Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Alstom und ICL sind keine Einzelfälle |
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Der traditionsreiche Chemiekonzern ICL (Israel Chemical Ltd) will den Ludwigshafener Betrieb verkaufen, das rund 30 km entfernte Werk im badischen Ladenburg „verschlanken“, und das Verwaltungszentrum in die Steueroase Amsterdam verlagern. |
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Die Liste der Unternehmen, die einerseits durch Verkauf flüssiges Kapital erbringen und andererseits die Konkurrenz ausschalten und damit zur Monopolisierung beitragen, ist lang. Im Raum Mannheim/Ludwigshafen machen gerade die Global-Player Alstom, ICL, Siemens und Daimler Schlagzeilen.
Der Chemie-Konzern ICL(Israel Chemical Ldt) beschäftigt ca. 550 Menschen in verschiedenen Produktionssparten in Ludwigshafen und Ladenburg. Konzernchef Stefan Borgas setzte den Slogan „One ICL“ in die Welt, der nichts anderes besagt als Effizienz und Wachstum. Seit März ist klar: der Ladenburger Teil soll „verschlankt“ und der Ludwigshafener Betrieb soll verkauft werden. Das Programm wird diktatorisch umgesetzt. Jeder, der ansatzweise Diskussionen hervorrief, wurde zwangsversetzt. Von der Belegschaft wurde 120% ige Zustimmung verlangt. Die Ausrichtung ist fast sektenähnlich, berichtet ein Mitarbeiter von ICL.
Der Konzern lebt schon immer von der Ausbeutung israelischer Rohstoffe. Im letzten Jahr wurden die Schürfrechte verändert und die Konzernleitung drohte mit der Entlassung von 5000 der 12000 Arbeiter dort. Daraufhin kam es zu einem wochenlangen Streik, der zu erheblichen Gewinneinbußen führte. Von der Belegschaft in Deutschland waren 90 Prozent noch nie im Streik. Viele sind wütend, frustriert und äußerst besorgt, denn die Entscheidungen werden in Hinterzimmern ohne den Betriebsrat gefällt. „Man denkt, das ist deine Familie und plötzlich wird alles verkauft!“ erklärt ein Mitarbeiter. Jahrzehntelanges Verantwortungsgefühl tagein, tagaus, Überstunden gemacht, wenn notwendig, das ganze Leben auf die Arbeitsbedingungen der Firma ausgerichtet und plötzlich zählt das alles gar nicht.
Am Ende zählt nur der Profit. Dabei schaffte es Borgas anfangs noch, große Teile der Belegschaft für sich zu gewinnen. Mit Argumenten wie „Wir helfen den Notleidenden der Welt durch unsere Düngemittelproduktion“ konnte er noch viele begeistern. Spätestens seit der Ankündigung der Verlagerung des Verwaltungszentrum in die europäische Steueroase Amsterdam und seit der Verkündung vom Verkaufs des Standorts Ludwigshafen hat sich das schlagartig geändert. Seitdem gab es schon an mehreren Tagen „aktive Mittagspausen“ vor dem Tor. ArbeiterInnen kommen in ihre Pause, überziehen die Pause oder haben auch keine Pause, ganz nach dem Motto: „Wir tanzen nicht nach eurer Pfeife!“ oder, nachdem der Betriebsrat von der Geschäftsleitung als hyperaktiv bezeichnet wurde: „lieber hyperaktiv als blind und naiv!“
Von ICL zu Alstom
Der Betriebsrat hat längst Kontakt zu anderen Betrieben aufgenommen. Alstom in Mannheim bietet sich hier gerne als Kampf erfahrener Partner an. Dort erlebt die Belegschaft seit den 1980er Jahren das gleiche Spiel. Der frühere Manager Percy Barnevik hat in den USA von General Electric (GE) und dessen Manager Jack Welch schon damals viel gelernt. Der „Neutronen-Jack“, wie er auch öffentlich genannt wurde, zerschlug und verkaufte alles, was nicht profitabel genug war.
Die finanzielle Situation von Alstom hat viel mit den von ABB abgekauften Gasturbinen und den versteckten Verträgen zu tun. Das technische Angebot bei Alstom ist Top. Der Betriebsrat machte immer wieder Vorschläge zur Verbesserung und Modernisierung der Produktion. Darauf eingegangen ist die Geschäftleitung nie. Andererseits wurden 16 Mrd. Euro Nettogewinn in private Taschen gesteckt. Der Hauptaktionär und französische Mischkonzern Bouygues hat auch ganz andere Interessen: Er möchte weiter seine Telekom-Ambitionen ausbauen und war in einem Bieterwettbewerb mit einem Klassenkameraden. 13 Mrd. Euro fehlten ihm, das ist zufällig der Preis, der für Alstom veranschlagt wird. Bouygues will möglichst schnell Geld und der Betriebsrat befürchtet eine komplette Zerschlagung des Konzerns.
Der Bieterkampf um Alstom
Auch im kampferfahrenen Betrieb Alstom ist es nicht leicht, die Kollegen zu motivieren, aber das Fundament ist da. Immerhin hat man es in den letzten Jahren geschafft, dass der Arbeitsplatzabbau „sozial verträglich“ war. Jetzt soll der Alstom-Belegschaft der Verkauf an GE schmackthaft gemacht werden.
Doch der GE-Konzern ist radikal gewerkschaftsfeindlich, nicht tarifgebunden und bei fehlender Profitsteigerung droht die sofortige Zerschlagung. Die Übernahme durch Siemens ist ebenfalls keine Alternative. Diese würde eine Zerschlagung des Alstom-Konzerns nach sich ziehen und aufgrund der fast identischen Geschäftsaktivitäten einen radikalen Personalabbau sowie Standortschließungen zur Folge haben. Beide Bieter für Alstom haben eines gemeinsam: Sie wollen nur einzelne Filetstücke aus dem Gesamtkonzern herausschneiden.
Widerstand braucht langen Atem und Vernetzung
Der Konzernbetriebsrat und die IG Metall fordern u.a. einen Schutzschirm für alle Standorte, Arbeits- und Ausbildungsplätze, dauerhafte Standort- und Beschäftigungsgarantien incl. Kündigungsschutz für alle Beschäftigten der beteiligten Unternehmen, Gleichbehandlung aller deutschen und internationalen Standorte. Alle Arbeitsplätze bei Alstom müssen verteidigt werden - überall. Die Alstom- Geschäftsfelder Energietechnik, Energieerzeugung und Transport sind von gesellschaftlicher Bedeutung und dürfen sich nicht den Profitinteressen der Aktionäre unterordnen. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen europäischen Plan für eine umweltfreundliche Energieerzeugung und Verkehrsorganisation. Die Profitinteressen der Konzerne untergraben eine demokratisch-kontrollierte Energie- und Verkehrspolitik, die dringend notwendig ist, um die Herausforderungen in diesem Bereich zu meistern.
Der Kampf der Beschäftigten für den Erhalt aller Arbeitsplätze macht eine Zusammenarbeit mit anderen Alstom-Niederlassungen auch in Frankreich und Spanien notwendig. Hierbei müssen sich der Konzernbetriebsrat, die örtlichen Betriebsräte und die IG Metall auf einen langen Kampf einstellen. Die Gegenseite hat sich schon klar positioniert. In Mannheim und Umgebung werden schon mehrere Betriebsratsmitglieder vor Gericht gezogen, gekündigt und gemobbt.
Als Hersteller von Zügen und Produzent von Turbinen für die Energiegewinnung hat Alstom einen großen gesellschaftlichen Wert und sollte am besten vergesellschaftet und unter Arbeiterkontrolle gebracht werden. Sicher hätten die Fachleute bei Siemens, Daimler, BASF, um nur einige zu nennen, auch gute Ideen wie man die Betriebe für die Gesellschaft, für die Umwelt und Ressourcen schonend umgestalten und verwalten könnte. |