Kategorie: Europa |
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Israel: Massive Proteste gegen reaktionäre Justizreform |
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Seit der Staatsgründung Israels setzt die israelische herrschende Klasse auf die Spaltung der jüdischen und arabischen Arbeiterklasse, um ihre Position zu sichern. Mit aggressiver Besatzungs- und Siedlungspolitik und starker Diskriminierung von Palästinensern nutzt sie Angst und Wut, um Unterstützung beim jüdischen Teil der israelischen Arbeiterklasse zu generieren. |
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Als Nebenprodukt erschuf die herrschende Klasse damit eine gut finanzierte und politisch einflussreiche Bewegung rechtsradikaler Zionisten und ultraorthodoxer Fundamentalisten, über die sie zunehmend die Kontrolle verliert. Auf diese Kräfte musste sich Netanyahu nun stützen, um seine Regierung zu bilden. Aktuell versucht diese Regierung eine Justizreform durchzupeitschen, die es dem Parlament einfacher macht, Urteile des obersten Gerichts aufzuheben und Richter einzusetzen. In Israel, das keine richtige Verfassung hat, ist die Unabhängigkeit der Justiz ein wichtiges Instrument zur Wahrung der bürgerlichen Demokratie. Diese Gewaltenteilung ist in Israel wie auch sonst wo nicht zu Gunsten der Arbeiterklasse eingerichtet. Sie soll lediglich dafür sorgen, dass keine Fraktion der Bourgeoisie zu mächtig werden und gegen die Interessen der restlichen Kapitalisten regieren kann. Während die religiösen Fanatiker in Netanjahus Kabinett ihre Vision der vollständigen Annexion der palästinensischen Gebiete ungestört verfolgen wollen und Netanjahu hofft, so seinem Korruptionsverfahren zu entkommen, sieht die liberale Bourgeoise Israels, die Start-Up- und Tech-Industrie, ihre Profite in Gefahr. Sie befürchten, dass ein instabilerer bürgerlicher Staat ausländisches Kapital abschrecken würde. Proteste im Schlepptau der Kapitalisten
Die Proteste und Demonstrationen, die gegen die Justizreform ausbrachen, wurden enorm von Konzernen, bürgerlichen Medien und sogar dem israelischen Geheimdienst unterstützt und befeuert. Letztlich drohten sogar die Chefs des Gewerkschaftsverbands Histadrut mit einem Generalstreik, woraufhin Netanjahu ein Vertagen der Reform ankündigte. Doch ein echter Generalstreik könnte nicht nur leicht die jetzige Regierung zu Fall bringen und die Reform komplett vom Tisch fegen, sondern er würde ebenso große Risiken für den israelischen Kapitalismus insgesamt in sich tragen. Dieser Schritt vorwärts wäre nur möglich, wenn die aktuellen Proteste mit ihrer bürgerlichen Führung brechen. Stattdessen wurde der Generalstreik nach Netanyahus Ankündigung schleunigst von der Gewerkschaftsführung, die weiterhin Illusionen in die bürgerliche Demokratie hegt, abgesagt. Dabei ist offensichtlich, dass in Zukunft ähnliche Reformversuche aufkommen werden. Reaktionäre Ablenkungsmanöver
Um ihre Position zu stärken, versucht die Regierung, mit der altbekannten Strategie der Eskalation bestehender Konflikte für Ablenkung zu sorgen. Kurz nach Verschiebung der Reform, während des Fastenmonats Ramadan, fand ein großer Polizeieinsatz in der Al-Aqsa-Moschee statt – die drittheiligste Stätte im Islam. Innerhalb weniger Tage gab es Raketengefechte mit der Hamas auf palästinensischem, libanesischem und syrischem Gebiet. Ein ähnlicher Kleinkrieg, wie er Netanjahu 2021 eine Atempause verschaffte, käme seiner Regierung auch jetzt gelegen und besonders die rechten Teile seiner Koalition sprechen sich nach jeder Eskalationsstufe vehement für einen weiteren Schritt in diese Richtung aus. Doch so bürgerlich der Charakter und die Slogans vieler Proteste waren, so ist doch bemerkenswert, wie viele Israelis im Laufe der letzten drei Monate mitgerissen wurden. Zum Höhepunkt gingen 500.000 Menschen zeitgleich auf die Straße – in einem Land von neun Millionen Einwohnern. Es gibt eine offensichtliche Gärung in der israelischen Gesellschaft, in der die Arbeiterklasse überall unter steigenden Mieten, hohen Preisen und niedrigen Löhnen leidet. Bis jetzt fehlt der Bewegung zwar jegliche Orientierung auf die Arbeiterklasse, doch die zunehmende Fragmentierung der herrschenden Klasse wird den Arbeitern Israels in der Zukunft viele Möglichkeiten bieten, ihre religiösen und ethnischen Spaltungen zu überwinden und letztlich einen Arbeiterstaat zu errichten, der allen gleiche Rechte garantiert. Das ist die einzige Möglichkeit, den jahrzehntelangen Konflikt zu einem friedlichen Ende zu bringen.
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