Über die letzten Monate hatten laut UNICEF 463 Millionen von insgesamt 1,5 Milliarden Schülerinnen und Schülern weltweit, die von Schulschließungen betroffen waren, keinen Zugang zum Online-Unterricht und waren bzw. sind somit längere Zeit vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen.
Auch in Deutschland trafen der erste Lockdown und die Schulschließungen ab März 2020 arme Familien besonders hart. Denn hier fehlt es zuhause oft an ruhigen Räumen zum Lernen, ausreichender Unterstützung durch die Eltern, mobilen Endgeräten und stabilen Internetverbindungen. Es ist schwer vorstellbar, was für eine Belastung und Stress eine weitere Schulschließung für die Kinder und Jugendlichen bedeuten würde. Eine Reihe von Untersuchungen hat ergeben, welche enormen Auswirkungen die Kita- und Schulschließungen während des ersten Lockdowns im Frühjahr auf das Lernen sowie die physische und psychische Gesundheit der Schulkinder, Jugendlichen und ihrer Familien hatten.
Weit davon entfernt, den Sommer als Vorbereitung für einen geregelten und sicheren Schulstart zu nutzen, arbeiteten die staatlichen Stellen nicht einmal einheitliche Regelungen aus. Bundesregierung, Landesregierungen und Kultusministerien in den 16 Ländern verursachen weiterhin Chaos und Unsicherheit im Schulbetrieb. Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal werden allein gelassen. Der Staat ist nicht in der Lage, im Interesse der Schülerinnen und Schüler sowie des Lehrpersonals zu handeln. Deshalb müssen demokratisch gewählte Vertreter von Lehrpersonal, Eltern, Hausmeister, Reinigungskräfte sowie Schülerinnen und Schüler Komitees bilden, die die Einhaltung der Hygienestandards kontrollieren, sich für die Anschaffung von Luftfiltern stark machen und auch über mögliche Schulschließungen entscheiden können.
Doch selbst wenn es klare und nachvollziehbare Regelungen gäbe, bliebe das größte Problem bestehen. Es mangelt schlichtweg an den nötigen Ressourcen und Hilfen für einen sicheren und stressfreien Schulalltag. Schwere Versäumnisse der vergangenen Jahre und Jahrzehnte schlagen in dieser Situation zusätzlich zu Buche: Marode Schulgebäude, Lehrermangel, fehlendes pädagogische Unterstützungspersonal wie z.B. Schulsozialarbeiter oder Psychologen, unzureichende digitale Ausstattung und andere Missstände.
Bei 25 bis 30 oder noch mehr Schülerinnen und Schülern in einer Klasse ist es nämlich genau so wenig wie in den überfüllten Bussen und Bahnen auf dem Weg zur Schule unmöglich, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Zu Stoßzeiten müssen deshalb die Kapazitäten und Takte der Buslinien verdoppelt werden, um einen gefahrlosen Schultransport zu ermöglichen.
Dringend geboten ist eine Verkleinerung der Klassen, um das dauerhafte Tragen von Masken in den Schulen zu vermeiden und Abstände besser zu wahren. Der Vorschlag, die Klassenräume regelmäßig zu lüften und mit einer Wolldecke in den Unterricht zu kommen, wirkt angesichts des bevorstehenden Winters wie ein schlechter Witz. Die technische Ausstattung mit qualitativ hochwertigen Luftfilteranlagen für alle Schulen muss umgehend umgesetzt werden.
Der Ausbau der digitalen Infrastruktur muss beschleunigt werden. Auch Tablets sind Lernmittel und müssen allen Schülerinnen und Schülern ab der 5. Klasse kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Was dringend benötigt wird, ist eine Aufstockung des Lehrpersonals, sowie eine Ausweitung der Gebäude für Unterrichtstätigkeiten. So könnte die Schülerzahl in der Klasse deutlich gesenkt, das Ansteckungsrisiko minimiert sowie die Qualität des Unterrichts gesteigert werden. Der Lehrermangel war bereits vor der Pandemie ein seit vielen Jahren bekannter Missstand. Jetzt führt er zu einer pädagogischen Katastrophe. Große Klassen fördern schon im normalen Schulbetrieb eine verstärkte soziale Auslese, da die individuelle Betreuung und Zuwendung durch die Schule nicht gewährleistet werden kann. In Corona-Zeiten verschärft sich dieser Trend.
Corona hat die Missstände im Bildungswesen offengelegt und den Zynismus eines Systems bloßgestellt, das stattdessen lieber Milliarden in Großkonzerne und Banken pumpt. Daher:
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Das Bildungswesen gehört vollständig in öffentliche Hände. Für die demokratische Kontrolle des Bildungswesens durch Komitees gewählter Vertreterinnen und Vertreter von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Eltern und Gewerkschaften.
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Senkung der Schulklassengrößen auf 15 Schülerinnen und Schüler. Ausbildungs- und Einstellungsoffensive für mehr qualifiziertes Lehr- und Betreuungspersonal, um Gesundheitsschutz zu gewährleisten und alle Kinder optimal zu fördern. Kostenlose Schülertickets und eine Erhöhung der Taktung der Busse und Bahnen.
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Beschlagnahme von zusätzlichen Räumlichkeiten für den Unterricht. Dafür müssen der Leerstand von Gewerbeimmobilien zentral erfasst und in Frage kommende Gebäude entschädigungslos für den Unterricht bereitgestellt werden. Hotels, Jugendherbergen, Tagungsstätten und Kongresszentren, die zurzeit leerstehen, sind ebenfalls vorübergehend zu nutzen.
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