Kategorie: Europa |
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Italien: Gebrochene Wahlversprechen, die "Demokratische Partei" und Perspektiven des Klassenkampfes |
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Nach eineinhalb Jahren werden alle Widersprüche der Regierung Prodi sichtbar: nicht nur sind alle Wahlversprechen gebrochen worden (Rücknahme der Verschlechterungen unter Berlusconi), sondern die Lebens- und Arbeitsbedingungen der italienischen ArbeiterInnen haben sich weiter verschlechtert. Am 20. Oktober hat in Rom auf Initiative der Rifondazione Comunista (RC - Partei der Kommunistischen Neugründung) und der PdCI (Partei der italienischen Kommunisten) eine Demonstration mit über 500.000 Teilnehmern stattgefunden. Ziel der Demo war es, die Regierung davon zu “überzeugen”, endlich “linke Politik” zu machen. | |||
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Bilanz der Mitte-Links-Regierung Während sich der Wirtschaftsaufschwung in höheren Profiten widerspiegelt, sind die Reallöhne der Lohnabhängigen nämlich immer niedriger und die prekären Arbeitsverträge nehmen immer mehr zu (40% im Jahr 2001, 50% 2005, 53,7% 2006). Mittlerweile haben die Regierung und die Gewerkschaften ein Abkommen über Kernpunkte der Sozialpolitik unterschrieben, das unter anderem die von der Regierung Berlusconi eingeführte Anhebung des Rentenantrittsalters bestätigt und weitere Verschlechterungen vorsieht (auf 61 Jahre im Jahr 2013), gleichermaβen ist das sogenannte “Gesetz 30” über prekäre Arbeit auch bestätigt worden, zur großen Enttäuschung von Millionen jungen Lohnabhängigen, die dadurch schutzlos den Interessen der Arbeitgeber ausgeliefert sind. Gleichzeitig werden den Unternehmen viele “Geschenke” (in Form von Steuerentlastungen) gewährt. Im Oktober hat die Gewerkschaft dieses sozialpartnerschaftliche Abkommen einer Urabstimmung in den Betrieben unterzogen. Obwohl diese Linie der Gewerkschaftsführung die überwältigende Mehrheit der Stimmen bekommen hat, ist sehr bedeutend, dass die Nein-Stimmen in den groβen Fabriken (vor allem in der Metallindustrie wie Fiat, Ferrari, Maserati, Iveco usw.) erfolgreich waren; das heiβt, dass das Abkommen von den organisiertesten und klassenbewusstesten Teilen zurückgewiesen worden ist. Dieses Ergebnis ist umso bedeutsamer, wenn man in Betracht zieht, dass es abgesehen von einigen linken GewerkschaftsaktivistInnen keine organisierte Kampagne gegen das Abkommen gegeben hat. Die GenossInnen von Falce Martello, der Marxistischen Tendenz in der RC, gehörten zu den wenigen, die vehement gegen diese Reformen mobil gemacht haben. Die Demokratische Partei Das Ausbleiben einer organisierten Kampagne gegen diese Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen zeigt deutlich die tiefe Krise, in der sich die Massenorganisationen der italienischen Arbeiterbewegung gegenwärtig befinden. Dies gilt vor allem für Rifondazione Comunista. Das wichtigste Zeichen dieser Krise ist aber, der Zusammenschluss zwischen der sozialdemokratischen Partei der LinksdemokratInnen (DS, die ehemalige Kommunistische Partei) und der Margherita (eine katholisch-bürgerliche Partei, Anm.) zur sogenannten Demokratischen Partei (DP). Die DS hatte schon vor vielen Jahren ihre Verbindungen mit der Arbeiterbewegung gelockert. Die alte KPI war nach dem Fall der Berliner Mauer mit der Umbenennung in DS zu einer offen sozialdemokratischen Partei geworden. Seit damals hat die DS immer versucht, sich als eine zuverlässige, staatstragende Regierungspartei im Dienste der italienischen Unternehmer zu präsentieren, wie zum Beispiel während der ersten Regierung Prodi (1996-1998) oder dann unter der Regierung D’Alema (ihrem langjährigen Parteiführer). Schon damals gab es Teile der DS, die eine Umwandlung in eine offen bürgerliche Partei förderten, aber dieser Prozess konnte sich unter dem Eindruck der Massenproteste gegen die Rechtsregierung von Berlusconi, wie jenen zur Verteidigung des Kündigungsschutzes im Jahr 2003 mit 3 Millionen Demonstrationsteilnehmern in Rom, nicht durchsetzen. Ein linker Widerstand innerhalb der DS, der von Sergio Cofferati, dem Vorsitzenden des wichtigsten italienischen Gewerkschaftsverbundes (CGIL), verkörpert wurde, stand der bürgerlichen Umwandlung der Partei entgegen. Der Wahlsieg der “Mitte-Links”-Koalition im Jahr 2006 und der Antritt der Regierung Prodi haben die Lage jedoch völlig geändert. Die neue Regierung steht für eine Zusammenarbeit der Klassen und zwischen bürgerlichen und linken Parteien. Dieses Projekt hatte nach den Erfahrungen mit der Ära Berlusconi anfangs viele Erwartungen und Hoffnungen unter den ArbeiterInnen hervorgerufen. Gleichzeitig wurden alle linke Kräfte gezwungen ihre Loyalität mit der neuen Regierung Prodi unter Beweis zu stellen. Dadurch hat sich das Kräfteverhältnis in der Koalition und innerhalb der organisierten Arbeiterbewegung immer mehr nach rechts verschoben. Innerhalb der DS ist die innerparteiliche Linke rund um Cofferati in die Reihen der Mehrheitsströmung zurückgekehrt. Cofferati selbst ist mittlerweile der “Sheriff-Bürgermeister” von Bologna geworden und zeichnet sich durch eine sehr reaktionäre Kommunalpolitik aus. Diese weitere Verschiebung nach rechts endete nun in der Gründung der Demokratischen Partei. Am 14. Oktober haben die parteiinternen Vorwahlen stattgefunden, bei denen der Bürgermeister von Rom, Walter Veltroni, zum neuen Vorsitzenden gekürt wurde. RC und die “Rote Sache” Auch die Mehrheit der Rifondazione Comunista hat sich an die Regierungsverantwortung gewöhnt. Die Zeiten, in den die führenden GenossInnen die Wichtigkeit der sozialen Bewegungen (vor allem der “No Global”-Bewegung) für die Partei betonten, sind vorbei. Es sind nicht mehr die sozialen Bewegungen sondern die Regierungsspitzen, welche der Politik der Parteiführung der RC den Stempel aufdrücken. Auf alle zentralen Forderungen der Vergangenheit (gegen Krieg, gegen prekäre Arbeit, Antirassismus usw.) hat die RC mittlerweile verzichtet, um die (sehr knappe) Regierungsmehrheit im Parlament zu verteidigen. Das hat eine tiefe parteiinterne Krise ausgelöst. Viele AktivistInnen sind enttäuscht und nicht bereit, für die Partei aktiv zu sein. Statt die Regierung nach links zu drücken, wurde die Partei von der Regierung nach rechts geschoben. Auβerdem wurde ein Diskussionsprozess mit einer linken Abspaltung der DS (der “Demokratischen Linken”, die sich dem Zusammenschluss mit der Margherita entgegengestellt hat), den Italienischen Kommunisten (PCdI) und den Grünen begonnen, um eine neue vereinigte Linkspartei, die sogenannte “Rote Sache”, zu gründen. Das Problem daran ist leider, dass diese Diskussion auf keiner ernsthaften Bilanz der gegenwärtigen Regierung aufbaut und auch nicht mit einem klaren Programm zur Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse verbunden ist. Es wird nur über die Abschaffung von Hammer und Sichel als dem Symbol der Partei geredet. Eine klare Positionierung gegen die Regierungspolitik in den Bereichen Renten, prekäre Arbeit, Rechte der Einwanderer usw. sucht man jedoch vergeblich. Das ist nicht der Weg zur Bildung einer starken Linken, die eine Anlaufstelle für ArbeiterInnen, SchülerInnen, Studierden und alle ausgebeuteten und unterdrückten Menschen darstellen könnte. Bestenfalls wird daraus eine Wahlliste, die im Parlament den Mehrheitsbeschaffer für die Demokratische Partei spielen kann. Der 20. Oktober Um eine linke Alternative zur Demokratischen Partei und der Regierung Prodi bilden zu können, müsste die Rifondazione aus der Regierung gehen und die Partei in den Fabriken, in den Schulen, an den Universitäten neu verankern. Die großartige Demonstration vom 20. Oktober hat deutlich die Möglichkeiten dafür aufgezeigt: mehr als 500.000 Menschen haben in Rom ihre Unzufriedenheit mit der Regierung zum Ausdruck gebracht. An der Demo haben ArbeiterInnen, Studierende und viele junge Menschen teilgenommen, darunter viele Unterstützer und Aktivisten der RC, die durch ihre Anwesenheit mit Tausenden von roten “Hammer und Sichel”-Fahnen gezeigt haben, dass eine Partei nicht nur aus Abgeordneten, Ministern u.s.w. besteht, sondern aus Aktivisten, die in der Arbeiterbewegung ihre politische Arbeit leisten, und dass eine Arbeiterpartei nicht durch die Unterstützung einer Regierung der Klassenzusammenarbeit, sondern nur durch den Klassenkampf soziale Errungenschaften erzielen kann. Viele ArbeiterInnen, die gerade in Arbeitskämpfen stehen, haben ebenfalls in einer organisierten Art und Weise an der Demo teilgenommen, wie jene von Vodafone, dem Telekommunikationskonzern, wo 900 ArbeiterInnen (von 9.000) gekündigt werden sollen. Die führenden GenossInnen von RC haben sofort Prodi versichert, dass die Demo nicht gegen die Regierung gerichtet war, sondern dass die Regierung durch diese Demo gestärkt werden sollte. Damit wird die Realität aber auf den Kopf gestellt. Die Regierung wird nämlich jeden Tag schwächer, weil die Klassenwidersprüche in ihren Reihen immer stärker zu Tage treten. Ein wichtiger Teil der italienischen Bourgeoisie plant bereits eine Alternative zu der aktuellen Regierung, und zwar eine von den linken Parteien unabhängige und von der Demokratischen Partei geführte Regierung. Rifondazione Comunista muss so bald wie möglich ihre Klassenautonomie wiedergewinnen, das setzt den Ausstieg aus der Regierung und eine konsequente Oppositionspolitik im Parlament, in den Fabriken, in den Schulen und an den Universitäten voraus. Das war auch der Hauptslogan der Unterstützer der Marxistischen Tendenz Falce Martello, deren Transparent in der Demo sagte: „Partei des Kampfes und der Opposition“. Rassistische Hetze Die Notwendigkeit für die RC, die Regierung zu verlassen, ist in diesen Tagen sogar klar wie nie zuvor: nach dem Tod einer von einem rumänischen Einwanderer überfallenen Frau in Rom, erlebt Italien eine unbeschreibliche rassistische Kampagne. Die Regierung hat mit Blickrichtung auf rumänische Einwanderer sofort Maβnahmen eingeleitet, die das unmittelbare Abschieben “gefährlicher” EU-BürgerInnen (d.h. Menschen, die keine finanzielle Mittel haben) erlaubt. Die Regierung, die Demokratische Partei und die rechten Parteien stimmen darüber ein, dass der Staat nun in der Frage der Immigration mit eiserner Faust vorgesehen solle. So wird in „den Rumänen“ ein gemeinsamer “nationaler” Feind identifiziert, gegen den es geeint vorzugehen gilt. Unterschiedliche Klasseninteressen haben angesichts dieser Bedrohung scheinbar keinen Platz mehr. Einmal mehr soll mit der rassistischen Karte vor den tatsächlichen sozialen Problemen abgelenkt werden. Auβerdem unterliegt die Regierung einem starken Druck seitens der rechten Parteien, die daraus eine Regierungskrise fabrizieren wollen. Deshalb wird die RC - trotz der großen Unzufriedenheit mit dieser rassistischen Politik an der eigenen Parteibasis - auch dieses Mal die Regierung unterstützen und das Überleben der Regierung Prodi auf diese Weise sicherstellen. Gleichzeitig fragen sich immer mehr AktivistInnen: “Wie lange noch?”, “Wie weit können wir noch gehen?”. Durch diese rassistische Kampagne erweist sich die Regierung gegenüber der herrschenden Klasse genauso repressiv wie die vorherige rechte Regierung und schickt gleichzeitig eine klare Mitteilung an die Linke: “Kein 20. Oktober mehr! Ab sofort gilt es wieder loyal zur Regierung zu stehen!”. Es ist deshalb jetzt Zeit für die RC eine klare Antwort zu geben: entweder mit der Regierung, mit der Demokratischen Partei, mit dem Kapital oder mit den ArbeiterInnen, den SchülerInnen, den Studierenden, den MigrantInnen und allen ausgebeuteten Menschen. Jede weitere Unentschlossenheit entfernt die RC nur noch weiter von ihrer sozialen Basis. Als Marxisten von Falce Martello, der Marxistische Tendenz in der RC, werden wir unseren Kampf für eine „Partei des Kampfes und der Opposition“ fortsetzen. Unser Ausgangspunkt sind die eine Million Stimmen in den Betrieben gegen das sozialpartnerschaftliche Abkommen zur Renten- und Arbeitsmarktreform und der Erfolg der Großdemonstration vom 20. Oktober. Geben wir der Unzufriedenheit der bewusstesten Schichten der Arbeiterklasse eine Stimme und einen organisierten Ausdruck und legen wir die Basis für neue Klassenkämpfe! Die Autorin ist Mitglied des “Coordinamento nazionale” der Giovani Comunisti (Gc), der Jugendorganisation der Rifondazione Comunisa (RC) und Unterstützerin von Falce Martello |