Kategorie: Jugend |
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Schweden brennt! |
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Die Vororte von Stockholm stehen in Flammen. Brennende Autos, eingeschlagene Fenster von Polizeistationen und Straßenschlachten zwischen der Polizei und Vorstadtkids. Eine Generation, die im Kapitalismus keine Zukunft mehr sieht, lässt ihrem lang unterdrückten Unmut und Zorn nun freien Lauf.
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Keine Zukunft im Kapitalismus
Die Unruhen waren am Sonntag, dem 19. Mai, ausgebrochen, nachdem die Polizei eine Woche zuvor einen Mann aus Husby, einem Vorort von Stockholm, ohne Angabe von Gründen erschossen hatte. Diese Proteste breiteten sich innerhalb einer Woche auf viele andere Vororte von Stockholm aus. 50 Autos sowie eine Schule und eine Polizeistation wurden angezündet. Die von Polizeigewalt ausgelösten Unruhen erinnern an ähnliche Ereignisse in Paris, Athen und London in den letzten Jahren. Augenzeugen berichten, dass Personen, die versucht haben, die Jugendlichen zu beruhigen, von der Polizei beschimpft und teilweise sogar attackiert wurden. Quena Soruco, eine Aktivistin von “Megaphone”, die die Jugend der Vorstadt im Kampf für politische Veränderung zu organisieren versucht, sagte: „Wen soll man rufen, wenn es die Polizei ist, die angreift?“ Hinter der Gewalt der Jugendlichen stehen Verzweiflung und Wut, die lange unterdrückt wurden. Viele von ihnen sehen der Zukunft ohne Hoffnung entgegen. Die Jugendarbeitslosigkeit in Schweden liegt bei 25%, doch in Husby ist sie nochmal um 12% höher. Viele Jugendliche haben nur einen prekären Job oder finden aufgrund ihrer Hautfarbe gar keine Arbeit. Und selbst wenn sie einen Job finden, leben sie oft noch bei ihren Eltern, da die Mieten unerschwinglich sind.
Die Rolle der Polizei
Rassistisch motivierte Übergriffe der Polizei sind in Schweden keine Seltenheit. Das ganze passiert vor dem Hintergrund des sogenannten REVA-Projekts, bei dem die Polizeistreifen von Stockholm in der U-Bahn Menschen dazu zwingt sich auszuweisen, wenn sie nicht auf den ersten Blick „schwedisch“ aussehen. Die Polizei begründet diese Aktionen damit, dass man gegen illegale Einwanderung ankämpfen möchte. Doch in Wahrheit ist es nur eine rassistische Aktion, die sich nicht zuletzt gegen junge, in Schweden geborene Menschen richtet, nur weil sie nicht blond und weiß sind. Doch damit nicht genug. Die Polizei hatte auch enormen Druck auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgeübt, damit diese Informationen über ihre PatientInnen offenlegen. Das hat jetzt zu einer breiten öffentlichen Diskussion geführt. Eine breite Protestbewegung hat es geschafft, diesem Vorgehen der Polizei ein Ende zu setzen. Die Massenmedien und die meisten politischen Parteien sprechen immer wieder von einem „Ausländerproblem“ und rechtfertigen mit rassistischer Hetze sogar militärische Interventionen. Doch die selbe herrschende Klasse benutzt MigrantInnen, die keine Dokumente haben, als billige Arbeitskräfte ohne ordentliche Arbeitsverträge. Die bürgerliche Klasse folgt dem Prinzip: Teile und herrsche. Die Arbeiterklasse wird anhand von konstruierten Trennlinien, wie Religion und Herkunftsland, gespalten, um von den wahren Ursachen sozialer Probleme abzulenken.
Dass die Polizei die Speerspitze der rassistischen Hetze ist, ist in Schweden spätestens seit 2009 bekannt. Damals wurde vor Gericht ein Video gezeigt, indem man einen Polizisten über einen jungen Immigranten sagen hört: „Ich werde ihn kastrieren, wenn ich ihn in die Finger bekomme.“ Dass diese Stelle nicht aus dem Video geschnitten wurde, sagt viel aus über die gesellschaftliche Entwicklung in Schweden. Zu alltäglich ist der Rassismus bereits, als dass es angesichts solcher Aussagen noch eine große öffentliche Aufregung geben würde. Wahrscheinlich werden sich die Polizisten für die Erschießung des Mannes in Husby nicht vor Gericht verantworten müssen. Allein letztes Jahr gab es 6872 Beschwerden gegen das Vorgehen der Polizei, doch nur in 62 Fällen wurden die Polizisten schuldig gesprochen. Doch die rassistisch motivierten Übergriffe der Polizei werden von Tag zu Tag häufiger. Wie kann so etwas passieren? Und warum gehen Klagen gegen solche Taten nur selten durch? Die Antwort ist einfach: Die Gesetze, denen Menschen in einem Staat rechenschaftspflichtig sind, sind die Gesetze der herrschenden Klasse. Und die hat nicht einmal das geringste Interesse, den für sie so nützlichen Rassismus zu bekämpfen.
Ist Steine werfen eine Lösung?
Als MarxistInnen unterstützen wir gewalttätige Ausschreitungen dieser Art nicht. Doch wir werden auch nicht die Beschuldigungen und moralischen Vorwürfe der Bürgerlichen unterstützen. Es ist leicht Symptome zu erkennen und zu bekämpfen, doch man muss die Krankheit kennen, um sie heilen zu können. Wir sind gegen solche Methoden, weil sie keine Probleme lösen. Durch das Anzünden von Autos oder das Zerschlagen einer Fensterscheibe werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, die Bezahlung nicht besser und die Wurzeln des Rassismus in der Gesellschaft nicht ausgerissen. Zweitens trifft diese Gewalt wieder nur die Ärmsten, Arbeiter, deren Autos und Häuser in Flammen stehen, denn Reiche wohnen nicht in Husby. Sie sind in ihren Villen sicher, werden von der Polizei geschützt und sind von diesen Unruhen nicht betroffen.
Doch vor allem sind wir gegen solche Methoden, weil sie keinen Beitrag dazu leisten, die ArbeiterInnen in der Aktion zu vereinen. Nur eine Minderheit unter den ArbeiterInnen, die an den selben Problemen leiden, beteiligt sich an solchen gewalttätigen Aktionen. Es gab in den Vorstädten schon viele friedliche Demonstrationen gegen diese Gewalt. Die Wut vieler Menschen aus den Vorstädten richtet sich nun aber nicht mehr nur so sehr gegen die Polizeigewalt, als auch gegen die wahllose Gewalt der Jugendlichen, die nicht nur die Polizei, sondern auch Feuerwehrmänner und andere Arbeiter mit Steinen bewarfen. Ein Zeichen dafür, wie wenig sich diese Jugendlichen mit dem System identifizieren, ist, dass sie alles attackieren, was sie mit dem Staat in Verbindung bringen. Die Medien nutzen natürlich diese unkoordinierte Gewalt, um den Protest der Jugendlichen zu delegitimieren. Außerdem nimmt die Politik die jüngsten Ereignisse zum Anlass, ihre Methoden noch mehr zu verschärfen, was sich in späterer Folge auch gegen Gewerkschaftsdemos und Streiks richten kann.
Die Krise des Kapitalismus
Diese gewalttätigen Unruhen sind ein Symptom der Krise des Kapitalismus, die auch vor Schweden nicht Halt macht. Dieses System bietet immer mehr Menschen keine Zukunftsperspektive, obwohl es auf der anderen Seite der gesellschaftlichen Ordnung eine extreme Akkumulation von Reichtum gibt. Während auf der einen Seite schwedische Konzerne rekordverdächtig hohe Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten, wird auch in Schweden der Sozialstaat immer mehr ausgehöhlt, steigt die Arbeitslosigkeit und werden die Löhne gedrückt. Schweden ist sogar das OECD-Land, in dem die soziale Ungleichheit in den letzten drei Jahrzehnte am stärksten zugenommen Die letzten 50 Jahre haben sich die Bürgerlichen große Mühe gegeben, den schwedischen Kapitalismus als Hort des Wohlstands, der Stabilität und der Gleichheit zu präsentieren. Spätestens jetzt müssen die ArbeiterInnen einsehen, dass das alles nur eine große Lüge war. Schweden bildet keine Ausnahme.
Den Kampf auf die nächste Stufe heben!
Es ist nicht das erste und bestimmt nicht das letzte Mal, dass schwedische Vorstädte in Flammen stehen. Ähnliches passierte in Malmö 2008 und in Göteburg 2012. Und was auch immer der unmittelbare Auslöser sein mag, es kann immer wieder passieren, solange sich die sozialen Verhältnisse nicht ändern. Es gilt einen generellen Kampf für die Entwicklung der Vorstädte zu führen. Es braucht dort Arbeitsplätze, bezahlbare Wohnungen und gute Schulen. Überdies muss der Polizeiterror gestoppt werden. Die große Aufgabe ist es nun, die Jugendlichen in den Vorstädten mit der Arbeiterbewegung zusammenzuführen, um einen gemeinsamen Kampf für bessere Arbeits- und Lebensbedienungen führen zu können. Leider hat die Führung der Arbeiterbewegung bisher noch keinen Schritt in diese Richtung getan. Die Bürgerlichen haben jeden Grund beunruhigt zu sein. Denn früher oder später wird dieser wachsende Unmut in der Gesellschaft einen organisierten, politischen Ausdruck finden. Die Gründung neuer linker Jugendorganisationen wie “Megaphon” und “Pantrarna” (Die Panther), die der Jugend in den Vorstädten eine politische Perspektive geben und Forderungen formulieren, sind ein wichtiger Schritt vorwärts. Diese Perspektive kann nur eine revolutionäre, eine sozialistische sein.
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