Kampftag nicht Feiertag
Den 1. Mai erinnern wir als „Tag der Arbeit“. Seinen Ursprung hat er im „Haymarket Riot“. Am 1. Mai 1886 gingen ca. 400.000 Arbeiter in der USA für mehrere Tage in den Streik. Sie forderten den 8-Stunden-Tag. Am 3. Mai 1886 wurde der Streik in Chicago gewaltvoll durch die Polizei aufgelöst. Dabei erschoss und verletzte sie mehrere Arbeiter. Schon im Jahr 1956 kämpften Arbeiter in Australien in Massendemonstrationen für die gleichen Forderungen. Diese Ereignisse zeigen uns, wie hart die Arbeiterbewegungen für Reformen gekämpft haben, welche wir heute genießen. Schon damals war die polizeiliche Auseinandersetzung kein Sonderfall.
Der „Internationale Arbeiterkongress“ ernannte 1889 den 1. Mai zum „Kampftag der Arbeiterbewegung“. Das war dem Bürgertum ein Dorn im Auge. Seitdem finden jährlich große Demonstrationen statt und die bürgerlichen Medien berichten vor allem über die gewalttätige Seite dieser Demonstrationen. Es ist der verzweifelte Versuch diesen Tag und die Arbeiterbewegung zu verleumden. Lassen wir uns weder von den Berichten der Medien diesbezüglich verwirren noch den 1. Mai als einen gewöhnlichen Feiertag betrachten. Wir sollten zu den alten Traditionen zurückkehren und den 1. Mai wieder zu einem Kampftag machen, an dem die internationale Arbeiterbewegung ihre Stärke demonstriert.
Demonstrationen in Berlin
Dieses Jahr hätte in Berlin am 1. Mai diese Stärke bewiesen und genutzt werden können. Die Spannungen zwischen Arbeiterklasse und Kapitalisten steigt, die prekären Verhältnisse werden drastischer und Enttäuschung über das Wirtschaftssystem häuft sich bei den Arbeitern. Schon letztes Jahr fingen Massenentlassungen an. Da die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, verschärfte sich die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben unter den Arbeitern. Währenddessen schenkte der bürgerliche Staat den Großkonzernen Milliarden in Form von Staatssubventionen.
In dieser Krise war der Mietendeckel ein Hoffnungsschimmer für Arbeiter und Arbeitslose. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 15.4. wurde von 15.000 Berlinern am selben Tag mit einer spontanen Demonstration beantwortet. Auch am 1. Mai trugen mehr als 10.000 Demonstrierende ihre Wut über das Urteil auf die Straßen.
Während man in Berlin demonstrierte, ging man nicht überall in Deutschland zum 1. Mai auf die Straßen. So wurden in Hamburg zwei Demos zum 1. Mai untersagt. Begründet wurde das mit den pandemiebedingten Zuständen. Dabei wurden in den vorhergegangenen Monaten regelmäßig Corona-Leugner-Demos in Deutschland zugelassen, obwohl bewusst und wie erwartet, gegen die Hygienemaßnahmen verstoßen wurde.
Polizei provoziert
In Berlin gaben die Demonstrierenden zum 1. Mai ihr Bestes die Hygienevorschriften zu beachten und die Demonstration friedlich zu halten. Selbst in den Medien gab man zu, dass nahezu alle Demonstrierenden Masken trugen. Dennoch löste die Polizei die Demonstration mit dem Vorwand auf, die Mindestabstände seien nicht eingehalten worden. Dabei tat sich die Polizei selbst schwer den Mindestabstand von 1,50 Meter zwischen ihren Kollegen sowie die Maskenpflicht einzuhalten.
Es war klar, dass das Einhalten von Abständen auf den engen Straßen und der hohen Anzahl an Demonstrierenden nicht überall möglich war. Man kann diese Auflösung aufgrund der Abstandsmaßnahmen nicht nachvollziehen, wenn währenddessen Schüler, Lehrer und Arbeiter einem Infektionsrisiko ausgesetzt werden, weil sie jeden Tag in Schule und Betrieb gehen und sich auf dem Weg dahin in überfüllten U-Bahnen drängen müssen.
Letztendlich versperrte die Polizei in der Nähe von Rathaus Neukölln den Demonstrierenden durch eine Blockade den Weg und spalteten den Demonstrationszug. Der hintere Teil wurde aufgelöst. Dabei rannte eine Polizeikolonne von etwa 20 Mann mitten in die friedliche Menge rein und überrannten sie, darunter auch junge Mädchen und ältere und körperlich beeinträchtigte Teilnehmer. Die Gewalt ging klar von der Polizei aus, die Demonstranten wehrten sich dagegen.
Genau diese Bilder einer gewaltvollen Eskalation waren gewollt. Am Ende hatten die bürgerlichen Medien Bilder von Chaos: Glasscherben auf den Straßen, Feuer auf den Gehwegen und körperliche Auseinandersetzung mit der Polizei. Die enttäuschten Demonstrierenden wurden als gewaltsuchende Radikale abgestempelt und erneut wurde der 1. Mai und die Arbeiterbewegung von den Medien diffamiert: „Vorsicht liebe Kinder! Radikale, linke Politik klingt verlockend, aber sie endet immer in Gewalt. Lasst besser die Finger davon.“
Rolle von Staat und Polizei
Diese Ereignisse zeigen, dass der bürgerliche Staat die Herrschaft einer Minderheit und die Ausbeutung einer Mehrheit schützt. Im Kapitalismus ist es die Minderheit der Kapitalisten, welche die Produktionsmittel unter ihrer Kontrolle hält. Die grundlegende Rolle des Staates liegt nicht, wie oft angenommen, in der Klassenversöhnung, sondern in der Klassenunterdrückung. Als Exekutive des bürgerlichen Staates, sichert die Polizei mit allen Mitteln die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse. Sie zwingt gewaltsam die Arbeiterklasse zur Ausbeutung.
Jetzt, wo sich die kapitalistische Krise zuspitzt, ist es wichtig Streiks und Demonstrationen zu organisieren. Sie sind die effektivsten Methoden, um der Klasse der Kapitalisten Druck zu machen und die Interessen der Arbeiterklasse durchzusetzen. Die politische Polarisierung, der Mietendeckel und die Radikalisierung der Jugend (z.B. bei Fridays For Future) sind ein Ausgangspunkt dafür.
Es ist wichtig, sich bei öffentlichen Versammlungen an Maskenpflicht zu halten, Hände regelmäßig zu desinfizieren und sich testen zu lassen, damit man möglichst das Infektionsrisiko vermeidet. Dennoch ist das Infektionsrisiko in Büros oder Schulen wesentlich größer als an der frischen Luft. Wir sollten auch zu Zeiten der Pandemie weiterhin demonstrieren und streiken, denn nur eine große Arbeiterbewegung ist dazu in der Lage, die notwendigen Maßnahmen zur Beendigung der Pandemie zu erzwingen.
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