Die Herrschenden spalten die Welt für ihre Interessen in feindliche imperialistische Blöcke und Einflusszonen. Die Rückkehr des Krieges nach Europa ist hier der letzte Anlass, nicht die Ursache der offenen Konfrontation zwischen den Räubernationen.
Im 2. Weltkrieg etablierte sich die USA als dominante imperialistische Macht, die nur durch die Sowjetunion eingegrenzt wurde. Nach deren Zusammenbruch in den 1990igern verfolgte die USA die Doktrin einer „Neuen Weltordnung“ unter ihrer Dominanz. Die Kriege gegen den Irak (1990, 2003), Jugoslawien (1999), Afghanistan (2001-22), Somalia (1993-95, 2022), Libyen (2011) und anderer, ein ständiger Drohnenkrieg im „Kampf gegen den Terror“ in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten, sowie die Expansion der NATO sind Zeugnis dieser Epoche. Wirtschaftspolitisch waren dies die Jahre der Durchsetzung des „freien Welthandels“, die sog. „Globalisierung“.
Doch nichts währt ewig. Die militärischen Niederlagen der USA in Afghanistan und im Irak markierten einen Wendepunkt. Ex-US-Präsident Trump fokussierte auf die Herausforderung des vor Kraft strotzenden chinesischen Neo-Imperialismus. Um China einzudämmen vollzog er Hilfsmanöver wie eine aggressive Regime-Change-Politik (Iran, Venezuela und Kuba) und Druckausübung auf die EU, um die Verteidigungsausgaben an der NATO-Russlandflanke auf Europa zu verlagern. Die USA, GB und zuletzt die EU setzen nun vermehrt auf Schutzzölle und auf die Rückverlagerung „strategischer Produktion“ in den eigenen Einflussbereich. Der Prozess der „Entglobalisierung“ hat begonnen.
Joe Biden setzt nahtlos an Trumps Politik an und weiß dabei das US-Kapital fast geschlossen hinter sich. Die ideologische Deckung zur Aufrechterhaltung der US-Dominanz lautet aber nicht mehr plump „America first“, sondern „Demokratie vs. Autoritarismus“, was in einem „Gipfel für Demokratie“ im Dezember 2021 lanciert wurde. Zu dieser Konferenz waren 110 Länder eingeladen, dezidiert jedoch nicht China und Russland (ausgeladen blieben auch die Türkei, Ungarn, Bolivien, Libanon und andere). Damit waren die Feinde der „Freiheit“ benannt.
Der relative Abstieg der US-Macht ist dem relativen Aufstieg anderer imperialistischen Mächte geschuldet. Die Basis dafür ist eine stark differenzierte Entwicklung der Wirtschaften. China durchlebte drei Jahrzehnte eines stürmischen Wirtschaftswachstums und hat die Weltwirtschaft dabei mehrmals, zuletzt in der 2020iger Krise, vor dem totalen Absturz aufgefangen. Dabei ist Chinas ökonomisches Gewicht stark gestiegen, es ist heute nicht mehr nur die „Werkbank der Welt“. Die massiven Kapitalüberschüsse Chinas werden gezielt exportiert, viele Länder auf allen Kontinenten gehören heute zur chinesischen Einflusszone.
Auch die Rüstungsausgaben wachsen in keinem Land so schnell wie im Reich der Mitte. Am kommenden NATO-Gipfel soll die Eindämmung Chinas als neues Bündnisziel der Nordatlantikallianz definiert werden.
Auch Russland hat zwei Jahrzehnte eines relativen Aufstieges hinter sich, die das Land zu einer imperialistischen Regionalmacht machten. Das Jahrzehnt nach dem Ende der Sowjetunion war durch Zusammenbruch, Krise, fallendem Lebensstandard und nationaler Demütigung geprägt. Unter Putin gelang es der russischen Neo-Bourgeoisie mithilfe eines starken Staates die Lage zu stabilisieren und an der Rückeroberung von internationalen Einflusszonen zu arbeiten. Dies begann mit einem mehrjährigen Bürgerkrieg in der Teilrepublik Tschetschenien (ab 1999), darauf folgte der Krieg gegen Georgien, die Annexion der Krim, die Intervention in Syrien und die Invasion der Ukraine.
Zu guter Letzt verkomplizieren die zunehmende Verselbstständigung kleinerer Regionalmächte wie der Türkei, Indien und einiger Golfstaaten die Verteidigung der globalen US-Dominanz. Der russische Angriff und das Scheitern der Offensive vor Kiew wurden von den USA als Chance begriffen, die negative Dynamik ihrer Außenpolitik umzukehren, Russland zu schwächen und die Ukraine (oder einen Teil von ihr) fest in den Westen einzubinden. Israel war bisher das größte Empfängerland von US-Militärhilfe (38 Mrd. US-$ von 2016-2026), Kiew jedoch wurde gleich mit 40 Mrd. US-$ für dieses Jahr überschüttet, die EU warf nochmals über 12 Mrd. € nach. Zwei Drittel des laufenden Budgets der Ukraine werden aus diesen „Hilfen“ bestritten. Egal, wie der Krieg ausgeht (eine militärische Niederlage einer der Kriegsparteien ist nicht absehbar): die Ukraine wird bis zum Sieg der sozialistischen Revolution kein souveränes Land, sondern nur eine Schuldkolonie sein.
Die Sanktionen des Westens gegen Russland haben keinen militärischen Effekt, bringen die russische Wirtschaft nicht zum Einsturz und führen zu keiner Absetzbewegung der russischen Massen, die sich zum jetzigen Zeitpunkt – genauso wie ihre Klassengeschwister im Westen – hinter ihren Herrschenden versammeln. Der Handelsüberschuss Russlands hat sich in den ersten vier Monaten des Jahres auf über 105 Mrd. US-$ verdreifacht. Reihenweise akzeptieren EU-Regierungen die neuen Zahlungsbedingungen aus Moskau, um das lebensnotwendige russische Gas zu bekommen, der Wechselkurs des Rubels ist besser als vor dem Krieg.
Allein die Ukraine drosselt seit einem Monat den Transit des russischen Gases um ein Drittel, um Druck für mehr Waffenlieferungen auszuüben. Europa droht ein kalter Winter, langfristig steigende Preise sind garantiert. Nun werden auch Nahrungsmittel und Dünger als politisch-strategische Waffen eingesetzt.
Die wahre Rolle der westlichen Sanktionen gegen Russland ist nicht wie behauptet eine „Schwächung Putins und seiner Offensive“ (sie bewirken das genaue Gegenteil), sondern der Versuch, den imperialistischen Gegenspieler zu unterwerfen. „Die Welt hat das Potential signifikanter internationaler Konflikte zwischen Großmächten. Und dieses Potential sinkt nicht, sondern steigt” gibt der US-Generalstabschef die Marschrichtung an.Dieser politische Wille der Herrschenden hat einen Preis, der auf den bereits historisch hohen Schuldenstand (350% des Welt-BIP) aufaddiert wird. Das Platzen von Spekulationsblasen ist unvermeidlich geworden, die Inflation wird langfristig anhalten, der Welthunger explodieren. Die Schuldenkrise wird zu neuen Staatspleiten und Währungskrisen führen. Die Griechenlandkrise, die 2010 die EU bis zum Zerreißen angespannt hat, wird weit in den Schatten gestellt werden.
Der Kapitalismus in Europa sitzt zwischen allen Stühlen – und wird also ein Verlierer dieser neuen Epoche der wachsenden Widersprüche sein. Wir stehen erst am Anfang dieses Prozesses, der immer neue Krisenphänomene aufwerfen wird.
Dies ist der reale Inhalt des verfaulenden Kapitalismus. Die Massen werden aus dem heutigen patriotisch-apathischen Dämmerzustand ausbrechen. Eine Epoche der Kriege, Krisen und Teuerungen bedeutet auch eine Periode von Aufständen, Massenbewegungen und Revolutionen.
|