Kategorie: Kapital und Arbeit

Auftakt der Streikwelle in Hessen und dem Saarland

In Hessen nahmen nach ver.di-Angaben rund 2.300 Beschäftigte aus der Landesverwaltung, Universitäten und Unikliniken an Warnstreiks teil. Kundgebungen fanden in Darmstadt, Wiesbaden, Frankfurt, Gelnhausen und Kassel statt. Im Mittelpunkt stand die Forderung nach drei Prozent Einkommenserhöhung, einem Sockelbetrag von 50 Euro und einer Übernahme von Ausgebildeten für wenigstens 24 Monate.



In Hessen werden die Tarife für die Landesbediensteten separat verhandelt, weil die damalige CDU-Alleinregierung 2004 aus dem Arbeitgeberverband Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ausgetreten war. Die Gewerkschafter fordern die Rückkehr des Landes in die TdL.

In der Landeshauptstadt Wiesbaden kamen die getrennten Demonstrationszüge der DGB-Gewerkschaften und der dbb-Tarifunion mit jeweils rund 500 Teilnehmern zu einer gemeinsamen Abschlusskundgebung in Sichtweite des Hessischen Landtags zusammen. Dabei forderte ver.di-Landesleiter Jürgen Bothner einen „Schluss mit der Bescheidenheit“. Wenn die Landesregierung die Kraftprobe suche, „gehen wir ihr nicht aus dem Weg“, so der Gewerkschafter, Bothner warnte vor den Folgen der geplanten Schuldenbremse in der hessischen Verfassung, über die die Bevölkerung Ende März abstimmt. Weil die öffentlichen Arbeitgeber bei den Wohlhabenden auf Steuereinnahmen wie eine Vermögenssteuer verzichteten, werde der Öffentliche Dienst zum „Opfer einer künstlich verschuldeten Armut“, so Bothner: „Wer Milliarden an seine Wählerklientel verschleudert, muss uns nicht von leeren Kassen erzählen.“

Zuvor waren die Streikenden durch die Innenstadt zur Hessischen Staatskanzlei gezogen, wo einige von ihnen kurzzeitig den Haupteingang blockierten. Dabei sorgten die lauten Motorsägen von Waldarbeitern aus der IG BAU ebenso wie die Trillerpfeifen von ver.di-Aktivisten und Mitgliedern der Polizeigewerkschaft GdP für einen ohrenbetäubenden Lärm. Stark vertreten waren Beschäftigte des Hessischen Staatstheaters, auch etliche Nichtorganisierte, die zum ersten Mal in ihrem Leben streikten. „Es ist die allgemeine Unzufriedenheit, die uns auf die Straße treibt“, brachte es ein Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe beim Staatstheater auf den Punkt. Ein Wiesbadener Berufsfeuerwehrmann forderte auf einem Pappschild die 40-Stunden-Woche. 2003 hatte Hessens Regierung für Beamte die 42-Stunden-Woche dekretiert. Für die Feuerwehrleute im Bereitschaftsdienst gelte sogar die 48-Stunden-Woche, kritisierte der Gewerkschafter. Unübersehbar waren in Wiesbaden auch mehrere hundert Mitglieder des Verbands Deutscher Straßenwärter (VDStra.) mit ihren grünen Fahnen und Westen. Sie gelten als dbb-Bastion im Öffentlichen Dienst und verlangen für ihren mitunter riskanten Einsatz eine Gefahrenzulage.

Eine spontane Solidaritätserklärung mit den Massenstreiks in Wisconsin (siehe Bild), der US-amerikanischen Partnerregion von Hessen, hatte der Wiesbadener ver.di-Sekretär Karl-Heinz Kauß initiiert. Er sammelte auf einem Pappschild Solidaritätsunterschriften.

Im Saarland legten 2500 Beschäftigte in Landesdiensten am Montag die Arbeit nieder. Ihnen zur Seite standen Beschäftigte der Telekom und der Arbeiterwohlfahrt, die nach ver.di-Angaben ebenfalls gegen die „unnachgiebige Position ihrer Arbeitgeber“ protestierten. Bei der Abschlusskundgebung in Saarbrücken kritisierte ver.di-Chef Frank Bsirske „Steuergeschenke an Hoteliers und reiche Erben“ sowie ein „organisiertes Steuervollzugsdefizit“ der Länderfinanzminister. So fehlten 5.000 Betriebsprüfer in den Finanzverwaltungen, obwohl bekannt sei, dass jeder einzelne von ihnen eine Million Euro pro Jahr für die öffentlichen Kassen erwirtschaften könne. Angesichts von zwei Prozent Preissteigerungsrate sie die Forderung nach drei Prozent plus Sockelbetrag „mehr als gerechtfertigt“.

Erstveröffentlichung Neues Deutschland, 28.2.2011.

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