Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Postler brauchen den Schulterschluss |
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Über die Bedeutung des aktuellen Arbeitskampfes bei der Deutschen Post und die Notwendigkeit eines breiten Bündnisses für eine gute öffentliche Daseinsvorsorge. |
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Angesichts der für Millionen Menschen im Alltag spürbaren Streikwelle in Kindertagesstätten und bei der Deutschen Bahn ist die anhaltende Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Post in den letzten Tagen medial etwas in den Hintergrund geraten. Dabei ist der Kampf um existenzsichernde Einkommen und Lebensperspektiven der Brief- und Paketzusteller nicht irgend ein Streik um Lohnprozente, sondern eine hochpolitische Angelegenheit, die viele Fragen aufwirft und uns alle angeht.
Schließlich gilt die Deutsche Post DHL Group als zweitgrößter Arbeitgeber der Republik und steht finanziell glänzend da. Konzernchef Frank Appel erhöhte sich im vergangenen Jahr sein Einkommen um knapp 30 Prozent auf 9,6 Millionen Euro. Im Ranking der Vorstandsvorsitzenden steht er damit stolz auf Platz drei. Der zunehmende Internethandel bescherte dem Konzern 2014 einen Rekordgewinn von über drei Milliarden Euro, die Dividenden für die Aktionäre sprudeln.
Aber nach Appels Ansicht verdienen die rund 80.000 Zusteller für ihre stressige und aufreibende Tätigkeit immer noch zu viel. Der Lockvogel für alle bisher befristet Beschäftigten, denen in den neu ausgegründeten 49 „Delivery“-Regionalgesellschaften endlich unbefristete Arbeitsverträge angeboten werden, ist ein vergiftetes Angebot. Die zermürbten und weichgeklopften Betroffenen sollen hier für die gleiche Arbeit nach 15 Beschäftigungsjahren bis zu 30 Prozent weniger Lohn als nach dem Haustarifvertrag der Deutschen Post beziehen. In den „Delivery“-GmbHs sollen nach dem Willen des Managements weder Betriebsräte entstehen noch Arbeitszeit- oder Arbeitsschutzregelungen greifen. Als Streikbrecher fungieren derzeit nach Anordnung der Manager nicht nur viele ältere Postler mit Beamtenstatus aus der Zeit vor der Privatisierung, sondern ein Heer von osteuropäischen Leiharbeitern und prekär Beschäftigten und Scheinselbstständigen in Sub- und Sub-Sub-Unternehmen. Einer dieser „Vertragspartner“ fährt in diesen Tagen nach unseren Recherchen in einer norddeutschen Großstadt aus Angst vor dem Auftragsverlust trotz Beinbruchs mit Gipsverband im Auftrag der Post als Beifahrer durch die Gegend und hat sich auf eigene Faust rasch einen Kumpel als Fahrer angeheuert. Sicher kein Einzelfall. Frühkapitalistische Zustände lassen grüßen. Einen mit ver.di ausgehandelten Tarifvertrag, der die Fremdvergabe begrenzen sollte, ignoriert das Konzernmanagement kaltblütig. Solche Zustände und Provokationen kann sich ver.di nicht gefallen lassen. Die Zeichen stehen auf Eskalation.
Bei aller Empörung dürfen wir die politische Dimension dieses Konflikts nicht vergessen. Die Angriffe auf die Beschäftigten und zunehmende Prekarisierung im Post- und Logistikbereich sind vor allem eine Folge der Privatisierung und Liberalisierung in der Branche. Die alte staatliche Bundespost war kein maroder Laden, sondern warf Ende der 1980er Jahre noch fünf Milliarden DM Überschuss pro Jahr ab, der dem Bundeshaushalt zufloss. Seither wurden Gewinne privatsiert, die Verluste sozialisiert und die Rendite auf dem Rücken der Beschäftigten und Kleinkunden erarbeitet.
Wenn sich in diesen Tagen SPD-Politiker mit den Postlern von ver.di solidarisieren und über Werkverträge, Leiharbeit und Ausuferung von Befristungsmöglichkeiten empören, dann weiß in der Sozialdemokratie offensichtlich die Linke nicht, was die Rechte tut. Denn nach wie vor ist der Bund bzw. die bundeseigene KfW-Bankengruppe mit einem Anteil von 21 Prozent der größte Anteilseigner und stellt im 20-köpfigen Konzernaufsichtsrat zwei Mitglieder auf der Seite der Aktionärsvertreter. Die Bundesregierung, in der dem Vernehmen nach ohne die SPD nichts läuft, könnte also schon rein formal den gewerkschaftsfeindlichen Kurs des Postmanagements und die Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten stoppen, wenn sie es nur wollte. Doch wo kein Wille ist, da ist auch kein Weg.
Ein gemeinsamer Nenner in den Konflikten bei Post, Bahn und Sozial- und Erziehungsdiensten ist das Streben nach guten öffentlichen Dienstleistungen mit guten Arbeitsbedingungen statt Privatisierung, Prekarisierung und Abbau von Arbeitnehmerrechten. Es ist höchste Eisenbahn für den Schulterschluss von Beschäftigten, Gewerkschaften, Kleinkunden, Betroffenen und einer kritischen Öffentlichkeit. Das Potenzial für eine starke und übergreifende gesellschaftliche Bewegung für eine gute öffentliche Daseinsvorsorge ist da. Privatisierung ist kein Sachzwang oder Naturereignis. Sie kann und muss wieder rückgängig gemacht werden.
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