet wurde. Viele Medienkampagnen werden von Sendern und Publikationen in Gang gesetzt, die sich gegen Medien, die im Besitz rivalisierender Oligarchen sind, richten. Oft werden die Rivalen der Aufruhr beschuldigt.
Die Repressionsmaßnahmen sind auf die sozialen Netzwerke ausgedehnt worden. Im Mai letzten Jahres wurden die russischen Medienplattformen ‚yKontakte‘ und ‚Odnoklassniki‘ sowie die Suchmaschine Yandex durch ein Präsidentendekret verboten. Diese Medien entsprechen Facebook und Google in den postsowjetischen Ländern.
Rumoren in der Euromaidan-Koalition
Die Rivalität im Medienbereich ist nur eine Widerspiegelung der Konflikte zwischen den verschiedenen Clans der Oligarchen. Nach den Euromaidan-Protesten, dem Krimkrieg und dem Bürgerkrieg im Donbas vereinigte sich ein überwiegender Teil der ukrainischen Oligarchie mehr oder weniger um Poroschenko. Dazu gehörten auch die Oligarchen mit Sitz in der Donbas-Region, wie Rinat Achmetow. Diese Situation war nur so lange vertretbar, wie das ukrainische Regime den Anschein von Rechtmäßigkeit und Beliebtheit unter einem Teil der ukrainischen Massen wahrte.
Es ist wahr, dass ein bedeutender Teil der ukrainischen Bevölkerung von dem rechten Nationalismus, der in den Medien vorhanden ist, und der Leidenschaft um die Annexion der Krim und dem Bürgerkrieg angetan ist. Es fördert die Karriere, wenn man solche Ansichten äußert. Repressive Maßnahmen haben gewährleistet, dass viele Menschen, die dagegen Widerstand leisten würden, zu viel Angst haben, um ihre Meinung zu sagen.
Trotzdem hat eine Umfrage aus dem Oktober 2017 gezeigt, dass nur 24,8% Poroschenko trauen und 68,2% nicht. Eine aktuelle Umfrage wies auf, dass 80% der Meinung waren, dass die vom Regime gestartete Kampagne gegen Korruption nicht erfolgreich sei und 60% fanden sie sogar katastrophal. Die Zustimmungsraten für Poroschenko und sein Regime sind seit mehr als einem Jahr unter der 20%-Marke geblieben und eine deutliche Mehrheit der Befragten meinte, dass sich ihre Lage seit seinem Amtsantritt verschlechtert habe.
Das Ansehen des Milliardärs Poroschenko hat sich seit den jüngsten Enthüllungen über sein Auslandsvermögen in den Panama Papers sowie durch den korrupten Missbrauch seiner Regierungsmacht zum persönlichen Vorteil und dem seiner engsten Vertrauten weiter verschlechtert. Viele Regierungs- und Parlamentsmitglieder sind wegen korrupter Geschäfte und Praktiken immer wieder in Skandale verwickelt.
Die EU und die USA unterstützten 2015 die Einrichtung eines Nationalen Antikorruption Büros (NABU), um Regierungsvertreter außerhalb der traditionellen staatlichen Gerichte zu verurteilen. Es wird von denen verspottet, welche das Büro erwischt hat, u. a. vom ukrainischen Generalstaatsanwalt Yuri Lutsenko. Tatsächlich sind in den vergangenen Monaten mehrere NABU-Vertreter verhaftet worden.
Eine Anzahl Bauernopfer sind vom Regime als Entschuldigung für dessen eigenes Versagen präsentiert worden. Das letzte ist Poroschenkos ehemaliger Studienkollege und frühere georgische Präsident Micheil Saakaschwili, der 2015 von Poroschenko zum Gouverneur des Oblast Odessa ernannt worden war. Er wurde vorübergehend im letzten Dezember festgenommen. Saakaschwili ist der Liebling des IWF und einiger westlicher Politiker, die ihn bei der Auflösung des postsowjetischen Sozialstaates und der Neuausrichtung der NATO unterstützten und denen seine aktuelle Behandlung in der Ukraine überhaupt nicht passt.
Verschiedene Trennlinien reflektieren die offene Feindschaft zwischen dem Poroschenko-Lager und dem der anderen Oligarchen, allen voran Igor Kolomoiski, der in der Region Dnjepr über ein großes Vermögen verfügt und eine Anzahl paramilitärischer Bataillone finanziert. Seine Bataillone haben offene Kriegshandlungen gegen die reguläre Armee und Bataillonen, die von anderen Oligarchen finanziert werden, begangen. Andere Fraktionen, wie die von Timoschenko oder Mitgliedern der früheren „Partei der Regionen“ von Viktor Janukowitsch warten angesichts des sich auflösenden Regimes nur noch auf die für 2019 angekündigten Wahlen
Das schlechte Gewissen der Geldgeber
Angesichts seines Verhaltens beruht die Legitimität des Poroschenko-Regime unter der Bevölkerung sehr stark auf die Unterstützung angesehener Geldgeber in der EU, den USA und Kanada. Im Rahmen des Stellvertreterkrieges mit Russland im Donbas haben diese der ukrainischen Armee Militärausrüstung im Wert von mehreren zehn Millionen Dollar geliefert bzw. verkauft und Instrukteure und Nachrichtendienste zur Verfügung gestellt. Trotz gegenteiliger Hinweise hat Trump den Einsatz verdoppelt und dem Verkauf von Panzerabwehrwaffen an die Ukraine zugestimmt. Ebenso die kanadische Regierung, in der Außenministerin Chrystia Freeland ein prominentes Mitglied der rechten ukrainischen Diasporagemeinschaft ist.
Die westlichen imperialistischen Mächte haben aus der Lage in der Ukraine deutlich Nutzen gezogen. Es gab z. B. einen Aufschwung beim Verkauf von Waffen an das ukrainische Militär. Die NATO hat die Ukraine natürlich benutzt, um Druck auf Russland auszuüben. 2017 hat die Ukraine 270 Mio. Dollar mehr an den IWF zurückgezahlt als sie erhalten hat.
Der Umgang mit dem vom Westen unterstützten Saakaschwili und dem NABU haben wenig Vertrauen geschaffen. Das US-Außenministerium hat kürzlich eine Erklärung herausgegeben, in dem „die Beeinträchtigung einer hochrangigen Ermittlung in Korruptionsfällen, die Verhaftung von Beamten des Nationalen Anti-Korruptions-Büros der Ukraine und die Beschlagnahme von vertraulichen NABU-Akten“ verurteilt wird. Der einflussreiche rechte Ökonom Andreas Aslund twitterte kürzlich:
“Präsident Poroschenko scheint den Kampf gegen die Korruption, alle Ambitionen für ein Wirtschaftswachstum und EU- und IWF-Mittel aufgegeben zu haben.“
Es geht nicht darum, dass sich die Außenpolitik der EU oder USA Gedanken über die Abschaffung der Korruption in der Ukraine macht. Tatsächlich haben viele dieser Regierungsvertreter von der Korruption profitiert, weil sie für Reden und Beratungen Honorare von den verschiedenen Oligarchen akzeptiert haben. Anti-Korruption-Büros sind für die westlichen Imperialisten ein beliebtes Mittel, um die Regierungsvertreter in Klientelstaaten zu kontrollieren, und was sie jüngst von der Poroschenko-Administration erhalten haben, ist eine offene Herausforderung dieser Mechanismen.
Die Euromaidan-Bewegung hatte den Anspruch Demokratie und Freiheit zu bringen, die Korruption zu beenden und durch den Beitritt zur EU wirtschaftliche Fortschritte zu erreichen. Diese Ansprüche haben sich als falsch erwiesen. Das gegenwärtige Regime ist korrupter und repressiver als das vorherige und die wirtschaftliche Lage ist sicherlich noch schlechter. Eine Bande von Oligarchen hat eine andere ersetzt und jetzt fallen die Diebe bei der Verteilung der Beute übereinander her.
Die einzige Möglichkeit für die ukrainischen Massen besteht im Klassenkampf gegen die Oligarchie und den Imperialismus in den Staaten der ehemaligen UdSSR, um ein System zu errichten, das die Interessen der Mehrheit in den Vordergrund rückt.
|