Auch wenn es sich bei diesem sogenannten Hochschulinnovationsgesetz um keine Privatisierung im rechtlichen Sinne handelt, zeigen die Eckpunkte eindeutig, dass es davon nicht weit entfernt ist. Vom Staat grundfinanziert sollen die Hochschulen demnach immer noch eine Personalkörperschaft des öffentlichen Rechts bleiben. Sie übernehmen dabei aber als wirtschaftlich „selbstständige Partner” die bisherigen Aufgaben des Staates und agieren wie ein privates Unternehmen. Die neu definierte Aufgabe des „Wissens- und Technologietransfers” soll dazu dienen, „Anreize für die unternehmerische Betätigung der Hochschulen” zu schaffen, um als „Mehrwert für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft” nützlich zu sein. In den Augen des Staatsministeriums muss eine „gesteigerte Ergebnis-Orientierung“ das Ziel sein. Konkret heißt dies, dass Hochschulen dazu angehalten sind, eigene private Unternehmen zu gründen und Professoren zu einer unternehmerischen Tätigkeit zu ermutigen.
Die herrschende Klasse erhofft sich damit mehr Wettbewerb zwischen den staatlichen Hochschulen sowie auf internationaler Ebene, um auf dem Weltmarkt wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben. Künstlerische sowie human- und geisteswissenschaftliche Studiengänge werden früher oder später dem Profitstreben zum Opfer fallen, da sich aus ihnen kein ökonomischer Mehrwert herauspressen lässt. Auch wichtige Grundlagenforschung, welche nicht sofort auf dem kapitalistischen Markt realisiert werden kann, wird an solchen Hochschulen keinen Platz finden. All das eröffnet weiterhin den Spielraum für die Befristung von Arbeitsverträgen sowie für eine Wiedereinführung von Studiengebühren. Ein jetzt schon bestehendes Zwei-Klassen-Hochschulsystem wird sich damit zusätzlich verfestigen. Hierfür wird es aus Sicht der herrschenden Klasse nötig sein, die Vertretung der Studierenden und Beschäftigten weiter zu entmachten.
Um wie ein Unternehmen handeln zu können, stünde es den Hochschulen frei, eigene Organisationsstrukturen festzulegen und umzusetzen. Es läuft also darauf hinaus, dass die Aufgaben des Senats entweder auf den Präsidenten oder auf den Hochschulrat übergehen werden. Der Hochschulrat besteht zur Hälfte aus zehn nichtgewählten Vertretern „aus Wissenschaft und Kultur und insbesondere aus Wirtschaft und beruflicher Praxis”. In der Regel sind diese Plätze meist durch direkte Vertreter des Kapitals besetzt, welche in Zukunft an den Hochschulen das Sagen haben könnten. In beiden Fällen bliebe die ohnehin marginale Vertretung von Studierenden und Beschäftigten nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die in dem Eckpunktpapier vorgesehene Etablierung eines Landesstudierendenbeirats erhält ausdrücklich „keine eigene Rechtspersönlichkeit und kein allgemeinpolitisches Mandat”. Die herrschende Klasse macht keinen Hehl daraus, was sie unter „Demokratie” und „Mitbestimmung” versteht: Demokratie für die Vertreter des Kapitals und gegen die Interessen der Studierenden und Beschäftigten.
Das Gesetzesvorhaben ist ein weiterer Angriff auf den Qualitätsstandard der Hochschullehre und unsere demokratischen Errungenschaften. Die Corona-Krise war der Startpunkt einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise. Um ihre Profite und Machtstellung zu sichern, wälzt die herrschende Klasse auch diese Krise auf die Arbeiterklasse ab. Zu diesem Zweck und als Vorbereitung auf die Krise war das Bildungswesen in der Vergangenheit häufig Opfer von Spar- und Kürzungsmaßnahmen, was sich bspw. durch Stellenabbau, schrumpfendes Studienangebot oder unzureichende Ausstattung äußerte. Jetzt müssen wir mit weiteren Angriffen rechnen. Für die EU-Haushaltsperiode 2021-2027 werden noch drastischere Kürzungen in Kultur und Bildung geplant als zunächst angenommen. Errungenschaften, die durch Druck der Arbeiterklasse und Studierendenschaft zugestanden wurden, bspw. die Abschaffung der Studiengebühren oder die ohnehin marginale studentische Mitbestimmung, können im Zuge der Krise jederzeit wieder zurückgenommen werden. Was so viele Menschen für richtig halten, nämlich ein kostenloses Bildungssystem mit demokratischer Mitbestimmung, ist im Kapitalismus eine Utopie.
Immer wieder beweist der Kapitalismus seine Unfähigkeit, eine ausgewogene, pädagogisch wertvolle Bildung für alle Menschen zur Verfügung zu stellen. Es ist viel sinnvoller und effizienter, wenn alle Menschen, die Teil der Hochschule sind, über Angelegenheiten der Hochschule demokratisch bestimmen, anstatt Personen, die nichts mit dem Tagesgeschäft der Hochschule zu tun haben und deren Entscheidungen sich nicht auf sie selbst auswirken. Wenn die Hochschulen von allen Angestellten, Dozierenden, Professorinnen und Professoren sowie Studierenden kontrolliert werden, kann eine wirklich demokratische Hochschule Realität werden. Dafür braucht es Gremien, in denen wählbare und abwählbare Repräsentierende jeder Gruppe vertreten sind und den Ablauf des Semesters planen, die Verteilung der Gelder bestimmen und Veranstaltungspläne, Abgabefristen und -umfänge, Klausurtermine etc. demokratisch planen. Niemand kann das besser entscheiden als jene, die es ohnehin tagtäglich umsetzen und mit schlechten Entscheidungen umgehen müssen.
Ein gut finanziertes Bildungssystem ist im Kapitalismus unmöglich. Zudem ist ein Bildungssystem, das die tatsächlichen Fähigkeiten aller Menschen zur Geltung bringt, im jetzigen Gesellschaftssystem völlig undenkbar. Nur eine demokratische gesellschaftliche Planung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, ist dazu fähig, optimal auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen.
Der Kapitalismus verhindert, dass Wissen, Fähigkeiten und Interessen für die Weiterentwicklung der Gesellschaft eingesetzt werden. Denn ermöglicht und gefördert wird, was Profit einbringt. Deshalb müssen Kämpfe um Verbesserungen im Bildungssystem, als Teil des allgemeinen Klassenkampfes für die sozialistische Revolutionierung der Gesellschaft geführt werden.
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