Seit gut einem Jahr hat Österreich eine „schwarz-blaue“ bürgerliche Regierung, die aus der konservativen Partei ÖVP und der rechtsnationalistischen Partei FPÖ besteht. In diesem einen Jahr ist schon viel passiert. Am 1. September 2018 ist das neue Gesetz zum 12-Stunden-Tag in Kraft getreten. Dies bedeutet, dass die erlaubte Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich angehoben wird. Verkauft wird das Ganze als freiwillige Flexibilisierung der Arbeitszeit, die sowohl den Betrieben als auch den Arbeiterinnen und Arbeiter helfen soll, Arbeitszeiten nach eigenen Bedürfnissen einzuteilen. Eigentlich bedeutet es aber, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in ihren Betrieben 12 Stunden Arbeit am Tag anordnen dürfen und die Bezahlung dieser Mehrarbeit aufschieben können. Dieses Gesetz ist nur einer von vielen Angriffspunkten gegen die Arbeiterklasse Österreichs im letzten Jahr.
Über Jahrzehnte galt Österreich als Hochburg der Sozialpartnerschaft und die häufigste Regierungskonstellation war eine Koalition aus Sozialdemokratie (SPÖ) und ÖVP. Doch Anfang 2017 vollzog sich ein Stimmungsumschwung im Lager des Kapitals. In der ÖVP wurde der zur Einbindung der SPÖ neigende Flügel durch Hardliner verdrängt, die auf schärfere Angriffe gegen die Arbeiterklasse setzen. Deren Galionsfigur und „starker Mann“ ist Sebastian Kurz, seit Herbst 2017 Bundeskanzler. Manche vergleichen Kurz mit Friedrich Merz, der sich um die Führung in der CDU bewirbt und die Ära Merkel möglichst rasch beenden will.
FPÖ und AfD
Nun fragen sich viele Menschen, was die FPÖ und die AfD gemeinsam haben und ob eine solche Regierung auch Deutschland bevorsteht. Sowohl die FPÖ als auch die AfD sind ein Deckmantel für die Organisierung rechter Netzwerke. Deshalb haben viele Angst vor einem neuen Faschismus. Allerdings ist es wichtig zu verstehen, dass beide Parteien reaktionäre, parlamentarische und keine faschistischen Parteien sind. Der gravierendste Unterschied zwischen den beiden Parteien ist, dass die FPÖ aus einer langen Tradition entstand und schon einige Flügelkämpfe und mehrere Regierungsbeteiligungen (1983-1987 und 2000-2007) hinter sich hat.
Die AfD ist aus der Krise des Kapitalismus heraus entstanden. Nach Jahren der Verschlechterung des Lebensstandards und Kürzungen im Sozialstaat hat sich der Hass gegen das Establishment vor allem in der AfD kanalisiert. Die AfD ist eine noch junge Partei und steckt mitten in Flügelkämpfen zwischen dem rechtskonservativen und dem faschistischen Flügel. Es wird sich zeigen, wie sie sich weiterentwickelt. Festzuhalten ist, dass die AfD nicht einfach 1:1 mit der FPÖ gleichgesetzt werden kann. Es gibt allerdings einen entscheidenden Faktor, bei dem sie sich sehr ähnlich sind. Beide Parteien bekommen Zulauf, weil die Menschen die etablierten Parteien und ihre Sozialkürzungen und faulen Kompromisse satthaben und nach einem Ausweg suchen. Die konsequente Antwort darauf sollte sein, eine tatsächliche linke Alternative mit sozialistischem Programm anzubieten und nicht nur leere Forderungen und Kompromisse.
Agenda 2010 auch in Österreich
In Deutschland wurden schon seit der Jahrtausendwende mit der Agenda 2010 und Hartz IV weite Teile des Sozialstaates zerstört. Dadurch ist der Niedriglohnsektor sehr groß und die Zahl der prekär Beschäftigten sehr hoch. In Österreich geht es den Menschen im Schnitt noch etwas besser. Mit der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung sind jetzt allerdings ähnliche Modelle nach deutschem Vorbild im Gespräch. Österreich legt nach und möchte sich so wieder wettbewerbsfähiger machen, und das auf Kosten der Arbeiterklasse. Nach einem Jahr in der Opposition geht jedoch die SPÖ nicht in die Offensive, sondern noch einen Schritt weiter nach rechts. Zur Sicherung von Koalitionen auf Landesebene mit der ÖVP oder FPÖ will sie sich nicht zur Ablehnung des 12-Stunden-Tages bekennen. Der rassistischen Hetze der FPÖ wird ein kapitulierendes „Asylpapier“ entgegengesetzt und das SPÖ-Spitzenpersonal kümmert sich nur um seine eigenen Posten.
Der wichtigste Ankerpunkt im Kampf gegen den Bürgerblock ist jetzt der ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund), der in Österreich eine besondere Vormachtstellung hat, da er flächendeckend über alle Branchen organisiert ist und noch einen viel höheren Organisationsgrad verfügt als die deutschen DGB-Gewerkschaften. Allerdings war der ÖGB in der Vergangenheit eher bürokratisch und wenig an aktiven Kämpfen beteiligt. In den letzten Jahrzehnten war man um Befriedung der gegensätzlichen Klassen, offiziell bezeichnet als „Sozialpartnerschaft“, bemüht. Jetzt wird sich zeigen, ob der ÖGB von seiner Macht Gebrauch machen und flächendeckenden Widerstand organisieren wird.
Die aktuelle Entwicklung in Österreich sollte uns als Warnung dienen. Ein solcher Rechtsschwenk der herrschenden Klasse mit scharfen Angriffen auf gewerkschaftliche, sozialstaatliche und demokratische Errungenschaften droht auch in Deutschland und wird auch hier massive Abwehrkämpfe auslösen. Darauf müssen wir uns politisch und praktisch vorbereiten. Organisiere dich in der IMT, damit wir auch in Deutschland eine echte revolutionäre Alternative anbieten können!
Siehe auch: Nach der Großdemo: Wie weiter im Kampf gegen die Regierung?
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