Kategorie: Jugend |
|||
Großdemo in Erfurt gegen Kahlschlag an Thüringer Hochschulen |
|||
|
|||
Am 11. Dezember 2013, demonstrierten rund 4000 Studierende und abhängig Beschäftigte in Erfurt gegen die von der Thüringer CDU-SPD-Landesregierung beschlossenen Kürzungen im Hochschulbereich. Neben den Studierenden aus Erfurt waren viele Studierende und Mitarbeiter von Universitäten und Hochschulen aus Jena, Ilmenau, Weimar und anderen Orten Thüringens vertreten, die mit Sonderzügen anreisten. |
|||
|
|||
Ein großes Bündnis von politischen Organisationen (Die Linke.SDS, DIE LINKE, Intergrün, Piraten, Falken, SPD Ilmenau, SDAJ, usw.) und Gewerkschaften (ver.di, GEW, DGB) beteiligte sich an der Demonstration. Um 13 Uhr startete die Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof. Viele selbstgemachte Transparente und Fahnen wurden von den Demonstranten mitgebracht. "Wütender Mob" hieß es auf einem mit einem Wischmop dekorierten Schild. "Matschie, rück die Kohle raus" und "Gegen Matsch(ie)birnige Kürzungen", hatten Jenaer Studierende auf Schilder gemalt. Diese zielten damit auf den Bildungsminister und Vize-Regierungschef Christoph Matschie (SPD) ab, dessen Ressort für die Hochschulpolitik zuständig ist. In den letzten Tagen hatte Matschie unter dem Druck der Jenaer Proteste vom Finanzministerium mehr Geld für Bildung gefordert und seinen Staatssekretär Thomas Deufel nach vorne gerückt. Auf der Demo wurde bei den Parolen auf den selbstgemachten Schildern aber auch auf Deufel Bezug genommen: "Geld zum Deufel", "Kein Pakt mit dem Deufel" oder "Auf Deufel komm raus", hieß es etwa. Ein Schild eines Jenaer Demonstranten berief sich auf den kürzlich verstorbenen südafrikanischen Ex-Präsidenten Nelson Mandela: "Bildung ist die mächtigste Waffe, die du verwenden kannst, um die Welt zu verändern."
Die geplanten Kürzungen spielen sich vor dem Hintergrund ab, dass seit 1992 die Studierendenzahlen in Thüringen um 346 Prozent gestiegen sind. Gleichzeitig sanken die Personalstellen im Hochschulbereich um 17 Prozent. Wenn die Strukturanpassungen vollzogen werden, würden laut GEW schlechtere Betreuungsmöglichkeiten für Studierende eintreten. So sollen allein u. a. 200 von bislang 1.400 Vollzeitäquivalenten beim akademischen Personal (=nichtprofessorales wissenschaftliches Personal) wegfallen. Außerdem würden höhere Belastungen der „übrig bleibenden“ Beschäftigten entstehen sowie weniger Serviceleistungen durch das sonstige Personal (=technisches und Verwaltungspersonal) in Werkstätten, Laboren, Bibliotheken, Medienzentrum etc. vollbracht werden. Ferner würden die Kürzungen zu Nichtwiederbesetzungen von Professuren führen und damit würden ganze Studienrichtungen- und gänge wegfallen.
Der thüringische GEW-Landesvorsitzende Torsten Wolf bemängelte die immer weiter um sich greifenden prekären Arbeitsbedingungen und befristeten Arbeitsverträge für die Beschäftigten an Hochschulen. Die Anzahl von externen Lehrbeauftragten mit Verträgen über wenige Stunden habe im Freistaat sprunghaft zugenommen, so Wolf. Eine Angestellte der Erfurter Universität meinte: "Die bekommen pro Unterrichtsstunde 19 Euro und müssen sich dafür noch vor- und nachbereiten." An der Weimarer Bauhaus-Universität sei es fast noch schlimmer, so Wolf: "Dort werden teilweise Studierende höherer Semester stundenweise als Lehrkräfte in Kursen und Seminaren für Studienanfänger eingesetzt, um eingesparte Stellen für Professoren und Dozenten zu ersetzen." Wolf erwartet für 2014 ein „ungemütliches neues Jahr“, sollte die Landesregierung den Umgang mit den Hochschulen nicht ändern.
Nach den ersten Reden zogen die Demonstranten über den Landtag zum Finanzministerium, wo am späten Nachmittag die Abschlusskundgebung stattfand. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut“, „Matschie – rück‘ die Kohle raus“ und „Lieberknecht – Uni schlecht“ (in Anspielung an die CDU-Regierungschefin Christine Lieberknecht) waren einige der Sprechchöre der Demonstranten. Die Kundgebungsteilnehmer verschafften sich durch lautstarke Trillerpfeifen Gehör. Insgesamt herrschte eine kämpferische und großartige Stimmung.
Vor dem Landtag folgten weitere Reden. So sprachen Anne Voss von ver.di und Malte vom STEPagainst-Bündnis Jena. Es wurde u. a. angemerkt, dass ein guter Landesaushalt nicht nur von Ausgabenkürzungen, sondern von Einnahmeerhöhungen lebe. Außerdem müsse man die Kürzungen in einem größeren Zusammenhang sehen, aber wer von „Kapitalismus“ spreche, gelte heute schon fast als Terrorist. Vom Landtag dort zog der Demonstrationszug zur Abschlusskundgebung vor dem Finanzministerium. Dort sprachen u. a. die Vorsitzende der thüringischen LINKEN, Susanne Hennig, und der Finanzminister des Landes Thüringen Wolfgang Voß (CDU). Susanne Hennig forderte die Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Hochschulentwicklung. Dieses Thema müsse endlich wieder in das Parlament zurückgeholt werden. Außerdem dürfe die Bildung nicht nach ökonomischen Kriterien gesteuert werden, sondern müsse sich vor allem an sozialen und demokratischen Anforderungen orientieren. Wenn sich an der Haltung der Landesregierung nichts ändere, wären der Rücktritt der Landesregierung und Neuwahlen angebracht. Finanzminister Wolfgang Voß sprach dagegen von einer guten Ausstattung der Universitäten, was von den Demonstrationsteilnehmern empört zurückgewiesen wurde. Danach wandte er sich gegen eine angebliche parteipolitische „Instrumentalisierung“ der Demonstration durch die Partei DIE LINKE und erntete auch damit Proteste.
In Demonstrationsreden wurde auch erwähnt, dass die Ausgaben für die Universitäten und Hochschulen in den letzten Jahren um 1% stiegen, aber man jetzt schon eine Steigerung von 4% bräuchte, um alle nötigen Ausgaben der Universitäten und Hochschulen zu bezahlen und die Lehre auf gleich bleibenden Niveau zu halten. Da nun aber sogar drastische Kürzungen vorgesehen sind, kann mit weiteren heftigen Protesten und Widerstand gegen die Pläne der thüringischen Landesregierung im neuen Jahr gerechnet werden. |