Ausgangspunkt ist eine von Präsident Emmanuel Macron und seiner Regierung angekündigte „Reform“ der SNCF. Zu den Kernpunkten gehören eine schrittweise massive Absenkung der Einkommen und Arbeitsbedingungen der rund 250.000 SNCF-Beschäftigten und eine schrittweise Privatisierung und Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs etwa durch Ausschreibungen im Regionalverkehr und Dumpingwettbewerb im Fernverkehr. Dies stärkt den Dumpingdruck auf Löhne, Sozialleistungen und Renten. Als Vorwand dienen EU-Richtlinien, die im Interesse großer Konzerne auf „Öffnung für den Wettbewerb“ drängen und die Rosinenpickerei fördern. Gleichzeitig droht vermeintlich „unrentablen“ ländlichen Nebenstrecken der Kahlschlag. Die Schrumpfbahn soll sich auf Hochgeschwindigkeitszüge und Personenzüge in Ballungsgebieten konzentrieren.
Die massive Verschlechterung der Beschäftigungsbedingungen ist Teil einer Gesamtstrategie Macrons, der nach dem Vorbild der deutschen „Agenda 2010“ eine massive Prekarisierung der Arbeitswelt durchsetzen und den Niedriglohnsektor ausweiten möchte. Damit einher geht eine massive öffentliche Kampagne gegen die vermeintlichen „Privilegien“ der Chéminots (Eisenbahner). Regierungschef Philippe möchte massenhaft ältere SNCF-Beschäftigte frühpensionieren und durch neue rechtlose Arbeitskräfte mit prekären Bedingungen ersetzen. Als Vorbild dienen die privatisierten Unternehmen Post und Telekom. Für besonderen Ärger unter den Kolleginnen und Kollegen der SNCF sorgt die Tatsache, dass Macron zur Aushöhlung des Arbeitsrechts sein Paket erneut per Sondervollmacht und Dekret ohne lange Beratung durch das Parlament bis Juni per „Schocktherapie“ durchdrücken will.
Der staatliche SNCF-Konzern ist eine der letzten starken Bastionen der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung im öffentlichen Sektor. Seit Generationen haben die Eisenbahner relativ erträgliche Arbeits- und Pensionsbedingungen nach dem Statut für Beamte des Öffentlichen Dienstes errungen. In einer wochenlangen Streikbewegung im Herbst 1995 zur Verteidigung ihrer Errungenschaften hatten sie den Angriffen der damaligen konservativen Regierung getrotzt und Kampfbereitschaft demonstriert. Dies löste auch in Deutschland Bewunderung für „französische Verhältnisse“ aus.
Inzwischen wehren sich auch Beschäftigte in Krankenhäusern, bei Elektrizitätswerken und in anderen Bereichen gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Studierende protestieren mit Besetzungen und Demos gegen Zulassungsbeschränkungen für Hochschulen, die vor allem Arbeiterkinder treffen. Bei vielen gemeinsamen Kundgebungen von Arbeitern und Studierenden kam es zum Schulterschluss. Gemeinsamer Nenner ist die Verteidigung öffentlicher Dienste und der Daseinsvorsorge und die Abwehr von Spardiktaten und Privatisierung.
Während deutsche Politiker gemeinsam mit Macron „Europa retten“ wollen, sollten wir nie vergessen: Von Banken, Konzernen und Lobbyisten formulierte EU-Richtlinien zur Liberalisierung von Bahnen und öffentlicher Daseinsvorsorge sind der Vorwand für Privatisierung und Ausplünderung. All dies ist kein Naturgesetz und muss wieder rückgängig gemacht werden.
Organisiert Solidaritätsaktionen mit der Streik- und Protestbewegung in Frankreich! Es ist höchste Eisenbahn für den europaweiten Schulterschluss der Gewerkschaften und protestierenden Jugend!
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