Kategorie: Kapital und Arbeit |
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35 Stunden-Woche zäh verteidigen |
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Rede von Hans-Gerd Öfinger bei der DGB-Maikundgebung 2011 in Wiesbaden zur aktuellen Tarifauseinandersetzung in der Druckindustrie und der Bedeutung der 35-Stunden-Woche. Bei der aktuellen Tarifrunde für die Druckindustrie und Zeitungsverlage steht viel auf dem Spiel. Hier geht es nicht nur... ...um die Abwehr von Tarifdumping, ...um gleiche Bezahlung und Bedingungen für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ...und den Reallohn. |
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Es geht vor allem um den Manteltarifvertrag (MTV) für die Druckindustrie, den der Unternehmerverband Bundesverband Druck und Medien (bvdm) jetzt gekündigt hat. Eine zentrale Errungenschaft dieses MTV ist die 35-Stunden-Woche. Für die Wochenarbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich hatte die damalige IG Druck und Papier und spätere IG Medien, die vor genau zehn Jahren im ver.di-Fachbereich Medien aufging, seit den 1980er Jahren intensiv gekämpft. Viele Gewerkschafter hier – ich sehe einige Veteranen von damals - erinnern sich wohl noch gut an die wochenlange Streikbewegung im Frühjahr 1984. Damals gelang den Druckern und Metallern der erste Einstieg in die 35-Stunden-Woche. Der ist uns aber nicht in den Schoß gefallen. So gab es in Offenbach, Stuttgart und anderswo Polizeieinsätze und Gewalt gegen Streikposten, als aufgehetzte (schein-)selbstständige Fahrer in Streikpostenketten rasten und manchen schwere Verletzungen zufügten. Die FAZ-Chefs demonstrierten mit dem Einsatz eines gecharterten Hubschraubers zum Abtransport von Streikbruchprodukten aus dem Werksgelände ihre Macht. Den Streikenden schlug damals aber auch ein heftiger medialer und politischer Gegenwind entgegen. Denn viele Medien beschuldigten die IG Druck und Papier, sie betreibe mit Streiks und „Gewaltmaßnahmen“ in Zeitungsverlagen einen „Anschlag auf die unabhängige Presse“. Der damalige Bundeskanzler Kohl bezeichnete die 35-Stunden-Woche als „dumm und töricht“. Unternehmerverbände steckten damals viel Geld in eine Kampagne. „Lieber eine Woche Arbeitskampf als eine Minute Arbeitszeitverkürzung“ - sagte damals Dieter Kirchner von Gesamtmetall. Erschwerend kam dazu, dass damals mehrere DGB-Gewerkschaften wie die IG Chemie-Papier-Keramik (CPK) die Wochenarbeitszeitverkürzung ablehnten und sich von der IG Druck und Papier und IG Metall distanzierten. Trotz alledem gewannen DruckerInnen und MetallerInnen 1984 den Kampf um die Köpfe. Dazu trug auch eine breite gesellschaftliche Solidaritätsbewegung bei. Hier in Wiesbaden bildete sich ein Aktionsbündnis aus Gewerkschaften, politischen Organisationen und Einzelpersonen. Es begleitete die Streiks, sorgte für öffentliche Solidarität und Aufklärung. Die Streikbewegung dauerte für die IG Druck und Papier 13 Wochen – von April bis Anfang Juli. Die kleine IG Druck und Papier wurde nicht gebrochen. Die aufgehende Sonne hinter der 35 war damals das sichtbare Symbol und war in Betrieben, an Schwarzen Brettern, Kantinen, und auch in der Öffentlichkeit zu finden. Das hatte auch europaweit Auswirkungen. Das Thema Arbeitszeitverkürzung, das Verlangen nach mehr Freizeit für Familie, Kultur, Bildung und gesellschaftliches Engagement war nicht mehr zu unterdrücken. Nur wer geregelte Arbeitszeiten und ein existenzsicherndes Einkommen hat, kann sich wirklich und dauerhaft gesellschaftlich engagieren. Die „35“ wurde allerdings in Stufen und erst elf Jahre später - 1995 - erreicht. Auch wenn längst eine Tarifflucht eingesetzt hat und etliche Betriebe auch „ohne Tarifbindung“ - mit einer so genannten OT-Mitgliedschaft - im bvdm organisiert sind, haben die Beschäftigten in wichtigen Betrieben mit der 35 Stunden-Woche viel zu verteidigen. Denn bei einer Rückkehr zur 40 Stunden-Woche droht allein in der Druckindustrie ein Abbau von rund 23.000 Arbeitsplätzen. Das ist auch ein wichtiges Argument für Arbeitszeitverkürzung.
Der Kampf um eine kürzere Arbeitszeit ohne Lohnverlust ist ein roter Faden der Geschichte der Arbeiterbewegung. Es ist an der Zeit, dass sich die Gewerkschaften dieses Ziel wieder offensiv auf ihre Fahnen schreiben. |