Kategorie: Kapital und Arbeit

OPEL hat Zukunft – in Arbeiterhand!

Ob Daimler, Karstadt oder Opel: Das Management hat versagt, grobe Fehlentscheidungen getroffen und Milliarden in den Sand gesetzt. Die gut dotierten Verantwortlichen sind entweder längst über alle Berge oder sitzen nach wie vor unbehelligt auf ihren Chefsesseln. Es wirkt wie aus einem Drehbuch und klingt wie die alte Leier, denn diesen „Nieten in Nadelstreifen“ fällt dabei nur eines ein: Die Belegschaft soll es ausbaden und (wie sich die Zahlen doch in jedem einzelnen Fall gleichen!) Lohnopfer in Höhe von 500 Millionen Euro jährlich erbringen. Dabei sollen die Gewerkschaftsspitzen alles möglichst rasch abwickeln und für Ruhe sorgen, um ja nicht den „Standort“ und den „Aufschwung“ zu gefährden.



Vom Widerstand der Bochumer Belegschaft kann der Zündfunke ausgehen

Dass die Belegschaft des Bochumer Opelwerks seit Donnerstag, 14. Oktober 2004, spontan die Arbeit verweigert, passt den Herrschenden nicht ins Konzept und war in ihrem Drehbuch nicht vorgesehen. Aber die Bochumer Opelaner spüren: Solange sie die Produktion unterbrechen, haben sie das Heft des Handelns in der Hand. Wenn in wenigen Tagen, vermutlich spätestens ab Dienstag, 19. Oktober, der Nachschub an Achsen und Auspuffen aus Bochum für andere Werke des General Motors-Konzerns in Belgien, Polen und Großbritannien ausbleibt, dann kommt auch dort die Produktion ins Stocken. Dies ist die einzige Sprache, die die Spitze des General Motors-Konzerns in Detroit versteht.

GM-Chef Henderson droht bei einer Fortsetzung des Streiks mit der Schließung des Bochumer Werks. Dies ist Erpressung und kommt einer Kriegserklärung gleich. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Die Bochumer Belegschaft ist gut beraten, wenn sie jetzt nicht klein beigibt und den Abbau von 4000 Entlassungen, also eine Schließung des Werkes auf Raten schluckt. So wie sich die DaimlerChrysler-Manager im Juli mit dem Sindelfinger Werk den größten Betrieb des Konzerns herausgesucht haben, um ihr Lohndumping durchzudrücken, so zwingen die GM-Manager jetzt die kampferfahrene Bochumer Opel-Belegschaft in eine Machtprobe.

Der Bochumer Ausstand setzt weit über die Autobranche und das Ruhrgebiet hinaus Zeichen und macht klar: Widerstand gegen die ständige Verschlechterung unserer Lebensbedingungen ist möglich und nötig. Den Herrschenden sind solche Aktionen von unten immer ein Dorn im Auge, weil sie die arbeitenden (und arbeitslosen) Menschen gegeneinander ausspielen, von einander isolieren und einzeln „rupfen“ möchten.

Hören wir daher nicht auf all die Politiker, Journalisten und bürgerlichen „Experten“, die einen sofortigen Abbruch aller Aktionen und eine Rückkehr zu „geordneten“ Verhandlungen über Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkung fordern. Lassen wir uns nicht einzeln zur Schlachtbank führen und gegeneinander ausspielen. Viele Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Selbst wenn Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft in Vereinbarungen über „Standortsicherung“ durch Arbeitsplatzabbau und Lohnverzicht den Unternehmern alle Forderungen zugestehen, lassen uns die Arbeitgeber keine Ruhe und machen immer weiter. Solche Abstriche an den Tarifverträgen und Kostensenkungsmaßnahmen sind in aller Regel nicht das Ende der Probleme, sondern der Beginn einer Spirale nach unten. Solange Arbeiter in Polen, Tschechien oder noch weiter östlich nur einen Bruchteil der in Westdeutschland üblichen Löhne verdienen, werden die Konzernlenker hartnäckig auch eine radikale Angleichung der Löhne und Arbeitsbedingungen nach unten drängen. „Wir werden uns in 15-20 Jahren kaum wundern, wenn Leiharbeiter am Bahnhof Schlange stehen um als Tagelöhner abgeholt zu werden“, sagte uns ein Opel-Arbeiter. So weit darf es nicht kommen.

Daher dürfen die anderen Opel-Werke jetzt nicht „Business as usual“ machen und nur in Betriebsversammlungen und Demos den Dampf ablassen. Die Bochumer Opel-Belegschaft darf nicht im Stich gelassen werden. Die Bewegung muss ausgeweitet und darf nicht abgewürgt werden. Daher:

· Finanzielle Unterstützung der kämpfenden Belegschaft durch die IG Metall. · Ausweitung der Aktionen auf alle deutschen und europäischen GM-Betriebe. · Bundesweite Gründung von Solidaritätskomitees zur finanziellen, materiellen, politischen und moralischen Unterstützung. · Keine einzige betriebsbedingte Kündigung! Kein Personalabbau! Keine Betriebsschließung! Keine Einkommenskürzung! Die Belegschaft darf nicht für offenkundige Managementfehler und finanzielle Krisen bestraft werden, die sie nicht zu verantworten hat.

Vom Standpunkt eines Betriebs- oder Konzernmanagers gibt es im Interesse der Aktionäre nur eines: Rendite erhöhen und Lohnkosten senken „ohne Rücksicht auf Verluste“. Ein hochmodernes Autowerk, das über längere Zeit nur zu 60 Prozent ausgelastet ist, betrachten sie als „Klotz am Bein“, den es abzuschnallen gilt. Dazu sind sie auch bereit, komplette Standorte plattzumachen und durch Kahlschlag den Niedergang ganzer Regionen einzuleiten. Städte wie Bochum oder Rüsselsheim könnten sich heutzutage von Massenentlassungen und einer Schließung auf Raten nicht mehr erholen.

Mit solchen Managern gibt es für uns keine Zukunft. Diese „Nieten in Nadelstreifen“ haben den Karren an die Wand gefahren und lassen sich ihr Ausscheiden noch vergolden. Und normal Sterbliche sollen nach einem Jahr Arbeitslosigkeit unter den Bedingungen von Hartz IV überleben! Daher: Nehmt ihnen die Herrschaft über die Betriebe aus der Hand. Setzt sie frei – aber bitte ohne Entschädigung. Die Betriebe gehören unter die Kontrolle der Beschäftigten und ihre Verwaltung in die Hände von Belegschaft, Gewerkschaften und einer breiteren Allgemeinheit.

Unsere Interessen sind ganz bescheiden: Wir wollen Arbeit, angemessene Einkommen und eine sichere Zukunft. Wir wollen mit den vorhandenen Betrieben, Maschinen und Anlagen, dem Fachwissen und der Erfahrung aller Arbeiter und Angestellten, Techniker und Ingenieure Güter produzieren, die unser Leben leichter und lebenswerter machen und dem Wohlergehen der ganzen Menschheit dienen. Darum ist es verbrecherisch, auch nur einen Arbeiter oder Angestellten in die Arbeitslosigkeit zu schicken und teure Produktionsanlagen brachliegen zu lassen oder gar zu demontieren. Dies mag die Dividenden der Aktionäre steigern, aber gesamtgesellschaftlich ist es ein Wahnsinn.

Aber haben wir nicht sowieso große Überkapazitäten in der Automobilindustrie? Sollen wir noch mehr Autos auf Halde produzieren und darauf sitzen bleiben? War es nicht zwangsläufig, dass es eben irgendwann mal einen Konzern treffen muss?

Wenn die Arbeiter, Techniker und Ingenieure ungehindert und ohne Bevormundung von oben ihre Ideen umsetzen können, warum könnten dann nicht noch bessere, langlebigere und umweltschonendere Autos hergestellt werden? Wer sagt denn, dass Opel mit den vorhandenen Menschen und Maschinen nur Autos und nicht auch andere gesellschaftlich nützlichere Produkte herstellen könnte. Die Firma Opel fing im 19. Jahrhundert mit der Produktion von Nähmaschinen und Fahrrädern an, erst später wurden Autos und Flugzeugmotoren gefertigt. Im 2. Weltkrieg wurden viele europäische Autowerke in kurzer Zeit auf die Produktion von Kriegsgerät umgestellt. Ebenso rasch könnte heute in supermodernen Betrieben auch auf die Produktion ziviler Güter umgestellt werden. Wie so etwas funktionieren kann, zeigen die alternativen Produktionspläne der Belegschaft des britischen Autozulieferers und Rüstungskonzerns Lucas Aerospace in den 1970er Jahren. Die von Arbeitslosigkeit bedrohte Belegschaft stand mit dem Rücken zur Wand und hat daher eigene Pläne für die Umstellung der vorhandenen Produktionsalagen auf zivile Produkte entwickelt. „In kurzer Zeit lagen 150 Produktideen vor, die mit den im Unternehmen vorhandenen Geräten und Qualifikationen hätten hergestellt werden können. Bessere, billigere medizinische Geräte, verbesserte und billigere künstliche Nieren waren genauso darunter wie verbrauchsgünstige Automotoren, neue Heizsysteme oder der berühmt gewordene Straßen-Schienen-Bus. Unter den gesellschaftlich nützlichen Produktionsvorschlägen befinden sich neuartige Energiespeicher, Wärmepumpen mit einem hohen Wirkungsgrad, ein Universal-Antriebsaggregat für verschiedene Fahrzeugtypen mit 50 Prozent verringertem Treibstoffverbrauch und erheblich geringerer Lärmentwicklung, ferngesteuerte Roboter und Tiefseeforschungsgeräte. Die Gewerkschafter trennten die Produktvorschläge in sechs größere Produktionsbereiche, die jetzt in sechs Bänden zusammen gefasst sind, jeder mit ungefähr 200 Seiten. Sie enthalten spezifische Details, wirtschaftliche Berechnungen und sogar Entwurfszeichnungen“, erläutert Anne Rieger, zweite Bevollmächtigte der IG Metall in Waiblingen in einem Vortrag auf Burg Duddeldorf am 20. Juni 2004 (siehe www.friedensratschlag.de):

„Wer die Pläne der Lucas-Beschäftigten studiert, wer die Geschichte ihrer Entstehung kennt, wer weiß, dass die meisten Ideen von einfachen ArbeiterInnen unter Beratung einiger Ingenieure entwickelt wurden - der kommt nicht umhin: Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Güter ist möglich. Demokratische Kontrolle - und die Produktion kann um ein Vielfaches effektiver, nützlicher, billiger, menschen- und umweltfreundlicher gemacht werden. Da die Unternehmensleitung jegliche Zusammenarbeit verweigerte, stellten engagierte Arbeitnehmer Prototypen einiger Alternativprodukte in Eigenarbeit her.

Trotz der Aktivitäten konnte die Blockadepolitik der Geschäftsleitung nicht durchbrochen werden. Keines der vorgeschlagenen Produkte ist auf den Markt gekommen. Doch der Maßstab des Erfolges muss vorrangig an der Ausgangsforderung selbst angelegt werden und die bestand in der Verteidigung der Arbeitsplätze. Tatsächlich wurde von 1975 - 1981 keine einzige Entlassung ausgesprochen. ("Produkte für das Leben statt Waffen für den Tod", Hrsg: Freimut Duve, rororo aktuell, Hamburg 1982). Der Lucas-Plan wurde zu einem Beispiel dafür, dass Alternativen zur Rüstungsproduktion möglich sind und hatte Signalwirkung für die Gründung von Arbeitskreisen zur Alternativer Produktion.“

Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Wenn die Konzernleitung von GM in Detroit kein Gespür für den europäischen Markt hat und den Bestand aller Auto-Werke und aller Arbeitsplätze zu menschenwürdigen Bedingungen nicht mehr garantieren kann, dann gehören ihr die Betriebe aus der Hand genommen und in Gemeineigentum überführt. Utopisch? Nicht realisierbar? Illegal? Verfassungsfeindlich?

„Die Wirtschaft des Landes hat die Aufgabe, dem Wohle des ganzen Volkes und der Befriedigung seines Bedarfs zu dienen. (...) Jeder Mißbrauch der wirtschaftlichen Freiheit (...) ist untersagt. Vermögen, das die Gefahr solchen Mißbrauchs wirtschaftlicher Freiheit in sich birgt, ist auf Grund gesetzlicher Bestimmungen in Gemeineigentum zu überführen. (...) Bei festgestelltem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist in der Regel die Entschädigung zu versagen. (...) Gemeineigentum ist Eigentum des Volkes. (...) Die Verfügung über dieses Eigentum (...) soll (...) Gewähr dafür bieten, daß das Eigentum ausschließlich dem Wohle des ganzen Volkes dient und Machtzusammenballungen vermieden werden.“ (aus der Verfassung des Landes Hessen, Artikel 38, 39 und 40).

Es kann kein Zweifel bestehen: Der GM-Konzern hat seine wirtschaftliche Freiheit zu unserem Schaden mißbraucht. Seine Betriebe gehören daher entschädigungslos in Gemeineigentum überführt.

„Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung (...) in Gemeineigentum überführt werden. (...) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“, sagt auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 14 und 15). „Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden“, fordert Artikel 27 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen.

Wir erwarten allerdings nicht, dass die Ministerpräsidenten Koch (CDU) und Steinbrück (SPD) oder Bundeswirtschaftsminister Clement (SPD) diese Verfassungsgebote ernst nehmen. Sie setzen darauf, dass Betriebsrat und IG Metall dem GM-Diktat und damit massiven Lohnkürzungen zustimmen und „Ruhe in die Bude“ kriegen. Auf diesem Weg können wir alle aber nur verlieren.

Tatsache ist: General Motors hat über viele Jahre Milliarden aus den deutschen und europäischen Werken abgeschöpft. Tatsache ist: Die verbuchten Verluste sind nicht von der Belegschaft, sondern von den „Nieten im Nadelstreifen“ im Managerment verursacht worden. Warum also sollte die Belegschaft jetzt Sonderopfer bringen und damit wahrscheinlich bald eine schrittweise Schließung ganzer Werke über sich ergehen lassen?

Also worauf warten? Wenn die Belegschaften mit Unterstützung der IG Metall und Rückendeckung durch eine breite Solidaritätsbewegung die Produktion in die eigene Hand nehmen würden, hätte dies bundesweit und europaweit Signalwirkung. Millionen Menschen wissen, dass etwas gewaltig faul ist im Staate und dass sich das Blatt endlich zu Gunsten der „kleinen Leute“ wenden muss. Von Bochum kann der Zündfunke ausgehen. Darum: Nicht einschläfern und anschließend plattmachen lassen.

Redaktion Der Funke

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